Gerhard Strauß gilt als ein nachdenklicher, differenziert denkender Kommunalpolitiker, der mit seiner Meinung selten hinter dem Berg hält. Der 66-Jährige will über das geplante Hochwasser-Becken mehr diskutieren, und auch über die Probleme der Vergangenheit.

Weissach – - Gerhard Strauß gilt als ein nachdenklicher, differenziert denkender Kommunalpolitiker, der mit seiner Meinung selten hinter dem Berg hält. Und manchmal gerne auch provoziert. Im Gespräch mit der LKZ hat der 66-jährige Arzt Zweifel an den Alternativvorschlägen seiner Bürgerlisten-Fraktion zum Hochwasserschutz. Strauß will aber kein Quertreiber sein, sondern er erhofft sich mehr öffentliche Diskussionen. Nicht nur über Hochwasser, sondern auch über die Unregelmäßigkeiten aus früheren Jahren.
Herr Strauß, es gibt beim Hochwasser zwei Positionen: Der Zweckverband will ein bis zu sechs Meter hohes Staubecken bauen, die Bürgerliste schlägt viele kleine Dämme und Rückhalteflächen vor. Was wollen Sie?
Wir müssen das technisch und politisch betrachten. Technisch gesehen könnte der vom Zweckverband vorgeschlagene Staudamm schon die vernünftigste Variante sein. Er liegt im Tal, wo der Sammelpunkt des Wassers ist, und das Fassungsvermögen von 28 000 Kubikmetern ist im Vergleich zu anderen nicht besonders groß.
Und die politische Dimension?
Es ist natürlich völlig unmöglich, solch eine riesige Staumauer in das schöne Strudelbachtal zu bauen. Man muss sich überlegen, ob ein solches Großprojekt durchsetzbar ist. Vor allem wenn man das Risiko abwägt. Da habe ich erhebliche Zweifel. Bislang gab es in Weissach noch kein Hochwasserereignis in der Größe. Außerdem ist das wie in der Medizin – oft schießt man extrem weit übers Ziel hinaus, um jedes noch so kleine Risiko zu vermeiden.
Die Planer und Experten sehen das anders und rechnen mit Überschwemmungen bei einem Jahrhunderthochwasser . . .
Aus Weissacher Sicht kann ich nicht erkennen, dass es für uns ein hohes Risiko gibt. Im schlimmsten Fall drohen uns vollgelaufene Keller. Aber es ist niemand in Lebensgefahr, und auch die Substanz der Häuser ist nicht in Gefahr. Das wären Gründe zu handeln. Es ist nicht ausreichend, um solch massive Schutzdämme zu bauen.
Wie sehen Sie den Vorschlag Ihrer Fraktion, der Bürgerliste, alternativ das Wasser an vielen kleinen Stellen abzufangen?
Es ist lobenswert und ein guter Ansatz, das zu versuchen. Aber wir als Gemeinderäte sind keine Planer, das kann nicht unsere Aufgabe sein. Dazu fehlt uns das Fachwissen. Ich habe auch Zweifel daran, dass wir als Gemeinde jetzt für viel Geld ein Gutachten in Auftrag geben, um die alternativen Lösungen der Bürgerliste und der Umweltschützer zu untersuchen.
Ist es nicht die einzige Chance der Gemeinde, mit einem Gegenvorschlag den großen Staudamm zu verhindern?
Ich bin da skeptisch. Solche Kompromisslösungen sind oft technisch nicht die besten. Aus meiner Sicht ist ein eigenes Gutachten nicht der richtige Weg. Zumal das Landratsamt klar signalisiert hat, dass es bei diesem Kurs nicht mitzieht. Es enttäuscht mich schon, dass der Landrat nicht die Interessen des Kreises Böblingen, sondern des Zweckverbandes vertritt.
Was wäre Ihr Vorschlag für das weitere Vorgehen der Gemeinde?
Wir sollten im Gemeinderat noch einmal öffentlich diskutieren. Wir sollten uns gründlich überlegen, welchen Nutzen die Hochwasser-Maßnahmen überhaupt haben. Es könnte sein, dass wir einen großen Staudamm bekommen, der Weissach und Flacht trennt, und nie gebraucht wird.
Sie sind also gegen den großen Staudamm, aber auch gegen alternative Lösungen. Was wäre Ihr Vorschlag?
Wir brauchen weder das eine noch das andere. Wir sollten die Anwohner darin unterstützen, ihre Häuser hochwassersicher zu machen. Wobei das eigentlich Privatsache ist. Jeder, der im Tal gebaut hat, muss wissen, dass einmal im Leben ein Hochwasser eintreten kann. Dieses Risiko muss den Eigentümern bewusst sein.
Was könnten die Anwohner tun?
Man kann Keller so verschließen, dass Wasser gar nicht erst eindringen kann. Oder sie können Staumauern auf ihren Grundstücken bauen. Auch Sandsäcke können bei Starkregen helfen.
Ihr Fraktionschef, Andreas Pröllochs, wird von Ihrer Haltung nicht begeistert sein . . .
Das mag sein. Aber ich will eine öffentliche Diskussion anstoßen. Das Klima im Gemeinderat ist unter dem neuen Bürgermeister Daniel Töpfer besser geworden, so dass wir eine solche Debatte darüber auch offen führen können.
Öffentliche Debatten haben Sie ja schon früher häufig gefordert, auch was die Unregelmäßigkeiten bei der kommunalen Baugesellschaft Kommbau angeht.
Ja, wir haben uns zu sehr in die Nichtöffentlichkeit zurückgezogen. Es ist eine diffizile Sache. Die Probleme müssen auf den Tisch. Wer Fehler gemacht hat, sollte zur Verantwortung gezogen werden. Moralisch gesehen kann man Verzeihen, aber nur dann, wenn jemand Fehler einsieht. Natürlich muss man vorsichtig sein, dass der Ruf von Weissach nicht leidet. Aber wir sollten generell mehr öffentlich diskutieren.