Die Angestellten im Forschungszentrum befürchten, dass die manipulierten Abgaswerte beim Mutterkonzern auch ihnen schaden. Die Stimmung ist niedergeschlagen. Im Rathaus rechnet man mit einem Totalausfall bei der Gewerbesteuer.

Weissach - Friedlich liegt das Entwicklungszentrum von Porsche in der Herbstsonne bei Weissach. 7000 Angestellte gehen hier täglich ein und aus, und bis vor Kurzem konnte kein Wölkchen den Sonnenschein der Mitarbeiter trüben. Der Sportwagenhersteller hat einen neuen Rekord aufgestellt und bis Oktober mit 191 000 schon so viele Fahrzeuge verkauft wie im ganzen vergangenen Jahr. Und in Weissach steht schon das nächste Großprojekt an: Ein neues Elektro-Rennfahrzeug unter dem Codenamen „Mission E“ soll hier aufwendig entwickelt werden.

 

Und doch herrscht große Verunsicherung. Das will zwar niemand offiziell bestätigen. Aber hinter vorgehaltener Hand sagt ein Porsche-Mitarbeiter: „Die Stimmung ist katastrophal. Alle haben Angst, dass unsere gute Arbeit in Mitleidenschaft gezogen wird.“ Zwar hoffen viele, dass das Thema irgendwann aus den Schlagzeilen verschwindet. „Aber es weiß niemand, was kommt“, sagt ein anderer Mitarbeiter. Die Erfolgszahlen zeigen zudem nur die bis Oktober ausgelieferten Fahrzeuge – und nicht die neuen Bestellungen, seit der Abgasskandal publik geworden ist.

Uwe Hück ist fassungslos

„Auch ich bin fassungslos, was bei VW abgelaufen ist“, erklärt der Betriebsratschef Uwe Hück, „wir Porschianer lassen die Kollegen bei VW aber nicht im Stich.“ Vor allem, dass der Sechszylinder-Dieselmotor für den Geländewagen Cayenne von den Abgasmanipulationen betroffen ist, hat viele schockiert. 3000 Porsche-Fahrzeuge sind davon betroffen. „Wir prüfen derzeit die Vorwürfe“, erklärt Josef Arweck, der Pressesprecher von Porsche.

Er ist ein Beispiel dafür, wie der Abgas-Skandal das Personaltableau bei Porsche durcheinandergewirbelt hat. Erst im Juli wurde er zum Leiter der Kommunikationsabteilung, dann ist der für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Vorstand Hans-Gerd Bode nach Wolfsburg abgezogen worden, und Arweck übernimmt nun seine Aufgaben. Er bemüht sich, die Aufregung zu dämpfen und muss alle Medienanfragen beantworten.

Etwa die, ob man im sogenannten Elektro-Integrationszentrum in Weissach nicht die falschen Abgaswerte hätte entdecken müssen. Dort wird bei der Neuentwicklung eines Fahrzeugs die Software aufgespielt und überprüft. Im vergangenen Jahr hatte man diesen Vorgang noch stolz dem Verkehrsminister Winfried Hermann bei einem Besuch in Weissach präsentiert. Doch dazu will man offiziell nichts sagen. Der Betriebsratschef Uwe Hück glaubt jedenfalls nicht, dass für Porsche ein Imageschaden entstehen könnte, die Stimmung in der Firma sei sogar „saugut“.

Kommt Wolfgang Hatz zurück?

Eine Folge ist für die 7000 Weissacher Porsche-Mitarbeiter offensichtlich: Ihr Chef Wolfgang Hatz ist beurlaubt, weil er früher bei VW für die Motorenentwicklung zuständig war. Offiziell erklärt der Sprecher Arweck: „Wolfgang Hatz ist vorsorglich beurlaubt. So hat er die Chance, den Vorwürfen entsprechend zu begegnen.“ Hatz steht auch noch in der neuen Vorstandsliste des Sportwagenbauers. Dass er tatsächlich ins Amt zurückkehrt, halten Insider allerdings für unwahrscheinlich.

Eine weitere Auswirkung ist im Weissacher Rathaus längst angekommen. Der Bürgermeister Daniel Töpfer rechnet mit einem massiven Einbruch bei der Gewerbesteuer. Bislang hat der Sportwagenhersteller jährlich gut 20 Millionen Euro überwiesen, in guten Zeiten ein Vielfaches davon. Nun könnte der Wert für die nächsten Jahre auf Null sinken – wenn der VW-Konzern aufgrund der Schadenersatzforderungen und Strafzahlungen keinen Gewinn macht, werden auch keine Steuern gezahlt.

Daher wird im Gemeinderat nächste Woche voraussichtlich eine Haushaltssperre verhängt und der ohnehin schon strenge Sparkurs verschärft. So wird etwa das Familien- und Jugendprogramm „Mach mit“ gestrichen, auch weitere Leistungen stehen auf dem Prüfstand. Denn schon bislang lag das jährliche Defizit bei zehn Millionen Euro. Ohne das Geld von Porsche könnten die Rücklagen der Kommune schmelzen wie Eis in der Sonne. Aber es gibt auch gute Nachrichten. Trotz aller Sorgen wird im Entwicklungszentrum weitergebaut. Derzeit laufen die Arbeiten für das neue Antriebsprüfungsgebäude.

Ausbaupläne liegen auf Eis

Damit können Motoren künftig besser erforscht werden, auch die Abgaswerte und die Software. Auch wenn es natürlich nicht wegen des Abgasskandals gebaut wird – Porsche wird damit unabhängiger von den Daten der Zulieferer und kann eigenständig sämtliche Werte kontrollieren. Es werden 18 neue Prüfstände auf zwei Geschossen errichtet. „Das Gebäude soll 2018 fertig sein“, erklärt der Sprecher Josef Arweck.

Die weiteren Ausbaupläne liegen ebenfalls nicht auf Eis – in Richtung Mönsheim soll eine neue Mensa entstehen. Denn die alte im Zentralgebäude platzt aus allen Nähten. Porsche hat nun in der Rennsportabteilung vorübergehend einen Zeltpavillon aufgebaut.

Zudem soll bei Mönsheim ein neues Integrations-Zentrum entstehen. Die Baupläne sind weiter aktuell: „Die Investitionen von einer Milliarde sind festgeschrieben“, erklärt Betriebsratschef Uwe Hück. Die Mitarbeiter hoffen jedenfalls, dass es weiter aufwärts geht. „Man wird nicht bei uns streichen, wir liefern ja Gewinne ab“, sagt ein Weissacher Porsche-Angestellter. Er hofft nun, dass bei den Ermittlungen in Wolfsburg keine weiteren Probleme auftauchen: „Wenn jetzt noch was Neues auftaucht, dann wird es langsam eng für uns.“