Die erste Gemeinderatssitzung mit den Kritikern der Goldscheideanstalt ist konfliktträchtig, doch es gibt keine Demonstrationen und Zwischenrufe mehr. Im Rat wird bekannt, dass eine Fabrikhalle 24 Meter länger wird.

Wimsheim - Das Bild könnte kaum unterschiedlicher sein. Wieder sind die Zuschauerränge in der Hagenschießhalle gut besetzt, wieder geht es um Hafner. Aber es gibt keine Demonstration davor, kein empörtes Bürgertum, das grollend und zwischenrufend auf den Rängen sitzt. Dafür sind fünf von zwölf Räten Kritiker der Goldscheideanstalt Hafner – und stellen eine ganze Fülle von Fragen. Der Streit bleibt bestehen – doch er findet nun innerhalb der Institutionen statt.

 

Dabei hätte ein Tagesordnungspunkt durchaus Potenzial dafür gehabt, erneut einen ganz großen Konflikt vom Zaun zu brechen. Der Bürgermeister Mario Weisbrich hatte unter dem Punkt Baugesuche nichts anderes als erhebliche Umbauten der derzeit im Bau befindlichen Goldscheideanstalt zu verkünden. Unter anderem wird die Galvanikhalle 24 Meter länger, eine Garage kommt hinzu, das Gaslager ändert den Ort – also durchaus große Änderungen. Weisbrich trug den Punkt jedoch als „nicht zustimmungspflichtig“ vor, der Gemeinderat hatte nur zur Kenntnis zu nehmen – während er zuvor über Dachgauben von Privathäusern abstimmen musste.

Wäre es wie immer gelaufen, so wäre dies im Rat ohne Nachfragen durchgewinkt worden – das Publikum hätte formale Trickserei vermutet und wäre mit Wut aus der Mehrzweckhalle gegangen. Nun aber sitzen drei Vertreter der Bürgerinitiative BIW und zwei der ebenfalls Hafner-kritischen Liste „Wimsheim miteinander“ im Rat. Und die konnten die kritischen Fragen stellen. Weisbrich begründete so, warum der Rat nicht zustimmen müsse: Das sogenannte „Wirkvolumen“ der Halle ändere sich nicht wesentlich, es werde sogar kleiner. „Das verstehe ich nicht“, sagte Holger Lehmann von der Fraktion der Bürgerinitiative nach. Und Frank Benzinger von der neuen Liste „Wimsheim miteinander“ hatte gleich eine ganze Litanei von Fragen: „Sind dann die Gutachten für Umweltverträglichkeit noch gültig? Wird dort etwas anderes gelagert als geplant?“

Rita Boller von der gleichen Liste wollte weiter wissen: „Ist jetzt jede Erweiterung von Hafner nicht zustimmungspflichtig?“ Weisbrich antwortete geduldig – und blieb bei seiner Haltung, dass Hafner den Bauantrag ändern dürfe, so lange die Baufenster nicht überschritten seien, der Rat müsse da nicht erneut zustimmen.

So etabliert sich in Wimsheim eine neue Streitkultur. Ausführlich las der Bürgermeister den neu gewählten Räten ihre Rechte und Pflichten vor und gab allen zwölf alten und neuen Volksvertretern die Hand. Auch den Hafner-Gegnern, verbunden mit den Worten: „Auf gute Zusammenarbeit“. Zumindest begegnen sich die Konfliktparteien jetzt auf Augenhöhe.

Dass es Konfliktparteien sind, wurde bei weiteren Tagesordnungspunkten deutlich. So forderte Sandra Beck-Lankocz, vormals Sprecherin der BIW und jetzt frischgebackene Rätin der Bürgerinitiativen-Fraktion, eine ausführlichere Berichterstattung im Gemeindeblatt, auch über Wortmeldungen einzelner Fraktionen. „Wir bleiben bei einer sachlichen Berichterstattung“, beharrte Weisbrich. Auch Fraktionen dürften sich nicht einzeln im Blättle darstellen – so laute ein alter Ratsbeschluss.

Generell forderten die beiden neuen Fraktionen mehr Transparenz – so sollten etwa die Hauptsatzung oder die Geschäftsordnung des Gemeinderates auf der Homepage veröffentlicht werden. „Wir können alles veröffentlichen, was wir digital haben“, antwortete Weisbrich, „die Frage ist, wen das wirklich interessiert.“

Einen kleinen Disput gab es dann aber doch noch – Frank Benzinger erklärte, es fehle in Wimsheim an einer guten Informationspolitik – das sei sogar im Seminar für neue Gemeinderäte angemahnt worden. So habe er eben die Geschäftsordnung des Gemeinderates nicht einsehen können. Weisbrich antwortete, nun etwas ungehalten: „Die Kommunalaufsicht hat Ihnen doch bestätigt, dass Sie die nur als amtierender Rat einsehen können. Das sind Sie erst ab heute.“ Es bleibt also kontrovers – man darf gespannt sein, wie sich das entwickelt.