Immer wieder sorgt Ungarns Premier in der Europäischen Union für großen Verdruss. Der EU-Parlamentarier und Grünen-Politiker Daniel Freund hofft, dass das bald ein Ende hat.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Ungarns Premier Viktor Orbán ist in den Augen von Daniel Freund ein Autokrat. Deshalb fordert der Europaparlamentarier, dass der Regierungschef am EU-Gipfel nicht teilnehmen soll. Orbán zerlege in seinem Land die Demokratie und umgehe durch den nun ausgerufenen Notstand auch den letzten Rest parlamentarischer Kontrolle.

 

Herr Freund, die EU zeigt im Fall der Sanktionen gegen Russland eine überraschende Einigkeit. Nur Ungarn stellt sich immer wieder quer. Hat Sie das überrascht?

Viktor Orbán ist seit Jahren der engste Freund von Putin innerhalb der EU. Orbán hat zum Beispiel den Bau russischer Atomkraftwerke in Ungarn eingefädelt. Die ersten Sanktionen nach Kriegsbeginn hat er noch mitgetragen, aber auch da schon immer gebremst. Er hat zum Beispiel jegliche Waffentransporte durch ungarischen Luftraum untersagt, was zum Teil zu absurden Umwegen und erheblichen logistischen Schwierigkeiten bei der Versorgung der Ukrainer führt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Orbán die EU geradezu vorführt. Wieso lässt sich die Union seit Jahren von ihm auf der Nase herumtanzen?

Lange hatte er mächtige Verbündete. Als Teil der Europäischen Volkspartei (EVP) war er in derselben Parteienfamilie wie Angela Merkels CDU. Seine aggressive Haltung gegen Flüchtlinge hatte in der CSU viele Fans. Bei seinen Angriffen auf Demokratie und Rechtsstaat konnte er sich auf Rückendeckung aus Polen verlassen. Seit dem Rauswurf aus der EVP und seit Kriegsbeginn in der Ukraine ist Orbán isoliert wie nie. Enge Verbündete wie Sloweniens Premier Jansa sind abgewählt. Polens Regierung wendet sich aufgrund Orbáns Blockade bei den Russland-Sanktionen ab.

Welche Ziele verfolgt Viktor Orbán? Geht es ihm nur um die eigene Macht, oder will er womöglich der gesamten EU Schaden zufügen?

Orbán geht es um die eigene Macht und ums Geld. Er sieht, dass es bei Sanktionen gegen Russland auf seine Stimme ankommt. Also treibt er den Preis nach oben. Er erpresst die ganze EU, um für sich möglichst viel rauszuholen. Wir wissen noch nicht, wie teuer es wird, Orbán am Ende an Bord zu haben. Aber wir wissen, dass ein erheblicher Teil aller EU-Gelder in Ungarn in den Taschen von Orbáns Familie und Freunden landet. Antikorruptionsexperten schätzen, 25 Prozent aller Gelder werden von Orbán geklaut. Mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr.

Der Fall Ungarn verdeutlicht die Nachteile, wie ein Land mit seinem Veto die gesamte EU blockieren kann. Sehen Sie eine Chance, dass diese Regelung geändert wird?

Die Einstimmigkeit ist der größte Baumangel der EU. Es ist einfach undemokratisch, dass ein Regierungschef am Ende mehr zählt als 80 oder 90 Prozent der Europäer. Deswegen sollten wir in der EU mit breiten Mehrheiten abstimmen. Das finde nicht nur ich, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger, nationale Abgeordnete, die Zivilgesellschaft und viele Regierungen. Jetzt gilt es, die Einstimmigkeit in einem Verfassungskonvent abzuschaffen.