Die Interkom findet dieses Jahr nur digital statt. Das Angebot überzeugt die Werkrealschüler in Renningen. Doch das persönliche Gespräch fehlt.

Renningen - Die zehnte Klasse der Werkrealschule Renningen sitzt im Computerraum. Die einen lesen konzentriert auf dem Bildschirm, andere machen sich nebenher Notizen oder tippen etwas in ihren Laptop ein. Auf den ersten Blick sieht es nach ganz normalem Unterricht aus. Doch in diesem Computerraum – und in Klassenzimmern im ganzen nördlichen Landkreis Böblingen – findet zu diesem Zeitpunkt die Interkom, die interkommunale Ausbildungsbörse, statt.

 

Aufgrund der Corona-Pandemie war eine Messe wie in den vergangenen Jahren nicht möglich: mit einer großen Messehalle, in der sich Hunderte von Schülern tummeln und von Messestand zu Messestand tingeln, um sich dort zu informieren, Kontakte zu knüpfen und vielleicht direkt einen Praktikums- oder Ausbildungsplatz zu bekommen. Stattdessen findet die Interkom 2020 ausschließlich online statt: Vom Rechner aus können die Jugendlichen durch die virtuellen Hallen der Renninger Stegwiesenhalle streifen, sich dort informieren und sich mit den teilnehmenden Firmen sogar persönlich austauschen – nur eben schriftlich statt von Angesicht zu Angesicht.

Das ist einer der wenigen Kritikpunkte, den die Zehntklässler der Renninger Werkrealschule und ihre Lehrerin, Susanne Hindemith, an der digitalen Umsetzung der Interkom haben. Zugleich sehen sie aber auch viele Chancen und Vorteile darin. Von der technischen Umsetzung jedenfalls sind alle begeistert. „Es war viel besser, als ich es erwartet hatte“, gesteht die 16-jährige Selena. „Alles war sehr übersichtlich und die Darstellung mit dem 3D schön gemacht“, ergänzt der 15-jährige Eren. In den virtuellen Messehallen können die Schüler die „Stände“ der Arbeitgeber anklicken und dort Präsentationen und Informationen finden sowie eine Möglichkeit, die Unternehmen direkt anzuschreiben.

„Heute war ich viel konzentrierter“

Alle Schüler waren bereits 2019 zu Besuch auf der Interkom. Während Selena den persönlichen Kontakt in diesem Jahr sehr vermisst hat – „Ich fühlte mich dabei mehr angesprochen, es ist besser, wenn man mit den Leuten direkt reden kann“ –, hat sich Freundin Sibel (17) auf der virtuellen Messe viel wohler gefühlt. „Letztes Jahr in Leonberg war es schon sehr chaotisch mit den ganzen Menschenmassen“, sagt sie. „Man hat an den Ständen eben ein bisschen herumgefragt. Heute war ich viel konzentrierter.“

Die Ruhe ist auch aus Sicht der Klassenlehrerin Susanne Hindemith ein echter Pluspunkt. „Ich konnte mehr darauf achten, was die Schüler eigentlich machen, in der Messehalle sind sie meistens allein unterwegs.“ Die Ablenkung sei in der großen Halle ebenfalls größer.

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Die Jugendlichen haben auf der digitalen Messe jedenfalls gute Anregungen gefunden. Sibel zum Beispiel möchte gerne Erzieherin werden. „Ich werde mich jetzt aber auch für ein Praktikum in der Krankenpflege bewerben. Das wäre für mich Plan B.“ Auf diesen Beruf ist sie durch den „Stand“ des Klinikverbunds Südwest aufmerksam geworden. „Was ich darüber erfahren habe, das interessiert mich sehr.“ Ähnlich geht es Selena, die eigentlich Industriekauffrau für Büromanagement werden wollte. „Was ich vorher gar nicht kannte, war die Ausbildung zur Kauffrau für Digitalisierungsmanagement, das habe ich über Daimler erst kennengelernt.“ Eren hat sich eher zum „Spaß“ auf der Messe informiert. Wie Selena möchte er weiter zu Schule gehen und sein Abitur nachholen. Denn er hat ein ambitioniertes Berufsziel: Verkehrspilot.

Nächstes Jahr doch lieber live

In der Vorbereitung mit den Schülern hat Susanne Hindemith kaum etwas anders gemacht. „Die Zehner sind da ohnehin schon alte Hasen und nicht zum ersten Mal bei der Interkom“, erzählt die Klassenlehrerin mit einem Augenzwinkern. Denn bereits ab der achten Klassenstufe gehen die Schüler zu der Messe. „Wir gehen immer zusammen die Messezeitung durch und sprechen darüber, was sie interessiert und welche Stände sie besuchen wollen. Genauso haben wir es diesmal auch gemacht.“

Also lieber eine digitale Messe auch in Zukunft? Das nun nicht, sagt Susanne Hindemith. „Das persönliche Gespräch ist schon wichtig“, sagt sie. „Das ist das Hauptproblem der Schüler, dass sie sich schwer tun, auf die Unternehmen zuzugehen.“ Mit der Messe würden oft erste Hürden abgebaut. Oft stehen nämlich an den Ständen auch junge Auszubildende der Unternehmen, mit denen die Jugendlichen ungezwungener in Kontakt treten. Auch das zufällige Stoßen auf einen Beruf, den man bislang vielleicht gar nicht auf dem Schirm hatte, ist so schwerer möglich. „Die nächste Messe, sofern das möglich ist, daher gerne wieder live.“ Am meisten wünscht sich Susanne Hindemith allerdings eine Kombination aus beidem. „Es wäre sehr hilfreich, wenn man sich am Freitag auf der Messe informieren und dann am Montag alles online noch mal einsehen könnte, um sich zu informieren oder offene Fragen zu klären.“

Die Ausbildungsmesse Interkom ist ein gemeinsames Projekt der Kommunen im nördlichen Landkreis Böblingen, organisiert wird sie vom Verein für Jugendhilfe. Sie findet jedes Jahr abwechselnd in Renningen und Leonberg statt. Die Inhalte der Interkom sind noch bis zum 6. Dezember unter www.interkom-azubiboerse.de abrufbar.