Sollten die drei Windräder gebaut werden, gehörten sie zu den höchsten Bauwerken in Süddeutschland. Investor Stefan Groos erklärt die Pläne.

Weil der Stadt/Heimsheim - Etwa 150 Meter Höhe bis zur Kabinenkanzel, 230 Meter Gesamthöhe, 15 000 Tonnen CO2-Einsparung, drei Megawatt Stromproduktion pro Jahr, Strom für etwa 16 000 Menschen – das sind die Kennzeichen der drei Windräder, die in Weil der Stadt geplant sind. Nach heftiger Kritik vor allem aus dem nur 800 Meter von dem Standort entfernten Heimsheim meldet sich nun Stefan Groos, der Geschäftsführer des Investors „Windenergie Baden-Württemberg“ (WE BW), zu Wort. Nach umfangreichen Untersuchungen will er im Jahr 2020 mit dem Bau beginnen.

 
Herr Groos, welche Rolle wird in Baden-Württemberg die Windenergie im Energiemix der Zukunft einnehmen?
In fünf Jahren werden die letzten Atomkraftwerke in Baden-Württemberg abgeschaltet. Bis 2050 sollen nach Willen der Bundesregierung Erneuerbare Energien mindestens 80 Prozent der Stromversorgung leisten. Die Windenergie wird bei der Stromerzeugung neben der Fotovoltaik einer der Hauptträger sein und somit eine sehr wichtige Rolle einnehmen. Umso wichtiger ist es, die geeigneten Standorte in Baden-Württemberg sinnvoll zu nutzen. Die neuen Technologien der Anlagen lassen auch in Baden-Württemberg die Stromerzeugung immer wirtschaftlicher werden.
Stichwort Wirtschaftlichkeit. Erneuerbare Energien sind doch nur mit erheblichen Subventionen finanzierbar, oder?
Weltweit erleben wir einen Boom der erneuerbaren Energien – gerade, weil neue nukleare und fossile Kraftwerke nicht mehr konkurrenzfähig sind. Dies zeigt zum Beispiel das geplante Atomkraftwerk Hickley Point in Großbritannien. Diesem muss die britische Regierung über 35 Jahre hinweg einen Preis garantieren, der drastisch höher ist als die Förderung für Wind- oder Solarenergie in Deutschland. Weltweit werden fossile Energien laut dem Internationalen Währungsfonds mit rund 5000 Milliarden Dollar gefördert – im Vergleich zur Förderung der erneuerbaren eine gigantische Zahl.
Zum Standort in Weil der Stadt: Der Verband Region Stuttgart, der den Standort hier ausgewiesen hat, hat sich dabei am Windatlas Baden-Württemberg orientiert. Was macht den Standort für Sie als Investor interessant?
Die im Windatlas angegebenen Windgeschwindigkeiten sind ausreichend, um an diesem Standort einen wirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen. Dieser ist somit einer der wenigen potenziellen Standorte im nahen Stuttgarter Umland – und gerade als Stuttgarter Unternehmen reizt es uns sehr, einen regionalen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Man muss jedoch anmerken, dass die Angaben im Windatlas nur berechnete Werte darstellen. Eine Windmessung von über einem Jahr ist zwingend erforderlich, um die genauen Windverhältnisse zu ermitteln. Eine Abweichung der Windgeschwindigkeiten sowohl nach unten als auch nach oben ist somit möglich, wie wir es bereits in anderen Projekten in Baden-Württemberg feststellen konnten.
Stehen ähnliche oder baugleiche Windkraftanlagen, wie sie in Weil der Stadt geplant sind, schon irgendwo?
Welcher Anlagentyp letztendlich gebaut werden kann, kann man jetzt noch nicht festlegen, da die Planungen sich über mindestens drei Jahre erstrecken. In den vergangenen drei Jahren wurden aber in Baden-Württemberg 180 neue Windenergieanlagen errichtet, 120 Anlagen allein im Jahr 2016. Und 2017 sind auch schon wieder einige dazu gekommen. Es gibt also zahlreiche Windenergieanlagen an ähnlichen Standorten wie hier bei Weil der Stadt. Wir selbst realisieren gerade im Landkreis Göppingen ein Projekt mit drei Anlagen mit einer Gesamthöhe von jeweils 199 Metern.
Die Menschen hier in der Region kennen das Windrad auf dem Grünen Heiner bei Weilimdorf, das 60 Meter hoch ist. Das Projekt in Weil der Stadt wird einmal 230 Meter hoch sein. Warum ist es heute sinnvoll, die Windkraftanlagen so hoch zu bauen?
In höher gelegenen Luftschichten ist die durchschnittliche Windgeschwindigkeit deutlich höher als in bodennahen Lagen, wie es beim Grünen Heiner der Fall ist. Zudem nimmt mit zunehmender Höhe die Beeinflussung der rauen Oberfläche wie etwa durch Gebäude, Geländeerhebungen oder Wälder deutlich ab, wodurch konstantere Winde vorherrschen. Gerade in Süddeutschland sind die Umgebungseinflüsse besonders hoch, weshalb moderne, hohe Windenergieanlagen perfekt geeignet sind, um die hohen Windgeschwindigkeiten sogar über Wäldern zu nutzen.
