Das Amtsgericht Leonberg muss wie alle anderen im Land auch mit Neuregelungen im Notar- und Grundbuchwesen fertig werden.

Leonberg - Seit gut anderthalb Jahren ist Torsten Hub als Direktor des Leonberger Amtsgerichts im Amt. Viel Zeit zur Eingewöhnung blieb ihm dafür nicht. „Wie alle anderen Amtsgerichte in Baden-Württemberg auch haben wir vor allem mit den Folgen der Notariatsreform zu kämpfen“, erzählt er im Jahresgespräch mit unserer Zeitung. Die größte Reform in der Geschichte der baden-württembergischen Justiz führte dazu, dass seit 1. Januar 2018 die Aufgaben in Nachlass-, Grundbuch- und Betreuungssachen auf die Amtsgerichte übertragen wurden. Alle staatlichen Notariate, die diese Aufgaben seit Beginn des 19. Jahrhunderts innehatten, wurden aufgelöst. Seitdem gibt es nur noch freie Notare, die für Beurkundungen zuständig sind.

 

„Wir haben zum 1. Januar 2018 große Rückstände übernommen, da die Notariate zuletzt auch unterbesetzt waren“, berichtet Torsten Hub. Unter anderem mussten seine Mitarbeiter rund 600 laufende Betreuungsverfahren übernehmen, bei denen jede Akte zunächst elektronisch erfasst werden musste, bevor Notare und Rechtspfleger tätig werden konnten. Erschwerend kam hinzu, dass zudem ein Notar in Ruhestand ging und die Stelle lange unbesetzt blieb. „Wir waren bis zur Jahresmitte 2018 auf einem guten Weg, aber das hat uns wieder ziemlich zurückgeworfen, weil für den Bereich Nachlass/Betreuung überhaupt nur 2,3 Vollzeitstellen eingeplant sind“, führt Hub weiter aus.

Überstunden und viel Arbeit

Zudem sei es ein generelles Problem, dass es zu wenig Rechtspfleger im Land gebe. Diese werden für Baden-Württemberg zentral an der Hochschule für Rechtspflege in Schwetzingen ausgebildet. Man habe sich dadurch beholfen, dass eine Richterin in der zweiten Jahreshälfte teilweise in den Betreuungsbereich gewechselt sei. Zudem sei in den Telefonzeiten nur eine Rechtspflegerin zu erreichen gewesen. „Wir sind sehr dankbar, dass die Bürger großes Verständnis für unsere Situation aufbringen. Wir arbeiten mit Hochdruck und zahlreichen Überstunden daran, die Bearbeitungszeiten wieder zu verkürzen“, sagt Hub. Er geht allerdings davon aus, dass vor allem im Nachlassbereich erst 2020 wieder der Service geboten werden könne, den sich die Mitarbeiter des Amtsgerichts selbst wünschen würden.

Zudem hätten viele Personaländerungen das Jahr 2018 geprägt. Als Folge der Notariatsreform habe man acht neue Notare und Rechtspfleger im Gebäude unterbringen müssen, was jedoch völlig geräuschlos geklappt habe. Mit Hub selbst als neuem Amtsgerichtsdirektor und der neuen Verwaltungsleiterin Randi Wertz gab es zudem auf zwei Führungspositionen personelle Wechsel.

Was wird am Amtsgericht verhandelt?

Statistisch hat sich die Zahl der Verfahren am Amtsgericht Leonberg in etwa auf dem Niveau der Vorjahre bewegt. Sogar einen leichten Rückgang gab es im Zivilbereich mit rund 750 Prozessen. „Das ist bei fast allen Amtsgerichten seit rund 20 Jahren so und hat möglicherweise mit dem Kaufkraftverlust zu tun“, mutmaßt Hub. Die Amtsgerichte seien für Streitwerte bis 5000 Euro zuständig, Rechnungen, zum Beispiel von Handwerkern, würden aber immer teurer. Ein generelles gesellschaftliches Problem spiegle sich bei den Räumungsklagen im Mietrecht wider, bei denen immer wieder der Einwand komme, die Mieter fänden keine neue Wohnung.

Mit 450 Verfahren sei auch die Zahl im Familienrecht auf dem Niveau der Vorjahre mit Ausnahme von 2016, als die zahlreichen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge die Zahl nach oben getrieben hatten. Auffällig sei allerdings, dass sich die Zahl der Kinderschutzverfahren erhöhe. „Das sind oft Fälle, in denen die Kinder gefährdet sind, weil die Eltern sich mehr um sie kümmern wollen, es aber nicht schaffen“, erläutert Hub. Solche Fälle würden die Richter oft auch persönlich belasten. Mit 1000 sei auch die Zahl der Strafverfahren konstant. Allerdings gebe es in Leonberg „als Autobahnstadt“ überdurchschnittlich viele Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verkehrsverstößen.

Neben den Rückständen aus dem Nachlass- und Betreuungsbereich werden auch umfangreichere Bauarbeiten den Arbeitsalltag im laufenden Jahr erschweren. „In den Sitzungssälen werden Kabel gelegt, weil im nächsten Jahr in Zivilsachen die elektronische Akte eingeführt werden soll“, erzählt Hub. Zudem stehen im zweiten Halbjahr Bauarbeiten wegen Brandschutzes an, die Hub auf vier bis fünf Monate taxiert. „Teilweise werden wir Säle schließen müssen“, bedauert Hub. Dem neuen Direktor wird auch weiterhin die Arbeit nicht ausgehen.

Interesse an einem Praktikum?

Die Mitarbeiter des Amtsgerichts Leonberg freuen sich über Schüler und Studenten, die die Arbeit an einem Gericht der ersten Instanz näher kennenlernen wollen. Auch BOGY-Praktikanten sind willkommen. Interessenten können sich beim Amtsgerichtsdirektor Torsten Hub schriftlich (Amtsgericht Leonberg, Schlosshof 7, 71229 Leonberg) oder per E-Mail unter der Adresse poststelle@agleonberg.justiz.bwl.de bewerben.