Josefa Schmid hat die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, weil ihr Chef Martin Georg Cohn unter anderem ein Bußgeldverfahren gegen seine Person wegen zu schnellen Fahrens stoppen wollte. Die Vorwürfe reichen aber weit darüber hinaus.

Dass sie nicht das beste Verhältnis haben, ist kein Geheimnis. In der Zusammenarbeit von Leonbergs Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) und seiner Stellvertreterin, der Ersten Bürgermeisterin Josefa Schmid (FDP) – verantwortlich für Finanzen, Soziales und Ordnung – ist kräftig Sand im Getriebe. Der vorläufige Höhepunkt: Schmids Anzeige gegen Cohn, weil dieser sich unter anderem in ein Ermittlungsverfahren gegen seine Person wegen eines Verkehrsdelikts eingemischt habe.

 

Das Schreiben wird derzeit geprüft

Schon Schmids Wahl im Frühjahr 2021 lief alles andere als harmonisch. Nach dem Rücktritt von Cohns eigentlichem Favoriten Maic Schillack aus Niedersachsen und einer Forderung der Grünen und der SPD im Gemeinderat nach einer erneuten Ausschreibung der Stelle mangels einer Auswahl an Kandidaten, gewann Schmid letztendlich ohne Gegenkandidaten mit nur einer Stimme. Doch die Stimmung an der Rathausspitze scheint jetzt zu eskalieren.

In einem Schreiben an die Regierungspräsidentin Susanne Bay (Grüne) sowie an die Staatsanwaltschaft, das unserer Zeitung vorliegt, erhebt Josefa Schmid schwere Vorwürfe gegen ihren Chef. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat das Eingehen einer Strafanzeige bestätigt. „Diese wird derzeit geprüft. Aus diesem Grund ist es aktuell nicht möglich, weitere Auskünfte zum Inhalt zu erteilen.“

Ein Punkt in Flensburg droht

Wie die „Bild“-Zeitung zuerst berichtete, soll der Leonberger Oberbürgermeister mit seinem Auto am 14. Juli 2021 in der Stuttgarter Straße zu schnell unterwegs gewesen sein. Demnach habe der mobile Blitzer 78 Kilometer pro Stunde angezeigt. An dieser Stelle ist allerdings nur Tempo 50 zulässig. Bei einem Verstoß dieser Art drohen 100 Euro Bußgeld sowie ein Punkt in Flensburg.

Martin Georg Cohn soll sich, so steht es weiter in dem Schreiben, in das Bußgeldverfahren eingemischt haben. Mit dem Ziel, dieses über den Leiter der Verkehrsabteilung einzustellen. Begründet habe er diesen Schritt damit, dass dieser spezielle Blitzer in anderen Bundesländern aus dem Verkehr gezogen worden sei.

Die Stimmung ist unerträglich

In Leonberg sei die Handhabung des Blitzers aber offiziell bis zum Ablauf der Eichung des Geräts zum 31. Dezember 2021 vorgesehen gewesen. Das habe auch der OB gewusst. Daher soll Josefa Schmid, die auch Chefin der Bußgeldstelle ist, verhindert haben, dass Cohns Versuch, den Bußgeldbescheid aus dem Verkehr zu ziehen, gelingt.

Seit diesem Vorfall sei die Stimmung an der Rathausspitze unerträglich. Josefa Schmid kritisiert in den Schreiben an die Staatsanwaltschaft und an das Regierungspräsidium Cohns Umgang mit Mitarbeitern. Dieses Vorgehen sei nicht nur gegen sie gerichtet, sondern auch gegen einige andere Mitarbeiter in der Verwaltung, die dort beschäftigt sind oder waren, heißt es.

„Das mit dem Blitzer hat seine Richtigkeit“

Mit diesen Vorwürfen konfrontiert, hüllt sich die Pressestelle im Rathaus in Schweigen. „Dazu kann ich keine Rückmeldung geben. Zu den Vorwürfen ist der Pressestelle nichts bekannt“, sagt der Leiter Sebastian Küster. Auf eine persönliche Anfrage antwortet Martin Georg Cohn: „Die von mir in der Bild-Zeitung gemachte Äußerung ist zutreffend“. Darin sagt er: „Das mit dem Blitzer hat alles seine Richtigkeit. Weil das gleiche Gerät in anderen Bundesländern zurückgezogen wurde, habe ich es überprüfen lassen. Über die anderen Vorwürfe weiß ich nichts.“

Auch die Erste Bürgermeisterin Josefa Schmid ist zu keiner Stellungnahme bereit. „Dazu sage ich nichts.“

Der OB und seine Stellvertreterin müssen sich erklären

Die Leonberger Gemeinderäte haben in der Vergangenheit immer wieder das Zerwürfnis zwischen Martin Georg Cohn und Josefa Schmid sowie die ungute Stimmung im Rathaus angesprochen. Zuletzt sehr intensiv in den Sommergesprächen unserer Zeitung mit den Fraktionsvorsitzenden. „Die Sache mit dem Bußgeldverfahren ist eine Angelegenheit, die geklärt werden muss, doch fast noch schwerwiegender sind die Mobbingvorwürfe“, sagt Gemeinderat Wolfgang Schaal (Freie Wähler). „Wir erfahren ja auch seit Monaten von guten langjährigen Mitarbeitern im Rathaus, die gegangen oder gegangen worden sind.“ Die Wählerinnen und Wähler sowie die gesamte Bevölkerung habe ein Anrecht darauf zu erfahren, was Sache sei. „Diese ungute Entwicklung kann nicht mehr unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit bleiben.“ Jetzt müssten sich sowohl der Oberbürgermeister Martin Georg Cohn als auch die Erste Bürgermeisterin Josefa Schmid erklären. „Sonst gibt es keine Ruhe“, meint Wolfgang Schaal.

CDU forderte Analyse zu Fluktuationsgründen

Auch die CDU-Fraktionsvorsitzende Elke Staubach äußert sich mit klaren Worten. „Wir wissen doch, dass im Rathaus nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, dass es zahlreiche personelle Wechsel gab.“ Man habe durchaus den Eindruck, dass Schmid kleingehalten werde.

Die CDU-Fraktion habe im Oktober 2021 eine Analyse zu den Fluktuationsgründen und zur Mitarbeiterzufriedenheit beantragt. Darin heißt es auch: „Grundvoraussetzung einer funktionierenden und effektiven Verwaltung sind gute, kompetente und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Elke Staubach selbst habe in ihrer sehr langen Zeit als Gemeinderätin solche Zerwürfnisse in der Rathausspitze noch nicht erlebt. „Jeder Oberbürgermeister hat bislang die entsprechenden Aufgaben an die Leiter des jeweiligen Dezernats übergeben, ich stelle doch Mitarbeiter ein, weil ich davon ausgehe, dass sie eine gewisse Kompetenz haben.“