Aus einfachen Anfängen ist in Leonberg ein Berufliches Schulzentrum entstanden. Jetzt besuchen mehr als 3000 Jugendliche hier 21 unterschiedliche Schularten und werden in zehn Berufen ausgebildet.

Seit nunmehr 102 Jahren ist es in Leonberg Tradition, dass junge Menschen in einer Vielzahl von Berufen ausgebildet werden – und das in einer eigens dafür eingerichteten Schule. Das wäre schon 2020 Grund zu Feier gewesen, doch coronabedingt, wird das nun erst jetzt am Mittwoch, 1. Juni, mit einem großen Festakt in der Aula des Leonberger Berufschulzentrums nachgeholt.

 

Bescheiden fängt alles 1920 an. Damals wird in der Stadt Leonberg erstmals ein ausgebildeter Gewerbelehrer für die gewerbliche Fortbildungsschule voll eingestellt. Christian Jooß – der spätere erste Schuldirektor der Kreisberufsschule – unterrichtet insgesamt 19 Berufe. Als Unterrichtsraum steht ihm ein Saal im Leonberger Rathauses zur Verfügung. Zusätzlich werden auch Meisterschüler ausgebildet, darunter Mechaniker, Flaschner, Sattler, Tapezierer, Schneider, Bäcker und Metzger. Im ersten Schuljahr besuchen 77 Schüler die Berufsschule in Leonberg. 1923 werden die Räumlichkeiten aufgrund der steigenden Schülerzahlen (inzwischen 140) zu klein, weswegen der Schule zwei weitere Räume in der Wanderarbeiterstätte Leonberg zur Verfügung gestellt werden.

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Ein eigenes Gebäude bekommt die Gewerbeschule 1932 nach dem Kauf und Umbau des alten Postgebäudes sowie angrenzenden Nebengebäuden in der Grabenstraße. Ausgestattet ist sie mit mehreren Schul-, Werkstatt- und Modellräumen, einer Bibliothek, einem Amtszimmer für den Schulleiter sowie einem Zimmer für den Hausmeister. Pro Schuljahr werden etwa 200 Schüler in vier Abteilungen in den Bereichen Metall, Holz-, Bau- und Kunstgewerbe, Bekleidung sowie Nahrung beschult.

Die Schule während der Nazizeit

Aus der städtischen Gewerbeschule wird im Jahr 1940 eine Kreisberufsschule des Landkreises Leonberg. Während der Zeit des Nationalsozialismus und in den Kriegsjahren ist der Unterricht teils nur eingeschränkt möglich und wird stark durch die Politik beeinflusst. Auch werden durch die Kriegswirren nur noch an die 110 Schüler unterrichtet. Im Schuljahr 1945/46 ist Schule sogar teilweise geschlossen.

Berufsschuldirektor Christian Jooß kann 1950 den Kreistag überzeugen, dass ein neues Schulgebäude her muss, nachdem nach Kriegsende wegen der teilweisen Zerstörung des alten Schulgebäudes vielfach an anderen Ausweichorten unterrichtet werden musste.

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Das Geburtsjahr der heutigen Berufsschule ist 1954. Damals wird die neue Gewerbliche Kreisberufsschule an ihrem jetzigen Standort im Fockentalweg 8 in Leonberg eingeweiht. Mehr als 650 Schülerinnen und Schüler werden im ersten Schuljahr unterrichtet. In der Nachbarschaft wird ein Jugendgästehaus des Internationalen Bundes für Sozialarbeit eingerichtet. Dieses hat Platz für 250, kann notfalls bis zu 350 Personen beherbergen. Ursprünglich für zugezogene Mädchen aus ehemaligen Ostgebieten gedacht, werden auch Berufsschüler aufgenommen. Ein weiteres Werkstattgebäude mit neun Werkstätten wird 1957 gebaut.

