In einer Ausstellung in der Galerie Hörmann wird der Architekt Hans Scharoun auch als Zeichner und Maler gewürdigt.

Stuttgart-Sonnenberg - Er nannte das „Organische Bauen“, eine Architektur, die ganz von den Lebensbedürfnissen der Menschen ausgeht. Hans Scharoun, 1972 gestorben, ist einer der bedeutendsten Architekten des vergangenen Jahrhunderts. Die goldglänzende Zelt-Architektur seiner Berliner Philharmonie und der benachbarten Staatsbibliothek kennt jeder. Ganz prägend hat er sich aber auch in Stuttgart verewigt - und nicht nur als einer der „Werkbund“-Architekten am Welterbe der Weißenhofsiedlung von 1927. Diesem hiesigen Wirken gilt eine hochkarätige Ausstellung, die jetzt in der Galerie Sonnenberg auf dem Gelände der Baumschulen M. Hörmann am Korinnaweg eröffnet wurde, wo Scharouns Nachfolger ein unersetzliches Bauerbe vor dem drohenden Abriss gerettet hat und unter Denkmalschutz stellen konnte.

 

Es gäbe kaum einen besseren Platz für eine Scharoun-Ausstellung. Denn die Galerie befindet sich in den kleinen Kettenhäusern, die der chinesische Baumeister Chen Kuen Lee 1963 für Angestellte der Gärtnerei auf dem Gelände geschaffen hatte – und zwar ganz aus dem Geiste seines Lehrers und Freundes Hans Scharoun heraus: mit den reinweißen Rauhputz-Fassaden, Sichtbeton und jenen spitzwinklig auskragenden Dächern, die als so etwas wie ein Signet Scharouns gelten. Und doch aber sacht, fast zärtlich eingebettet in die Garten-Natur, mit ganz weich und dabei höchst funktional menschengerecht ineinander übergehenden Wohnräumen. Nicht weit von dort erhebt sich am Fasanenhof Scharouns Salute-Hochhaus, das gemeinsam mit dem Ensemble Romeo und Julia in Zuffenhausen-Rot so richtungsweisend war. Nach Mörikes poetisch-paradiesischem „Orplid“ oder nüchtern geografisch „Rauher Kapf“ heißen die um Böblingen herum entstandenen Anlagen.

Zusammengestellt hat die Schau der Architekt Michael Koch

Vielleicht darf auch mal erwähnt werden, dass Hans Scharoun im noch großflächig kriegszerstörten Stuttgart den ersten Preis für einen Neubau der Liederhalle gewonnen hatte. Man vergab den Bau-Entwurf aber dann doch an den vielleicht preisgünstigeren Rolf Gutbrod. Unter Eingeweihten gelten die Baumeister der „Stuttgarter Schule“ um Paul Schmitthenner, Gutbrod und den Hauptbahnhofs-Architekten Paul Bonatz doch als konservative Konkurrenten der nazi-kritischen und weit internationaler ausgerichteten Bauhaus-Denker und ihrer Weißenhof-Gruppe, egal ob sie organisch oder kubisch-konstruktivistisch ausgerichtet waren.

Zusammengestellt hat die Schau, bei der als stiller Star immer die umgebende Architektur gegenwärtig ist, der Architekt Michael Koch, Scharoun-Kenner, Chen-Kuen-Lee-Experte und Schüler des 2003 gestorbenen Meisters. Kochs guten Kontakten zur Berliner Akademie der Künste ist es zu verdanken, dass neben vielen Entwürfen, Plänen und Fotografien auch zahllose – oft nie verwirklichte – Skizzen und Aquarelle Hans Scharouns zu sehen sind. Diese Bilder dienten dem atemberaubend räumlichen Visualisieren baulicher Ideen, überschreiten aber in ihrer teils geradezu suggestiven Farbgebung auch längst die Grenze zu ganz eigenständigen expressionistischen Kunstwerken.

Guten Beziehungen ist eine Reihe von Leihgaben zu verdanken

Die höchst kundige und von eigener Begeisterung sprühende Eröffnungsrede im überfüllten Eingangsraum der Baumschule hielt vor teils von weither angereisten lang applaudierenden Architekturfans denn auch Eva-Maria Barkhofen, die Leiterin des Berliner Baukunstarchivs der Akademie der Künste.

Den Beziehungen des kunstbegeisterten Baumschul-Erbwalters und Professors Dieter Martin Hörmann nach Hamburg ist eine ganze Reihe von Leihgaben zu verdanken, die aus der privaten Sammlung von Manfred Sack stammen, der als Architektur-Kritiker der „Zeit“ über Jahrzehnte hinweg moderne Baukunst vermittelt hat wie wenig andere. Der Doyen konnte altershalber aber nicht mehr zur Vernissage kommen.