Die Stadt Rutesheim und das niederösterreichische Scheibbs sind seit 50 Jahren Partner – dank des besonderen Wirkens von Karl Schricker in seiner Wahlheimat.

Rutesheim - Hat der Arbeitskreis Geschichte Interesse an zwei Ansichtskarten von Karl Schricker aus Scheibbs?“ Mit dieser Frage ist jüngst die Rutesheimerin Doris Laser auf den Vorsitzenden des Arbeitskreises, Harald Schaber, zugegangen. Sie hatte die beiden Postkarten von 1961 in den Familiensachen gefunden.

 

„Ein besseres Timing hätte es kaum geben können“, freut sich der geschichtsbegeisterte Rutesheimer Gemeinderat. Die Städtepartnerschaft zwischen Scheibbs in Niederösterreich und Rutesheim wurde nämlich im Juli 1972 besiegelt und feiert somit „Goldene Hochzeit“.

„Ohne Karl Schricker würde es diese gar nicht geben“, weiß Schaber. Die Familie von Karl Schricker zog während des Krieges von Wien nach Scheibbs, wo der Vater eine Zahnarztpraxis hatte. Der 1920 in Wien geborene Karl war im Krieg als Soldat in Rutesheim bei Christian und Emilie Duppel einquartiert gewesen. Er gehörte zu der sogenannten „Horst-Kompanie“, für die der Saal des Gasthauses Hirsch als Offizierskasino beschlagnahmt war. Die Kompanie war für die Instandhaltung des Flugplatzes Malmsheim zuständig.

Der Fußball hat verbunden

Der fußballbegeisterte Niederösterreicher knüpfte schnell Kontakte und spielte in dieser Zeit in der Mannschaft des damaligen Rutesheimer Turnvereins. Nach seiner russischen Gefangenschaft zog Karl Schricker wieder nach Scheibbs, wo er 1949 seine Frau Resi heiratete. Er verlor in diesen Jahren nie den Kontakt zu seinen Quartiergebern Christian und Emilie Duppel sowie seinen ehemaligen Fußballkameraden.

Zu Pfingsten 1954 lud Karl Schricker die Mannschaften der nach dem Krieg gegründeten Rutesheimer Sport- und Kulturvereinigung (SKV) zu einem Freundschaftsspiel in seinen Heimatort Scheibbs ein. Die Tochter Monika kam nur wenige Tage vor diesem Turnier zur Welt. Die Beziehungen verfestigten sich und aus dem legendären Freundschaftsspiel am 15. Juni 1954 entwickelte sich mehr und mehr eine Freundschaft.

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In den 1950er-Jahren fand Schricker Arbeit bei Drescher und zog 1960 mit Frau und Tochter nach Rutesheim. Jetzt waren Alfred und Klara Schwarz in der Kirchstraße die Quartiergeber. Karl Schricker engagierte sich nun aktiv in der Fußballabteilung der SKV und war hier viele Jahre auch als Jugendtrainer in gleich mehreren Spielklassen tätig. Auch die freundschaftlichen Fußballbegegnungen mit Scheibbs setzten sich durch Besuche und Gegenbesuche fort. In der neuen Wahlheimat zog die Familie Schricker – nach einer Zwischenstation im „Kroneneck“ (Ecke Leonberger- /Flachter Straße) – später sogar in die Scheibbser Straße.

Bürgermeister besiegeln die Partnerschaft

Die beiden Bürgermeister Kurt Schaible und Alois Derfler sowie die Gemeinderäte beider Orte ließen sich in der Folge von einer offiziellen Partnerschaft überzeugen. Am 13. Juli 1972 wurden schließlich die offiziellen Partnerschaftsurkunden unterzeichnet.

Generationen von Rutesheimern – Vereinsmitglieder, Verwaltungsvertreter, Gemeinderäte und vier Bürgermeister – waren in den 50 Jahren in Scheibbs und haben diese Partnerschaft gelebt und die niederösterreichische Gastfreundschaft erlebt. Umgekehrt gab es viele Begegnungen in Rutesheim.

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Die beiden Ansichtskarten von Karl Schricker wurden 1961, während des ersten Sommerurlaubs in der alten Heimat, an die Familie Rothweiler (ehemalige Bäckerei am Kirchplatz) gesandt. „Wir haben sehr schönes Wetter, aber bald wird der Traum zu Ende sein“ – so der Urlaubsgruß aus Scheibbs.

Die alte und die neue Heimat verbunden

Karl Schricker nahm 1982 noch am zehnjährigen Partnerschaftsjubiläum teil. In der Scheibbser Straße wurde ein Gedenkstein aufgestellt. Am 25. Juni 1984 verstarb Karl Schricker und wurde in Rutesheim beerdigt.

„Fußball war sein Leben, und viele Rutesheimer, ich eingeschlossen, erinnern sich gerne an ihren besonderen Trainer“, sagt Harald Schaber. Die Stadt verdanke seinem unermüdlichen Bemühen um eine länderübergreifende Freundschaft diese nun schon 50 Jahre währende Städtepartnerschaft.