Um schnelle Unterkünfte zu schaffen, wirbt OB Schuler für ein Quartier an der Berliner Straße. Doch die Mehrheit sieht es anders.

Leonberg - Gleich dreimal in den vergangenen sechs Tagen haben die Leonberger Kommunalpolitiker sehr ausführlich über eine Strategie für bezahlbaren Wohnraum diskutiert. Im städtischen Planungsausschuss, im Finanzausschuss und am Dienstagabend im Gemeinderat ging es um die Frage, wie und vor allem wo Platz für neue Wohnungen ist, die nicht nur Gutverdiener bezahlen können.

 

Eine Fläche hatte die Verwaltungsspitze den Stadträten besonders ans Herz gelegt: Einen Streifen längs der Berliner Straße am Rande des Stadtparks, wo rund 200 Wohnungen entstehen könnten, davon 25 Prozent sozialgebunden. Doch am Ende des Diskussionsmarathons folgte die breite Mehrheit dem Vorschlag Wolfgang Schaals von den Freien Wählern, zunächst andere Optionen zu überprüfen, bevor man sich für die Bebauung an der Berliner Straße entscheidet.

Der Begriff „bezahlbarer Wohnraum“ ist breit gefächert

Wie vielschichtig die Problematik ist, das wurde in der finalen Aussprache im Gemeinderat mehr als deutlich. Allein schon hinter dem Begriff „bezahlbarer Wohnraum“ verbirgt sich ein breit gefächertes Klientel: Da sind zum einen die klassischen Obdachlosen, die schlicht untergebracht werden müssen.

Da gibt es die anerkannten Flüchtlinge und Asylbewerber, für die eine sogenannte Anschlussunterbringung, also eine dauerhafte Bleibe, gefunden werden muss. Da gibt es jene Menschen, die trotz einer Arbeit sich am hochpreisigen Wohnstandort Leonberg keine Unterkunft leisten können. Und selbst für Leute mit mittleren Einkommen ist es schwer, eine halbwegs bezahlbare Wohnung zu finden, geschweige denn ein Haus zu finanzieren.

Der Oberbürgermeister plädierte mit pragmatischen Argumenten für eine schnelle Bebauung an der Berliner Straße. „Das Gelände gehört der Stadt, der Gemeinderat ist daher Herr des Verfahrens“, erklärte Bernhard Schuler. „Alle Stellschrauben sind in Ihren Händen.“

Schaal sieht Potenzial am Krankenhaus, im Ezach und im Ramtel

Wolfgang Schaal hingegen lehnt eine Fixierung auf die Berliner Straße ab. „Allein in der Kernstadt sind 750 Wohnungen im Bau oder in der Planung“, argumentierte der Freie Wähler. In den Stadtteilen kämen noch 200 weitere dazu. Er nannte etliche Alternativstandorte, die zunächst überprüft werden müssten. Die alte Schuhfabrik neben der Steinturnhalle solle abgerissen werden, um dort ein Haus mit Sozialwohnungen zu bauen. Im Ezach, im Ramtel oder am Krankenhaus gäbe es weitere Potenziale. Neben der Klinik könnten sogar zwei neue Hochhäuser gebaut werden. Ähnlich sah es Elke Staubach: „Der Stadtpark ist schon dicht bebaut“, sagte die CDU-Fraktionschefin mit Blick auf die Lobensteiner Straße. Und die Schuhfabrik mache keinen erhaltenswerten Eindruck.

Ganz anders ihr SPD-Kollege: „Es geht nicht nur um Obdachlose. Viele junge Familien, die nicht erben, können sich kein Bauland in Leonberg leisten. Sie müssen ins Hinteramt ziehen“, erklärte Ottmar Pfitzenmaier. „Daher brauchen wir ein Quartier an der Berliner Straße mit Nachdruck. Es geht nicht um den Stadtpark.“

Dass seit anderthalb Jahren diskutiert, aber nicht gehandelt werde, kritisierten Birgit Widmaier (Grüne) und Gitte Hutter (Linke). Beide sprachen sich für ein Viertel an der Berliner Straße unter der Bedingung aus, dass dort wirklich Sozialwohnungen geschaffen werden. Frank Albrecht (SALZ) vermutete gar, dass die offizielle Zahl von 300 Wohnungssuchenden in Wirklichkeit doppelt so hoch sei. Letztlich stimmte die große Mehrheit dafür, die Gesamtstadt nach weiteren Baumöglichkeiten zu durchforsten. Das Thema Berliner Straße bleibt weiter auf Eis liegen.