Organisatorisch bedeutet die 3-G-Regel für die Händler keinen größeren Mehraufwand. Manche finden die Coronaregeln angemessen, manche hadern mit der Intransparenz

Altkreis Leonberg - Nichts ist beständiger als der Wandel. Vor allem in Zeiten von Corona. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat die 2G-Regel für den Einzelhandel im Land gekippt. Die Begründung hierfür: Erhebliche Grundrechtsbeschränkungen könnten nicht abgekoppelt von der Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz angeordnet werden. Diese Inzidenz gibt an, wie viele Corona-Infizierte innerhalb einer Woche und pro 100 000 Einwohner in eine Klinik gebracht werden. Damit gilt im Land seit dieser Woche (vorläufig) wieder die 3G-Regel. Neben Geimpften und Genesenen dürfen auch wieder Menschen mit einem aktuellen Coronatest in Geschäften einkaufen.

 

Die Menschen sind sensibilisiert

„Wir freuen uns, dass wir wieder mehr Leute begrüßen dürfen“, sagt Oliver Reuter, der Geschäftsführer im Familienunternehmen Only Women, einem Modegeschäft mit Filialen in Leonberg, Rutesheim, Gerlingen, Weil der Stadt, Korntal, Feuerbach und Ludwigsburg. Der Aufwand, die Coronaregeln zu ändern, sei für ihn relativ gering. Entweder er informiert seine Mitarbeiter digital, „oder sie handeln in Rücksprache mit mir selbstständig. Die Menschen sind mittlerweile sensibilisiert, wir haben gute Mitarbeiter, die sich auch selbst informieren, welche Regel gilt oder auf was sie achten müssen.“

Oliver Reuter ist nach wie vor davon überzeugt, dass die Maßnahmen, die von der Regierung getroffen werden, die richtigen seien. „Landesregierung und Gericht tun ihr Bestes, und es gibt niemanden, der uns gängelt. Wir wollen doch alle solide durch die Pandemie kommen.“ Froh sei er über Leonbergs Citymanagerin Nadja Reichert. „Sie hilft uns Einzelhändlern durch die Pandemie, ist immer auf dem aktuellen Stand und ist jederzeit, auch außerhalb ihrer Dienstzeit, bei Fragen für uns da. Das ist schon eine große Hilfe“, sagt Oliver Reuter.

Kunden dürfen immer klingeln

Am Marktplatz 2 in Weil der Stadt, gleich neben dem Rathaus, befindet sich das Bekleidungshaus Schirott. Den Herrenausstatter – der sich auch als Hosenfachgeschäft einen Namen macht – gibt es in der Keplerstadt seit dem Jahr 1768, und er wird nun schon in der siebten Generation geführt. Für Geschäftsführer Jürgen Schirott ändert sich vom Aufwand her durch die 3G-Regel nicht viel. „Wir müssen uns natürlich immer über den aktuellen Stand informieren und kontrollieren am Eingang die entsprechenden Nachweise.“ Sind diese gültig und aktuell, dürfen die Kunden das Geschäft betreten. „Ich bediene grundsätzlich alle Kunden“, betont Schirott. Schließlich müsse er ja auch einen gewissen Umsatz machen.

Die Menschen, die nicht die entsprechenden Nachweise vorzeigen können, dürfen klingeln. Sie bekommen vor der Tür den Service. Die Anprobe der Kleidungsstücke vor Ort sei natürlich nicht möglich. In diesem Fall dürfen die Kunden eine Auswahl mit nach Hause nehmen. Sollte etwas nicht passen, dürfen sie die Waren wieder zurückbringen – wie alle Kunden. „Das ist bei uns üblich.“

Auch mit dem Online-Handel hat sich Jürgen Schirott, der bis 2017 Vorsitzender der Werbegemeinschaft Weil der Stadt war, mittlerweile vertraut gemacht. „Letztendlich muss man sich selbst helfen“, sagt der Geschäftsmann. Daher verzichtete er zuletzt auf die Betriebsferien und hat auch über die Mittagszeit geöffnet. „Wenn mal geschlossen ist, dürfen die Kunden klingeln, ich unterbreche gerne meine Mittagspause, wir sind ja im eigenen Haus“, sagt er.

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90 Prozent der Kunden sind Stammkunden

In Baden-Württemberg hatten Buchhandlungen im März 2021 – nach der Klage eines Möbelhauses wegen Ungleichbehandlung – ihren Sonderstatus als Geschäfte mit Waren des täglichen Bedarfs verloren. „Das ist untragbar“, sagt Werner Dengel, Geschäftsführer der Rutesheimer Buchhandlung One, der auch in Gerlingen eine Filiale betreibt. Er verkauft nicht nur Bücher in seinem Geschäft, sondern hat auch eine Bar, wo sich die Kunden einen „Coffee-to-go“ kaufen und mitnehmen können. Und er hat auch Zeitschriften in seinem Sortiment. „Wie soll ich denn da bei meinem Mischsortiment wissen, wie ich kontrollieren soll?“, fragt sich der Geschäftsmann.

Zumal er es nicht für rechtens hält, dass er den Gesundheitsstatus seiner Kunden kontrollieren soll. Was er auch nicht nachvollziehen kann, ist die Tatsache, dass Baumärkte – die systemrelevant sind – plötzlich Bücher verkaufen. „Das ist alles nicht mehr transparent“, sagt Werner Dengel, dessen Geschäft in der Rutesheimer Moltkestraße 220 Quadratmeter hat. „90 Prozent meiner Kunden sind Stammkunden, da geht es doch diszipliniert zu.“