Ein 32-Jähriger steht vor dem Amtsgericht, weil er seinen Vermieter mit heißem Öl lebensgefährlich verletzt hatte.

Leonberg - Der 43-jährige Mann im Zeugenstand des Leonberger Amtsgerichts muss seine Aussage regelmäßig unterbrechen, die Tränen laufen seine Wangen hinunter. Noch immer kann er nicht fassen, was am 1. August des vergangenen Jahres mit seinem Vater passiert ist.

 

Er war mit ihm und seiner Mutter auf dem Weg zu ihrem Haus in Weissach, um für einen bevorstehenden Anbieterwechsel den Stromzähler abzulesen und mit dem Mieter die Modalitäten zu klären. Als sie am frühen Nachmittag zum Haus kamen, hörten sie den Rauchmelder in der Wohnung ihres Mieters piepsen. „Ich habe durch das Fenster eine Flamme in der Küche gesehen, habe laut ,Feuer‘ gerufen und bin sofort ins Haus gerannt“, erzählt der 43-Jährige schluchzend, „und habe meinen Vater allein gelassen.“

Mieter wirft brennenden Topf aus dem Fenster

Was genau der Vater in den folgenden Sekunden gemacht hat, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Ihn traf jedoch der Inhalt eines brennenden Topfes, den der Mieter aus dem Fenster geworfen hatte. Die Folgen waren für das Opfer katastrophal: Es erlitt Verbrennungen zweiten und dritten Grades, fast ein Drittel der Haut war betroffen, es bestand akute Lebensgefahr. „Mein Vater musste mehrfach notoperiert werden. Er trägt heute noch einen Kompressionsanzug, weil die junge Haut keinen Kontakt mit Licht haben darf. Psychisch und physisch ist er um mindestens zehn Jahre gealtert“, schildert der 43-jährige Sohn die Folgen für seinen Vater.

Auch für den Mieter hatte der Vorfall Folgen: Die Staatsanwaltschaft klagte ihn vor dem Leonberger Amtsgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung an. Er habe sich vorher nicht vergewissert, ob sich vor dem Fenster im Garten jemand aufhalte.

Erster Löschversuch misslingt

Der 32-Jährige war sich jedoch keiner Schuld bewusst. An den Termin zum Stromablesen konnte er sich nicht erinnern. Er habe für sein Mittagessen Öl, Zwiebeln und Tomaten in einem kleinen Topf erhitzt und sei dann aus der Küche gegangen, um sich eine Flasche Wasser zu holen. Zurückgekommen sei er, weil er den Rauchmelder gehört habe. „Der Topf hatte auf dem Herd Feuer gefangen, ich habe versucht, ihn zu löschen“, erklärt der Angeklagte. Er habe seinen Pulli ausgezogen und den Topf auf den Boden gestellt, um das Feuer zu ersticken. Als das nicht geklappt habe, habe er den Topf aus dem Küchenfenster geworfen. „Ich habe im Garten niemanden gesehen“, beteuert er.

Er habe jedoch nur vom Herd aus einen Blick in den Garten geworfen und sich nicht aus dem Fenster gelehnt, führt er auf Nachfragen weiter aus. Es sei auch nicht viel Öl in dem Topf gewesen, „vielleicht zwei Zentimeter hoch“. Das will der Sohn des Opfers nicht glauben. „Mein Vater hat Verbrennungen vom Unterkiefer bis zu den Oberschenkeln, der Topf muss sehr voll gewesen sein“, vermutet er. Zudem habe der Angeklagte ihm gegenüber eingeräumt, dass er in der Küche eingeschlafen sei.

Staatsanwalt fordert Bewährungsstrafe

Der Staatsanwalt hält den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung für schuldig und plädiert auf eine einjährige Bewährungsstrafe. „Spätestens als der Sohn laut ,Feuer‘ geschrien hat, muss ihm bewusst gewesen sein, dass Leute vor dem Fenster stehen“, sagt er. Es sei nicht glaubhaft, dass der Angeklagte vor dem Wurf aus dem Fenster geschaut haben will. „Das Opfer wurde frontal an der Vorderseite vom Öl getroffen, er muss direkt am Fenster gestanden sein und hat den Topf ohne zu gucken rausgeworfen“, erklärt er.

Der Amtsrichter Thomas Krüger spricht den 32-Jährigen jedoch frei. Die Einlassungen des Angeklagten seien nicht zu widerlegen. Es sei ihm nicht vorzuwerfen, dass er einen brennenden Topf aus dem Fenster geworfen habe, nachdem ein Löschversuch fehlgeschlagen sei. Es sei auch nicht auszuschließen, dass der Verletzte gerade in dem Augenblick auf das Fenster zugelaufen sei, als der 32-Jährige den Topf hinauswarf. „Letztendlich war es ein tragischer Unfall mit fürchterlichen Folgen. Aber es ist nicht auszuschließen, dass es sich hier um eine Verkettung sehr unglücklicher Umstände gehandelt hat“, begründet der Amtsrichter sein Urteil.