Die Gegner nennen seinen Vorstoß „Zensurheberrecht“. Doch der CDU-Politiker Axel Voss lässt sich nicht beirren. Was treibt ihn an?

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Axel Voss ist nicht mit dem Internet aufgewachsen. Dafür ist der 55-jährige CDU-Europaabgeordnete auch zu früh geboren. Und es gibt Politiker, die sich offensiver im Netz vermarkten als der verheiratete Jurist. Aber das Klischee, das seine Gegner von ihm zeichnen, nämlich ein Mann zu sein, für den das Internet Neuland wäre und der nicht weiß, wovon er redet, stimmt nicht.

 

Sein Twitter-Konto eröffnete der gebürtige Niedersachse, der seit 2009 im Europaparlament sitzt, schon 2011 und damit mehr als fünf Jahre, bevor der Rechtsausschuss im Europaparlament Voss zum Verhandlungsführer für die Reform des Urheberrechts machte. Seinen jüngsten Kompromissvorschlag, mit dem er die Abstimmung an diesem Mittwoch im Europaparlament gewinnen und damit die umstrittenere Reform doch noch retten will, hat er übrigens zuerst per Kurznachrichtendienst verbreitet.

Engagement kraft fundamentaler juristischer Überzeugungen

Voss tut gar nicht erst so, als würde er den neuesten Trend im Netz kennen. Er sieht dies auch nicht als einen Makel an. Er argumentiert bei seinem Engagement für eine grundlegende Reform des Urheberrechts vielmehr kraft fundamentaler juristischer Überzeugungen. Er lässt keinen Zweifel daran, dass Internetplattformen wie Google, Facebook und Twitter Beihilfe zu kulturellem Diebstahl leisten. Und er kämpft dafür, dass der Piraterie im ganz großen Stil nur so ein Riegel vorgeschoben werden kann: Die Plattformen müssen letztlich dafür haftbar gemacht werden, wenn sie es Nutzern im Internet ermöglichen, geschützte Inhalte von Musikern, Künstlern, Autoren und Journalisten herunterzuladen und massenhaft weiter zu verbreiten. Gelingt dies nicht, ist laut Voss der Bestand unserer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft gefährdet. Medien, die auf Missstände in Politik und Gesellschaft hinweisen, seien wirtschaftlich existenziell gefährdet, wenn die Gratiskultur im Internet nicht gestoppt werde.

Zielscheibe einer beispiellosen Kampagne

Voss will dazu beitragen, dass die Plattformen den Zeitungsverlegern, die Qualitätszeitungen finanzieren, etwas von ihren Gewinnen abgeben, die Google und Co mit den journalistischen Inhalten Dritter erwirtschaften. Damit ist er zur Zielscheibe einer beispiellosen Kampagne geworden, die die Internetwirtschaft zusammen mit sogenannten Netzaktivisten gestartet hat. Die Gegenseite operiert mit groben Unwahrheiten. Etwa mit der Behauptung, Voss plane Zensurmaschinen und wolle eine Steuer auf das Verlinken von Texten einführen.

Um zu begreifen, wie abwegig der Vorwurf ist, muss man nicht einmal seinen Gesetzestext gelesen haben: Steuern werden vom Finanzamt eingesammelt. Voss’ Mail-Postfach wird bombardiert mit teils maschinell generierten, teils grob beleidigenden und drohenden Protestmails. Die Propaganda zeigt Wirkung: Voss hat bereits eine erste Niederlage einstecken müssen. Nachdem er zuvor im Ausschuss eine knappe Mehrheit für seinen Vorschlag erkämpft hatte, hat das Parlament die weiteren Verhandlungen mit dem Rat und der Kommission vor der Sommerpause blockiert.

An diesem Mittwoch stimmt das Europaparlament erneut über die Urheberrechtsreform ab. Und in seiner ruhigen Art macht Voss kein Hehl daraus, dass es für ihn durchaus eine Überraschung wäre, wenn er dabei seine Position durchsetzen könnte.