Das Leonberger Schloss ist 1609 für Sibylla von Württemberg der Witwensitz. Nach ihrem Tod wird der Bau vielfältig genutzt. Heute sind dort Finanzamt und Amtsgericht untergebracht.

Im Südwesten des historischen Altstadtkerns erhebt sich das Leonberger Schloss. Im Jahr 1609 nahm dort die 45-jährige Herzogin Sibylla von Württemberg ihren Witwensitz ein. Ein massiver, eher schmuckloser Bau, der heute das Amtsgericht und das Finanzamt beherbergt. Für Touristen interessant und beeindruckend ist der angrenzende Pomeranzengarten unterhalb des Schlosses. „Wissenswert ist die Nutzung der Schlossgebäude in der jüngeren Geschichte“, sagt die Leonberger Stadtarchivarin Bernadette Gramm.

 

Schloss-Umbau im großen Stil Der Herzog Christoph von Württemberg beauftragt in den Jahren 1560 bis 1565 den Baumeister Aberlin Tretsch mit dem Umbau des Schlosses im großen Stil. In früheren Jahren ist dieses gar der Sitz des Vogts gewesen. Die Gegend um Leonberg ist im späten Mittelalter eines der bevorzugten Jagdgebiete der württembergischen Herrscher. Die Grafen und späteren Herzöge nutzen das Stadtschloss häufig als Ausgangspunkt großer Jagdveranstaltungen.

Sibylla wird sehr jung Witwe

1593 übernimmt Graf Friedrich als Herzog Friedrich I. die Regierung in Stuttgart und siedelt mit seiner Frau Sibylla in die Hauptstadt von Württemberg. 1608 stirbt Herzog Friedrich I., da ist Sibylla gerade mal 44 Jahre alt. Sie erhält als Witwensitz das Schloss Leonberg. Herzog Johann Friedrich lässt für seine Mutter einen terrassierten Lustgarten errichten. 1614 stirbt die Herzogin im Alter von nur 50 Jahren in Leonberg und wird in der Stuttgarter Stiftskirche beigesetzt.

Die Zeit im Schloss nach Sibylla Nach dem Tod Sibyllas dient das Schloss einige Male als Witwensitz – unter anderem auch für eine Bürgerliche: Dorothea Schiller, die Mutter des berühmten Arztes, Dichters, Philosophen und Historikers Friedrich Schiller. 1742 zieht das Kameralamt – der Vorläufer des heutigen Finanzamtes – ins Leonberger Schloss ein, wo es bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts seinen Sitz hat. Von 1798 bis 1808 ist die Oberamtei – die Bezeichnung einer württembergischen Verwaltungseinheit - im Schloss untergebracht.

1961 zieht das Landratsamt in die Eltinger Straße

Seit 1956 befindet sich die Schlossanlage im Besitz des Landes Baden-Württemberg. Die Verwaltung des Landkreises bezieht den westlichen Teil (wo heute das Amtsgericht ist) bis 1961. Wer beispielsweise ein Auto zulassen möchte, ist zu diesem Zeitpunkt ebenfalls im Schloss richtig. 1961 zieht das Landratsamt in das neu errichtete Amtsgebäude in der Eltinger Straße 42 (heute Belforter Platz 1) ein, das in späteren Jahren nach erneutem Umzug des Landratsamts zum Leonberger Rathaus wird.

Finanzamt und Amtsgericht Für Touristen sind die Räume des Schlosses heute uninteressant. Finanzamt und Amtsgericht sind dort untergebracht. Das Finanzamt wird aktuell seit fünf Jahren renoviert. „Bei einem historischen Gebäude kommen immer neue Baustellen zum Vorschein“, sagt Andre Heineke, der Geschäftsstellenleiter des Leonberger Finanzamtes, der direkt von seinem Arbeitszimmer auf Sibyllas ehemaligen ausladenden Balkon tritt – der einen weiten Blick über die Dächer von Leonberg eröffnet. An die herzoglichen Zeiten erinnern in den Büros allenfalls die hohen Holzdecken, einige historische Wappen oder alte Holztüren. Ein ungenützter Gewölbekeller wird früher wohl der Lagerplatz für die Kohle gewesen sein. Die alte Kelter, links neben dem Eingang, ist der Erweiterungsbau des Finanzamtes. „In Zeiten des Solitude-Rennens waren dort Rennwagen untergestellt und beim traditionellen Pferdemarkt auch Pferde“, weiß Stadtarchivarin Bernadette Gramm.