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Die Schule wird eine Erfolgsgeschichte. Insgesamt gehen nun über 1200 Schüler zur Kreisberufsschule (680 im gewerblichen Bereich, 256 im kaufmännischen Bereich und 310 besuchen Abend- und Wochenendkurse). Ausgebildet werden Flaschner, Schlosser, Feinblechner, Schmiede, Mechaniker, Werkzeugmacher, Dreher, Technische Zeichner, Maler, Maurer, Schreiner, Glaser, Küfer, Wagner, Bodenleger, Hilfsarbeiter, Kontoristen und Verkäufer.

Die Leitung des Beruflichen Schulzentrum übernimmt 1960 Karl Belz. Im selben Jahr wird erstmalig eine Schülermitverantwortung eingerichtet. Das Kfz-Handwerk hält 1961 Einzug an der Schule und eine erste Kfz-Werkstatt wird eingerichtet. 1967 folgt eine Fachklasse für Elektroberufe.

Manche lernen jetzt in Stuttgart

Renoviert wird die Schule 1968/69 und sie erhält einen Neubau. Ein neuer Verwaltungstrakt, ein Werkstattgebäude und die Aula werden eingeweiht. Neu eingeführt werden Landesfachklassen für Büromaschinenmechaniker, Landesbezirksfachklassen für Gipser und Stuckateure und Fachklassen für Friseure sowie ein Telekolleg. Gleichzeitig werden die Berufe Maler, Maurer, Bau- und Kunststoffschlosser und Flaschner nach Stuttgart verlegt. Dorthin wurden schon drei Jahre zuvor die Bereiche Baumetall, Maurer und Holz verlagert. Der Unterricht in der kaufmännischen Berufsschule, bei den Friseurinnen und im Elektrobereich startet. 1972 wird der hauswirtschaftliche Bereich der Kreisberufsschule angegliedert.

Unter dem Namen „Berufliches Schulzentrum Leonberg“ entsteht 1972 in Baden-Württemberg die einzige „Gewerbliche, hauswirtschaftliche und kaufmännische Kreisberufsschule“ eines Schulträgers unter einem Schulleiter.

Knapp 2000 Schüler

Im Jahr 1973 geht durch die Kreisreform die Schulträgerschaft vom Kreis Leonberg auf den Kreis Böblingen über. Knapp 2000 Schülerinnen und Schüler werden in 85 Klassen von 60 Lehrkräften unterrichtet. In allen Bereichen wird die zweijährige Berufsfachschule zur Erreichung der Fachschulreife als Schulart angeboten.

Die neue Sporthalle wird 1975 eingeweiht, nachdem ein Jahr zuvor der Böblinger Kreistag der Erweiterung des Schulzentrums zugestimmt hat. Weil der Schulbezirk durch die Kreisreform kleiner wurde und die Entscheidung fiel, dass das Berufsfeld „Gesundheit und Körperpflege“ nicht nach Leonberg kommt, wird auf einen vorgesehenen zweiten Bauabschnitt aber verzichtet. Trotzdem argumentiert Schulleiter Belz zusammen mit Landrat Reiner Heeb, mehreren Landtagsabgeordneten und Leonberger Stadträten überzeugend beim Kultusministerium und dem Oberschulamt für den weiteren Ausbau des Berufsschulzentrum. Es gelingt, die Landesbezirksfachklasse für Stuckateure und später auch die Augenoptik und das berufliche Gymnasium ins Berufliche Schulzentrum (BSZ) zu holen.

Im Jahr 1976 wird die Landesbezirksfachklasse für Augenoptiker eingerichtet. Gleichzeitig wird erstmalig das Technische Gymnasium (TG) und das Wirtschaftsgymnasium (WG) angeboten. Durch die Umstrukturierung werden die Berufe Friseure, Maurer, Schreiner, Glaser, Schmiede und Maler an andere Berufsschulen ausgelagert. Adolf Zick wird Schulleiter.

Der große Neubau, aus zwei Gebäudekomplexen mit Klassen- und Fachräumen für Naturwissenschaft, Schreibtechnik, Datenverarbeitung und Nahrungszubereitung sowie eine weitere Sporthalle und ein Werkstattbereich gehen 1977 in Betrieb. Das Wohnheim wird erweitert.

