Beim Gedenken an 30 Jahre Mauerfall spricht der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel über diese Zeit.

Renningen - Was bedeutet Demokratie? Nie war diese Frage in der Geschichte der Bundesrepublik dringlicher und umstrittener als heute. In Renningen nimmt man den 30. Jahrestag des Mauerfalls zum Anlass, um Kirche und Politik darüber reflektieren zu lassen. Warum gerade Renningen? Weil es hier ein Kreuz mit über zwei Metern Höhe vom Trennungszaun sowie ein Originalstück der Berliner Mauer zu bestaunen gibt. Hoher Besuch hat sich zu der Feier angesagt, der Alt-Ministerpräsident von Baden-Württemberg Erwin Teufel, der zum Zeitpunkt der Maueröffnung Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion war. Erst nach dem Rücktritt Lothar Späths 1991 wurde er dessen Nachfolger.

 

Großes Interesse in Renningen

Trotz einer Kälte, die beinahe schon eisig ist, haben sich viele interessierte Bürger eingefunden. Sie möchten wissen, wie Teufel die 28 Jahre nach dem Mauerbau aktiv als Politiker im Westen erlebt hat, und wurden diesbezüglich auch nicht enttäuscht. „Ich war damals 29 Jahre alt, beruflich bedingt mehrfach ‚drüben’ gewesen und konnte gar nicht glauben, was da über das Radio in meine Werkstatt gesendet wurde“, wundert sich noch heute der Werkzeugmacher Michael Hahn. Bevor es jedoch losgeht auf dem von Fackeln gesäumten Schulhof zwischen Realschule und Gymnasium, darf der Initiator des Abends, Pfarrer Franz Pitzal, seinen Schäfchen einige einführende Worte mitteilen.

Bewacht von der Feuerwehr gibt es danach eine kleine Lichtshow mit Filmausschnitten der inzwischen berühmten Pressekonferenz mit Günter Schabowski, damals Erster Sekretär der SED-Bezirksleitung von Ost-Berlin. Eine fast schon unheimliche Stille im Hof folgt. Zeitzeuge Wilfried Linz aus Thüringen, der unter den ersten „Freigekauften“ war und später in Rutesheim als Tierarzt seine eigene Praxis hatte, liegt leider im Krankenhaus und kann nicht persönlich aus seiner sehr bewegenden Autobiografie vorlesen. Seine schmerzhafte Zeit als politischer Gefangener zeigt sehr deutlich, welch ein Unrechtsstaat die DDR war, mit welchen Methoden, auch die der Folter, Gefangene behandelt beziehungsweise misshandelt wurden.

40 Jahre fehlen für Demokratieverständnis

Dann erzählt Erwin Teufel. Der 80-Jährige berichtet von den Zeiten vor dem Mauerbau, wie er mit seiner damaligen Freundin, heute seine Gattin, Mitte 1961 im Baugelände spazieren ging. Wie er die Nachricht von der Öffnung erlebte, als er gerade bei einer Tagung am Bodensee mit Kollegen beim Abendessen saß und alle plötzlich aufstanden und erschüttert den Heimweg antraten. Er vertritt auch die Meinung, der „Ostzone“ würden 40 Jahre Demokratie fehlen, um ein echtes Demokratieverständnis zu entwickeln.

Mit Anekdoten über Reisen der Katholischen Jugend über die innerdeutsche Grenze nach Klostermansfeld mit Hilfe angeblicher Verwandtschaft – anders waren die Visa nicht zu bekommen – erfreut dann noch einmal Gemeindereferent Felix Lipp. Und der 16-jährige Rico Napieralla schildert sein Verständnis der Vorgänge aus der Sicht des Nachgeborenen.