Der Zusammenschluss von Weissach und Flacht feiert seinen 50. Geburtstag. Die Fusion der beiden Gemeinden hatte ihre Gründe: Nicht nur geografisch, sondern auch politisch.

Weissach - Eine Liebeshochzeit sei es nicht gewesen, erklärt Gerhard Mann – viel eher eine Zweckehe. Vor genau 50 Jahren, am 1. Dezember 1971, unterzeichneten die beiden Bürgermeister aus Weissach und Flacht in der Ferdinand-Porsche-Schule den Eingliederungsvertrag, der den Zusammenschluss der Gemeinden besiegeln sollte.

 

Eine turbulente Zeit: „Überall im Land ging es drunter und drüber“, sagt Mann, dessen Familie seit vielen Jahrhunderten in Weissach lebt. Der langjährige Gemeinderat ist Hobby-Historiker, gibt Führungen durch das alte Weissach und sitzt im Förderkreis Kultur.

In den Monaten vor der damals kurz bevorstehenden Gemeindereform hatte man auch in Weissach und Flacht kräftig diskutiert. Ein freiwilliger Zusammenschluss wurde angestrebt – zum einen, um baldig entfallende Mehrzuwendungen des Finanzausgleiches in Höhe von 2,5 Millionen D-Mark abzustauben.

Zum anderen, um selbst wählen zu können, mit welcher Gemeinde man fusionierte. Nussdorf etwa habe damals Interesse an einer Fusion mit Weissach angemeldet, berichtet Gerhard Mann. Und die Pläne des Innenministeriums sahen Flacht eher Rutesheim zugehörig. „Die Flachter wollten aber nicht unbedingt in Richtung Rutesheim“, sagt Gerhard Mann.

Schon vor der Fusion verbunden

Logisch also der Zusammenschluss von Weissach und Flacht. Nicht nur geografisch machte diese Fusion Sinn, auch so hätten die beiden Gemeinden einiges gemeinsam gehabt. „Weissach und Flacht waren lange verbunden, enger als zwei Dörfer das normalerweise wären“, bestätigt auch Barbara Hornberger, die Leiterin des Heimatmuseums in Flacht.

Es gab gemeinsame Weiderechte, und das Einheiraten in die jeweils andere Gemeinde war leichter als gewöhnlich, da die Ehepaare in der Regel zunächst die Bürgerrechte hätten erwerben müssen. Eine idyllische Partnerschaft war das natürlich nicht immer: „Bei engeren Beziehungen gibt es auch immer Krach“, sagt Hornberger.

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Auch Gerhard Mann berichtet von der einen oder anderen Kabbelei zwischen den beiden Gemeinden. Über die Fusion im Dezember 1971 waren nicht alle Flachter glücklich, sollte die neue Gemeinde schließlich nur den Namen „Weissach“ tragen. Auch das Rathaus war in Weissach. Die Vorteile des Zusammenschlusses überwogen dann aber doch – auch, weil beide Gemeinden so in gewissen politischen Vorgängen eine größere Stimme bekamen.

Man fand einen gemeinsamen Feind

So wurde 1971 etwa über den Bau eines Großflughafen Stuttgart II gesprochen. Drei mögliche Standorte waren damals in einem Gutachten bestimmt worden. Einer davon: die Fläche zwischen Weissach und Heimsheim. „Da hat sich ganz verschärft Widerstand geregt“, erklärt Mann. „Man hatte auf einmal einen gemeinsamen Feind.“

Und noch ein Thema war damals prominent: Das Unternehmen Porsche, das sich ebenfalls 1971 direkt auf der Gemarkungsgrenze zwischen Flacht und Weissach niederließ. Gemeinsam konnten die Gemeinden mit „einer Stimme mit Porsche verhandeln“, sagt Barbara Hornberger. Bedenkt man, dass sich das Entwicklungszentrum des Autoherstellers inzwischen um einiges vergrößert hat, eine vorausschauende Entscheidung – zu zweit ist man eben stärker als alleine.

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Und das sind Weissach und Flacht bis heute: „Wir haben durch den Zusammenschluss auch viel gewonnen“, weiß Gerhard Mann. Etwa in Sachen Gewerbegebiet: Das entstand in den Jahren nach der Fusion in Flacht. In Weissach wäre dafür aufgrund der engeren Tallage kaum Platz gewesen.

Die beiden Ortsteile, von nun an eine Gemeinde, wuchsen zusammen – und wuchsen in der Größe. Hatte die Gesamtgemeinde zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses noch knapp 5000 Einwohner, zählt sie heute mehr als 7700 Einwohner. Viele Neubürger prägen die Gemeinde. Für sie ist der Zusammenschluss schon bald kein Thema mehr, auch wenn so manch Alteingesessener sich eher dem einen oder anderen Ortsteil zugehörig fühlt.

Rivalitäten mit Augenzwinkern

In den fünf Jahrzehnten seit der Fusion sind auch ein Großteil der Vereine zusammengewachsen, etwa der gemischte Chor aus Weissach und der Chor Concordia aus Flacht. Die Landfrauen gründeten sich als erster Verein für beide Ortsteile. Krach gab es nur bei den beiden Freiwilligen Feuerwehren. Bei der Flachter Feuerwehr traten aus Protest sogar 13 Kameraden aus, bevor der Gemeinderat schließlich die Fusion beschloss.

Solche Animositäten sind inzwischen ein Ding der Vergangenheit, kleine Rivalitäten werden heute höchstens noch mit einem Augenzwinkern ausgetragen. Ebenso humorvoll habe man deshalb die Jubiläumsausstellung im Heimatmuseum gestaltet, erklärt Barbara Hornberger. Neben den Details zur Gemeindereform werden dort auch kleine Anekdoten rund um die Fusion präsentiert.

Anlässlich des Jubiläums hat auch der Förderkreis Kultur eine Ausstellung auf die Beine gestellt: Im Herrenhaus werden Fotografien von Gebäuden gezeigt, die inzwischen nicht mehr stehen. Rund die Hälfte der Fotos hat Mann selbst geknipst. Er hofft, dass die Bilder den ein oder anderen Besucher nostalgisch stimmen – und zeigen, wie sich die Gemeinde im Laufe der Zeit entwickelt hat.