Der Pomeranzengarten – ein Kleinod Mit der Planung des Pomeranzengartens wird der Renaissance-Baumeister Heinrich Schickhardt beauftragt, der auf zwei Italienreisen italienische Architektur und Gartenbaukunst der Renaissance studiert. Aus einem stark verwilderten Gelände zaubert er einen rechteckigen, streng symmetrischen Garten, in dem Gewürz-, Heil-, Kräuter- und Zierpflanzen angebaut werden.

Das Zentrum bildet ein Brunnen mit einem in die Höhe ragenden Obelisk, darauf ist das herzoglich-württembergische Wappen zu erkennen. Wasser plätschert aus vier Löwenmäulern. Vier kleine Pavillons markieren die Ecken des in vier Beet-Gruppen unterteilen Gartens.

Namensgeber für das Kleinod ist die Pomeranze. Eine Bitterorange, die Mitte des 16. Jahrhunderts bereits in Herzog Christophs Renaissancegarten beim Stuttgarter Schloss prächtig gedeiht. Sie ist Zierpflanze und Statussymbol zugleich, wird aber auch in der Küche als Frucht geschätzt. Für Sibylla interessant: Aus der Pomeranze können auch Arzneien gewonnen werden. Die junge Witwe ist belesen und botanisch sehr bewandert, stellt mit ihrer Freundin, der Hofapothekerin Helena Magenbuch-Osiander, Arzneimittel aus Pflanzen her.

Der Niedergang des Pomeranzengartens Nach dem Zweiten Weltkrieg ist von diesem einzigartigen Garten nichts mehr zu sehen, er wird der Natur überlassen, verwildert und gerät in Vergessenheit. Man will den Schandfleck beseitigen und durch eine neue Grünanlage ersetzen. Die Rodungsarbeiten fördern die alten Beet-Einfassungen und Brunnen zutage.

Man besinnt sich eines Besseren und will den historischen Schatz wieder instand setzten. Auch die Original-Entwürfe von Heinrich Schickhardt sind noch vorhanden. 1980 setzt das Land Baden-Württemberg den Pomeranzengarten der Herzogin von Württemberg wieder instand. Er ist heute der einzige noch erhaltene Terrassengarten der Renaissance in Württemberg.

Sehenswerte Altstadt und Kulinarisches Gleich ein paar Schritte vom Schloss entfernt ist die Stadtkirche. Sie ist tagsüber an der nördlichen Türe (gegenüber dem Stadtmuseum) geöffnet. Der älteste Teil, das Mittelschiff, wurde ungefähr ab dem Jahr 1250 in der Übergangszeit zwischen Romanik und Gotik erbaut. Die älteste Glocke im Turm der Leonberger Stadtkirche wurde im Jahr 2012 bereits 700 Jahre alt. Die Öffnungszeiten des Stadtmuseums sind: Dienstag, Mittwoch und Donnerstag 14-17 Uhr, Sonntag 13-18 Uhr und nach Vereinbarung. Nach so viel Kultur lädt die historische Altstadt mit dem traumhaften Fachwerk zum Bummeln ein. Kulinarisches gibt es in den Restaurants, Bistros und Cafés.

Anreise und Parken Wer mit dem Auto nach Leonberg anreist, parkt am besten in den Parkhäusern – entweder am Bahnhof oder in der Altstadt mit Zufahrten über die Seedammstraße oder Hinterer Zwinger.

Wer öffentliche Verkehrsmittel bevorzugt, erreicht Leonberg geschickt mit der S 6, der Fußmarsch zum Schloss dauert keine 15 Minuten.

Ausflugstipps in der Region – Schloss Leonberg

Serie
Auf Erkundungstour in der Region Stuttgart – zu geheimnisvollen Burgen und Ruinen, prächtigen Schlössern und eindrucksvollen Kirchen. Unsere Sommerserie bietet Anregungen für Ausflüge. Wetten, dass für Sie etwas dabei ist? Suchen Sie im Netz auf der Homepage: www.stuttgarter-zeitung.de/ausflugsziele-region-stuttgart

Service
Die Stadt Leonberg bietet regelmäßige Führungen an. Passend zum Thema findet die nächste bereits an diesem Samstag, 20. August, ab 17 Uhr statt: Eine Kostümführung mit Ina Dielmann als „Herzogin Sibylla“. Treffpunkt ist der Schlosshof vor dem Finanzamt. Anmeldung ist nicht erforderlich, die Führung kostet fünf Euro, Personen unter 16 Jahren sind frei. Und was im Pomeranzengarten so blüht, das erfahren die Teilnehmenden einer Führung mit der Gartenbauingenieurin Jana Hubbes am Sonntag, 18. September, um 11.15 Uhr. Eine Anmeldung ist auch hier nicht erforderlich, die Führung kostet vier Euro. Weitere Stadtführungen unter www.leonberg.de im Netz.