Der Verkehrsunfall, bei dem ein 18-Jähriger aus Gerlingen in der Nacht zum Freitag starb, ist möglicherweise bei einem illegalen Kräftemessen passiert. Die Polizei geht entsprechenden Hinweisen nach. Zugleich bittet sie weiterhin um Zeugenhinweise.

Gerlingen - Zu zweit, zu dritt stehen junge Leute am Sonntagnachmittag an der Unfallstelle. Sie zünden Kerzen an und legen Blumen ab. Auf der im Berufsverkehr viel befahrenen, breiten Straße, die vom Stuttgarter Stadtteil Giebel über den Gerlinger Stadtteil Gehenbühl in die Ortsmitte führt, fließt der Verkehr ruhig. Umso drückender ist die Stille an der Stelle, an der in der Nacht zum Freitag ein 18-Jähriger bei einem Unfall starb. Drei Tage später zieht die Polizei in Betracht, dass sich der Unfallfahrer ein Rennen mit dem Fahrer eines anderen Autos geliefert hatte. Die Hinweise darauf verdichten sich.

 

„Mittlerweile haben sich mehrere Zeugen gemeldet, nach deren Aussagen die Beamten ein Fahrzeugrennen nicht ausschließen können“, sagt Peter Widenhorn, der Sprecher der Ludwigsburger Polizeidirektion. Die Ermittlungen dazu seien aber noch nicht abgeschlossen.

Unfallfahrer wird leicht verletzt

Der mit vier jungen Männern aus Gerlingen besetzte silberfarbene Opel war frühmorgens kurz vor 1 Uhr in der Feuerbacher Straße in Richtung Zentrum unterwegs. In einer lang gezogenen Rechtskurve kam der 19-jährige Fahrer von der Straße ab, prallte gegen eine Mauer, drehte sich um die eigenen Achse und knallte gegen einen Laternenmast. Durch die Wucht des Aufpralls kippte der Opel zur Seite. Der 18-Jährige, der im Fond des Wagens saß, wurde tödlich verletzt. Der gleichaltrige Beifahrer und ein weiterer 17 Jahre alter Mitfahrer wurden schwer verletzt. Der 19-jährige Unfallfahrer zog sich leichte Blessuren zu. Zur Klärung der Unfallursache wurde ein Gutachter eingeschaltet. Alkoholisiert sei der Fahrer nicht gewesen, gleichwohl sei er „mutmaßlich mit nicht angepasster Geschwindigkeit“ unterwegs gewesen, sagt die Polizei.

Ob sich der Verdacht auf ein illegales Rennen bestätigt oder nicht – dass sich junge Autofahrer in Gerlingen Rennen liefern ist für die Polizei nicht neu. „Wir haben schon vereinzelt Hinweise bekommen auf illegale Autorennen“, sagt Widenhorn. Beweisen konnte die Polizei bisher allerdings nichts: Kamen die Beamten, waren die Raser fort. Die Polizei beobachten in Gerlingen weniger eine Raserszene, als vielmehr eine sogenannte Poserszene, in der die jungen Autofahrer „ihre Tuningergebnisse zur Schau stellen“, so Widenhorn. Der Polizeisprecher schließt nicht aus, die Situation im Ort nach dem jüngsten Unfall neu bewerten zu müssen. Aber „eine Szene mit organisierten Strukturen haben wir bisher nicht festgestellt“.

Nicht organisiert, aber mit Erkennungszeichen

Auch wenn sie nicht organisiert sind, gibt es ein Erkennungszeichen unter all jenen im Ort, die grundsätzlich an einem illegalen Autorennen interessiert sind. Demnach können die Ziffern 839 auf dem Autokennzeichen – in Anlehnung an die Postleitzahl der Stadt – ein Hinweis auf derartige tempobegeisterte Fahrer geben. Ein sicherer Hinweis sind die Ziffern freilich nicht. Manche, so wird berichtet, haben die Ziffern auch nur gewählt, um eine Zugehörigkeit zu einem Ort beziehungsweise zu einer Gruppe von Gleichaltrigen und Gleichgesinnten zu demonstrieren.

Der jüngste Unfall ist der zweite Vorfall binnen weniger Monate, in der junge Gerlinger Raser in den Fokus rücken. Im Juli wurden in der Innenstadt zwei Passanten gefährdet, als sich nach Zeugenangaben zwei Fahrzeuge mit überhöhter Geschwindigkeit in der engen Stadtmitte ein Rennen lieferten. Der Fahrer und sein Kumpane wurden später aufgrund der Täterbeschreibung dingfest gemacht. Dass der Polizei dies gelingt, ist eher selten. „Die Zahl der Fälle, in denen ein Autorennen tatsächlich nachzuvollziehen ist, ist niedrig“, sagte Widenhorn im Sommer. Das liege nicht nur daran, dass die Raser schnell wieder weg seien, sondern dass auch relevante Hinweise von Zeugen – etwa zu Autokennzeichen – fehlten. Auch nach dem jüngsten Unfall startete die Polizei einen Zeugenaufruf. Die Verkehrspolizeidirektion Stuttgart-Vaihingen bittet weiterhin alle, die Angaben zum Unfall machen können, sich telefonisch unter der Nummer 07 11/ 6 86 92 30 zu melden.

Jaguar-Prozess geht in entscheidende Phase

Der tödliche Unfall passiert in einer Zeit, in der sich ein 21-Jähriger vor dem Landgericht Stuttgart verantworten muss. Er hatte im vergangenen März die Kontrolle über seinen Miet-Jaguar verloren. Bei dem Unfall im Stuttgarter Nordbahnhofviertel starb ein junges Paar. Die Staatsanwaltschaft hat am Montag eine sechsjährige Jugendstrafe wegen Mordes gefordert. Es ist die erste Mordanklage nach einem Raserunfall im Land.