Der Standort befindet sich auf einem Höhenrücken, etwa 850 Meter von Heimsheim entfernt. Wäre es technisch möglich, den Standort etwas weiter weg zu verlegen?
Der Verband Region Stuttgart hat im Anschluss an ein langjähriges Anhörungsverfahren, bei dem die Träger öffentlicher Belange – etwa die betroffenen Städte – zu den Windvorranggebieten in der Region Stuttgart angehört wurden, das Windvorranggebiet BB-02 „Merklinger Wald“ in einen qualifizierten Zwischenbeschluss verabschiedet. Das heißt, nur innerhalb dieses Windvorranggebiets sind die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen zulässig. Da nur in solchen Windvorranggebieten gebaut werden darf – vergleichbar zur Ausweisung von Gewerbe- oder Wohnbaugebieten – und das ausgewiesene Gebiet sehr schmal ist und gerade Platz für drei Anlagen lässt, ist es rechtlich und technisch nicht möglich, den Standort weiter entfernt von Heimsheim zu verlegen.
Wenn sich der Gemeinderat Weil der Stadt dafür entscheidet, den Stadtwald an Sie zu verpachten, dann folgt ein umfangreiches Genehmigungsverfahren durch das Böblinger Landratsamt. Was werden Sie dann unternehmen, was wird da genau geprüft?
Das Genehmigungsverfahren beginnt nach diversen zeit- und kostenintensiven Untersuchungen. Zunächst einmal müssen wir auf unsere Kosten umfangreiche Untersuchungen zum Windaufkommen und zum Natur- und Artenschutz durchführen. Allein die Windmessung und die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung durch Fachbiologen benötigen mindestens ein bis zwei Jahre. Zudem erfolgen Prognosen zu den zu erwartenden Auswirkungen wie Schall und Schatten, Untersuchungen des Baugrunds und eine Umweltverträglichkeits-Vorprüfung.
Das alles legen Sie dem Landratsamt vor?
Ja, den genauen Untersuchungsumfang würden wir vorab mit dem Landratsamt abstimmen. Erst danach beginnt das eigentliche Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, bei dem das Landratsamt sämtliche vorliegenden Unterlagen auf die Genehmigungsfähigkeit des Windparks prüft. Es ist nicht vor Ende 2020 mit einer Genehmigung der Anlagen zu rechnen.
In der Region gibt es Befürchtungen im Zusammenhang mit den Anlagen – zum Beispiel, was den Lärm anbetrifft. Die Rede ist von Wummern und Rauschen. Sind Windkraftanlagen wirklich zu hören?
Es ist richtig, dass von Windenergieanlagen Schall und Schatten ausgehen. Bei dem Genehmigungsverfahren muss nachgewiesen werden, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Auch Windkraftanlagen dürfen diese Werte nicht überschreiten. Dies schreibt jede Genehmigung vor. Die Anlagen werden von Heimsheim aus nicht oder nur minimal zu hören sein. Gerade bei Wind sind dessen Geräusche und die des Waldes in der Regel stärker wahrzunehmen. Normale Straßengeräusche sind in der Intensität deutlich stärker.
Was unternehmen Sie gegen den Schatten?
Der Schattenwurf wird durch die drehenden Rotoren verursacht. Gemäß der rechtlichen Vorgaben sind an Wohngebäuden maximale Schattenwurfzeiten von insgesamt 30 Stunden pro Jahr und 30 Minuten pro Tag zulässig. An den Anlagen werden sogenannte Schattenwurfmodule angebracht, die die Sonneneinstrahlung minutengenau erfassen können. Die Windenergieanlagen werden automatisch abgeschaltet, wenn die Grenzwerte erreicht werden.
Viele Gesellschaften, die Fotovoltaik oder Windkraft betreiben, sind offene Gesellschaften, sodass sich Bürger daran beteiligen und von den Gewinnen profitieren können. Ist das in Weil der Stadt möglich beziehungsweise geplant?
Wir sind Befürworter einer möglichst breiten Beteiligung der Anwohner an unseren Projekten. In welcher Form eine Beteiligung dann ermöglicht wird, soll im Laufe der Entwicklung zusammen mit den betroffenen Städten festgelegt werden.
Wie erleben Sie als Investor die derzeitige Diskussion um die Windkraft?
Durch geschickte Medienkampagnen der alten Energie-Oligopole insbesondere in den sozialen Medien wird unterschwellig der Eindruck erweckt, die erneuerbaren seien unwirtschaftlich, während über die seit Jahrzehnten gezahlten viel höheren Milliardensubventionen für Kohle und Atom nicht gesprochen wird. So auch gerade in Baden-Württemberg. Hier bilden sich innerhalb kürzester Zeit nach Bekanntwerden einer Windenergieplanung Bürgerinitiativen, die von interessierter Seite mit teils abwegigen Angstbotschaften versorgt und finanziell unterstützt werden, um den Rückhalt für die Energiewende zu unterminieren.
Das Gespräch führte Florian Mader