Die Landesfachklassen für Kälteanlagenbauer und eine Meisterschule werden 1979 am Schulzentrum eingerichtet. Außerdem wird die erste Abiturprüfung am BSZ Leonberg abgenommen, bei der alle 14 Schüler des TG und alle 22 Schüler des WG bestehen.

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Die deutlich steigenden Schülerzahlen machen eine Erweiterung des Schulzentrums erforderlich. Der ursprüngliche Erweiterungsplan des Landratsamtes wird nun doch realisiert. Insgesamt werden nun gut 3200 Schülerinnen und Schüler von 130 Lehrkräften unterrichtet. Im Gebäude H werden 16 Klassenräume, Küchen und Fachräume neu fertiggestellt. Außerdem werden eine zweite Sporthalle, ein weiteres Werkstattgebäude und eine Cafeteria neu eingerichtet. Zudem wird eine Meisterschule für die Stuckateure unter der Trägerschaft der Handwerkskammer gegründet.

Höhepunkt: knapp 4000 Jugendliche

Zum neuen Schuljahr 1984/85 übernimmt Dietrich Besch die Aufgaben der Schulleitung. Die Schülerzahl erreicht ihren bisherigen Höhepunkt mit mehr als 4000 Schülerinnen und Schülern. Die einjährige Berufsfachschule Bau und die Stuckateure beziehen ihre neuen Werkstatt- und Laborräume. 1987 gründet sich der „Freundes- und Förderkreis des Beruflichen Schulzentrums Leonberg “. Im gewerblichen und kaufmännischen Bereich wird das einjährige Berufskolleg zum Erwerb der Fachhochschulreife eingerichtet. Es folgt das Berufsvorbereitungsjahr als Pflichtschule für Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag. Im Jahr 1992 entsteht die zweijährigen Berufsfachschule für Gesundheit und Pflege. Seit 1994 gibt es Sozialarbeit am Beruflichen Schulzentrum Am BSZ werden Übungsfirmen zur virtuellen Schulung eingerichtet.

Viele neue Änderungen

Werner Diebold wird 2005 Schulleiter. Die zweijährige Berufsfachschule für Elektrotechnik hält Einzug. Im einjährigen Berufskolleg zur Erlangung der Fachhochschulreife wird erstmalig eine hauswirtschaftliche, landwirtschaftliche und sozialpädagogische Richtung angeboten.

Eine große Umstellung erfolgt 2010 im EDV-Bereich. Linux löst Windows als Betriebssystem an der Schule ab. Das BSZ nimmt bei der Verwendung einer frei zugänglichen und kostenlosen Software eine Vorreiterrolle im Land ein. 2015 wird das Sozialwissenschaftliche Gymnasium wegen starker Nachfrage eingeführt. Die Berufe des Mechatronikers für Kältetechnik und die des Augenoptikers werden zunehmend nachgefragt, sodass diese inzwischen sechs- und siebenzügig unterrichtet werden.

Bedingt durch Corona wird am 13. März 2020 von der Landesregierung beschlossen, die Schulen in Baden-Württemberg längerfristig zu schließen. Dies wird die erste dauerhafte Schulschließung des BSZ seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Unterricht wird digital weitergeführt. Auch die geplante Feier zum 100-jährigem Bestehen der beruflichen Schule in Leonberg fällt der Pandemie zum Opfer.

Aktuell schreitet der Ausbau der Digitalisierung voran. Auch die Schülerzahlen nehmen entgegen dem landesweiten Trend weiter zu. Aktuell werden 3047 Schülerinnen und Schüler in 139 Klassen von 173 Lehrkräften am BSZ unterrichtet. Die Jugendlichen können in 21 unterschiedlichen Vollzeitschularten alle Schulabschlüsse vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur erwerben und werden in zehn Berufen ausgebildet.

Durch steigende Schülerzahlen sind die Platzverhältnisse am BSZ inzwischen sehr beengt, zum neuen Schuljahr werden vier neue Container-Klassenzimmer benötigt. Auch das Wohnheim wird neu gebaut, deshalb werden Container aufgestellt.