Der 87-jährige Pavel Hoffmann warnt in Flacht vor dem Antisemitismus von heute.

Weissach - Ich bin einer der sehr jungen Holocaust-Überlebenden“, sagt Pavel Hoffmann. Und einer der wenigen, der nicht nur über sein eigenes Schicksal spricht, sondern auch über den heutigen Antisemitismus. Der 87-Jährige hat als Kleinkind das Konzentrationslager Theresienstadt „wie durch ein Wunder“, überlebt, denn Kinder sind meistens zuerst getötet worden, sagt er. Heute macht er auf Veranstaltungen und in Schulen auf neue Formen des Antizionismus aufmerksam.

 

Die evangelische Kirchengemeinde Flacht, der CVJM und die Lebendige Gemeinde haben Pavel Hoffmann, der in Reutlingen lebt, eingeladen. „Ich habe zwar schon 35 Veranstaltungen in diesem Jahr“, berichtet Hoffmann. Aber Erwin Damson war sehr hartnäckig. Das Engagement Damsons, der sich als Israel-Freund bezeichnet, war richtig: Der große Saal im Gemeindehaus ist voll besetzt.

Mahnender Glockenschlag

Pfarrer Harald Rockel hat zuvor die Kirchenglocken läuten lassen. Zwar erklingen die Glocken üblicherweise zum Gottesdienst, doch sie dürfen auch mahnen, sagt er. Und so erinnern sie an die Reichspogromnacht des 9. November 1938, als 1400 Synagogen und Betstuben niedergebrannt wurden. Der Pfarrer berichtet, dass damals von vielen Kirchengemeinden keine Proteste gekommen seien. Viele Pfarrer seien deutschnational eingestellt gewesen.

Pavel Hoffmann vermeidet in den Schilderungen seiner frühen Kindheit Details. Er könne sich nur an Weniges erinnern, was er im KZ Theresienstadt erlebt hat, erklärt der in Prag Geborene. Von 1943 bis Anfang 1945 war er im Getto. Seine 34-jährige Mutter, eine Kinderärztin, überlebte nur ein halbes Jahr, so dass der Vierjährige Vollwaise war. Sein Vater, ebenfalls Arzt, war 1942 zusammen mit anderen Juden in Prag erschossen worden: Die Reaktion der Nazis auf einen Anschlag auf den nationalsozialistischen Statthalter in den „Protektoraten Böhmen und Mähren“, Reinhard Heydrich.

Pavel Hoffmann verlor in dieser Zeit fast seine gesamte Familie. Er zeigt Fotos aus glücklicheren Tagen: von seinen Eltern und Großeltern, von fröhlich feiernden Verwandten. „Vier Generationen meiner Familie wurden in Auschwitz ermordet“, sagt er. Doch er blieb in Theresienstadt und kam sogar noch vor Kriegsende in die Freiheit. 1944 hatten Heinrich Himmler und der Schweizer Politiker Jean Marie Musy in Bad Wildbad einen Transport mit 1200 Juden aus Theresienstadt vereinbart. Pavel Hoffmann gehörte zu ihnen und traf im Februar 1945 in St. Gallen ein.

Das Leben nach dem Krieg

Nach Kriegsende wurde er in die Tschechoslowakei zurückgebracht, wo er bei einer Tante aufwuchs. Während des Prager Frühlings 1968 kam er nach Deutschland.

Pavel Hoffmann spricht auch über die aktuelle Lage in Israel. Man gedenke zwar der toten Juden, habe aber kein Verständnis, wenn sich Juden wehren, sagte er mit Blick auf die Anschläge in Israel. Die Aufgabe der Menschheit bestehe nicht darin, nach den Motiven der Täter zu suchen, sondern die Täter zu stoppen.

Gedenktage seien wichtig, wichtiger aber sei es, gegen den Antisemitismus von heute vorzugehen. Dieser zeige sich zwar auch beim Beschmieren von jüdischen Gräbern mit Hakenkreuzen, doch der moderne Antisemitismus trage keine Glatze. „Er trägt akademische Titel, er fragt, warum Israel nichts aus der Geschichte gelernt hat, er bekennt sich zum Antizionismus, ihn stört, dass Israel überhaupt existiert“, warnt der Referent.