Jana Brunner und Manuela Rottmann werden derzeit am Amtsgericht Leonberg zu Rechtspflegerinnen ausgebildet.

Leonberg - In Baden-Württemberg fehlen derzeit rund 140 Rechtspfleger“, weiß Torsten Hub, der Direktor des Amtsgerichts Leonberg. Auf die Schnelle lässt sich diese Lücke nicht schließen, Rechtspfleger für Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland wurden bisher zentral an der Hochschule für Rechtspflege in Schwetzingen ausgebildet. Seit September gibt es eine Außenstelle in Ulm. Drei Jahre dauert das Studium, das sich in zwei theoretische Abschnitte und einen Praxisblock gliedert.

 

Ebenso wie viele andere Reformen hat auch die Notariats- und Grundbuchamtsreform des Landes Baden-Württemberg Folgen, die nicht vorhersehbar waren. Einig sind sich die Justizexperten allerdings, dass die Reform nötig war: Es gab im Land mehr als 600 Grundbuchämter – das waren mehr als in der gesamten restlichen Bundesrepublik. Diese zersplitterte Struktur war historisch gewachsen. Gleiches galt für das Notariatswesen: In Baden waren die Notare Juristen, in Württemberg waren es Beamte des gehobenen Dienstes.

Neues Zentralarchiv in Kornwestheim

Zu Beginn des Jahres 2018 wurden die rund 300 staatlichen Notariate aufgelöst, das Nachlass- und Betreuungswesen wurde an die Amtsgerichte übertragen. Freien Notaren blieben vor allem Beurkundungen als Hauptaufgabe. Gleichzeitig wurden die Aufgaben der rund 600 Grundbuchämter auf 13 Amtsgerichte im Land verteilt, die die Grundbücher vollelektronisch führen. Die rund 14 Millionen Papierakten wurden im neuen Grundbuchzentralarchiv in Kornwestheim untergebracht, wo dafür 182 Regalkilometer bereitstehen. Eine Folge dieser ganzen Zuständigkeitsänderungen war, dass es zu wenig Rechtspfleger an den Amtsgerichten gibt.

Torsten Hub freut sich sehr darüber, dass seit September mit Jana Brunner und Manuela Rottmann gleich zwei Rechtspflegeranwärterinnen ihren praktischen Studienteil im zweiten Jahr am Amtsgericht Leonberg absolvieren. „Wir freuen uns, dass wir den juristischen Nachwuchs unterstützen können“, sagt er. Die beiden jungen Frauen fühlen sich am Leonberger Amtsgericht willkommen und überaus wohl. „Es herrscht eine fast familiäre Atmosphäre“, kann die 23-jährige Manuela Rottmann einen Vergleich ziehen, sie hat schon eine Ausbildung zur Justizfachangestellten an einem größeren Amtsgericht Ludwigsburg absolviert.

Gerichtssendungen wecken das Interesse

Die Gerlingerin wurde durch ihre Mutter, die regelmäßig Gerichtssendungen im Fernsehen verfolgte, für die Juristerei interessiert. „Jura wollte ich aber nicht studieren, das war mir zu unsicher“, erklärt sie. Sie schätzt die Sicherheit, die ein Job im öffentlichen Dienst bietet. „Gleichzeitig hat man als Rechtspflegerin aber auch eine große Freiheit, weil man selbst Entscheidungen trifft und nur an Recht und Gesetz gebunden ist“, führt sie weiter aus. Tatsächlich sind Rechtspfleger nicht an Weisungen von Vorgesetzten gebunden, sondern entscheiden wie Richter eigenverantwortlich und unabhängig.

Auch die 20-jährige Jana Brunner liebäugelt schon seit Längerem mit dem Justizwesen. „Mein Bogy-Praktikum habe ich bei einem Rechtsanwalt gemacht. Eine Freundin, die am Amtsgericht war, hat mich dann auf die Idee mit der Rechtspflegerausbildung gebracht“, erzählt die Gebersheimerin.

Die ganze Bandbreite des Berufs

Schon während ihres Studiums haben die beiden Frauen den Status von Beamtinnen auf Widerruf mit entsprechender Besoldung. In ihrem ersten Jahr an der Hochschule haben sie die ganze Bandbreite des Berufs theoretisch kennen gelernt. Die reicht von der Zwangsvollstreckung über Familiensachen, Insolvenzverfahren, Strafsachen und Grundbuchangelegenheiten bis zum Nachlassrecht. Insgesamt 13 Module wurden unterrichtet, am Ende von jedem stand eine vierstündige Klausur. Die Corona-Krise hat sie dabei voll erwischt: Von Mitte März an gab es keine Präsenzveranstaltungen mehr, via von den Dozenten bereitgestellten Power-Point-Präsentationen mussten sie sich den Stoff eigenständig aneignen. „Ab und zu gab es Online-Meetings, in denen Klausuren besprochen oder geübt wurden“, erzählt Jana Brunner.

Umso mehr haben sich beide darüber gefreut, dass sie am Amtsgericht Leonberg in die Praxis eintauchen konnten. So durften sie sich in der Zivilabteilung mit Kostenfestsetzungen sowie Beratungs- und Prozesskostenhilfe beschäftigen. Zusammen mit Torsten Hub würden sich beide freuen, wenn sie als ausgebildete Rechtspflegerinnen in zwei Jahren wieder am Amtsgericht tätig sein könnten.