In einem Umzugskarton in der Kämmerei lauern böse Nachrichten für einige Hauseigentümer. Auf sie könnten Gebühren im vierstelligen Bereich zukommen.

Weissach - Dass das Weissacher Rathaus lange Jahre alles andere als ein Hort geordneter Beamtenakkuratesse war, ist bekannt. Ebenso, dass die Gemeindeprüfanstalt (GPA), die die baden-württembergischen Kommunen unter die Lupe nimmt, in Weissach besonders viel zu tun hat. Ein weiteres Kapitel dieser unendlichen Geschichte könnte jetzt für die Anwohner der Sonnenhalde teuer enden.

 

„Versteckt“, so lautet die jüngste Feststellung von Bürgermeister Daniel Töpfer in der jüngsten Gemeinderatssitzung, „versteckt in der Registratur der Kämmerei fanden sich vier große Umzugskartons“. Vier Kartons mit unsortierten Akten des ehemaligen Kämmerers, die jetzt für die Hauseigentümer der Sonnenhalde möglicherweise Konsequenzen im drei- bis vierstelligen Euro-Bereich nach sich ziehen. Denn bei den Akten handelt es sich um die Erschließung der Sonnenhalde, also um den Ausbau dieser kleinen Straße samt Erneuerung der Versorgungseinrichtungen.

Pflicht zur Zahlung verjährt?

Wo immer eine solche Erschließung erfolgt, müssen sich die Anwohner an den Kosten beteiligen – den sogenannten „Erschließungsgebühren“.

Müssen sich die Anwohner der Sonnenhalde nun an den Kosten beteiligen oder nicht? Oder ist die Pflicht zur Zahlung etwa schon verjährt? Das ist die Frage, mit der sich nun das Landratsamt Böblingen als der für Weissach zuständigen Aufsichtsbehörde beschäftigen muss.

Denn die Sonnenhalde ist bereits im Jahr 1989 ausgebaut – im Amtsdeutsch erschlossen – worden. Was dann geschah, lässt sich aus den Akten nicht mehr ganz genau rekonstruieren. Tatsache ist, dass irgendwann das Verwaltungsgericht die Weissacher „Erschließungsbeitragssatzung“ verworfen hat. Daraufhin hat die Gemeinde 2006 eine neue Gebührensatzung erlassen. Geschehen ist danach erst einmal wieder nichts.

Im Juli 2010 – also 21 Jahre nach dem Ausbau der Sonnenhalde – hat die GPA die Gemeinde Weissach turnusgemäß unter die Lupe genommen und hat dabei festgestellt, dass man der Gebührensatzung von 2006 gemäß noch die Erschließungsgebühren für die Sonnenhalde erheben müsste. Dem ist der damalige Leiter des Liegenschaftsamtes auf den letzten Drücker gefolgt und hat am 30. Dezember 2010 entsprechende Gebührenbescheide an die Eigentümer versandt.

Alle Betroffenen haben damals Widerspruch eingelegt. Ihr Argument: Das sei längst verjährt. Weissach beauftragte daraufhin eine Anwaltskanzlei mit der Überprüfung, die einen uralten „Baulinienplan“ aus dem Jahr 1929 findet. Darin ist die Sonnenhalde als neun Meter breite Straße vermerkt. Das Argument der Kanzlei: Dieser Plan von 1929 sei noch nicht realisiert – und deshalb erst recht nicht verjährt. Der Schriftverkehr geht hin und her, endet aber April 2014. Der zuständige Amtsleiter verlässt Weissach, die Geschichte ward vergessen – es passiert wieder: Nichts.

Kein Ermessen für die Gemeinde

Bis die Verwaltung unter dem neuen Bürgermeister Daniel Töpfer und seiner ebenfalls neuen Kämmerin Karin Richter eben jene Aktenkiste findet. „Nach 28 Jahren muss man sich schon die Frage stellen, ob der Einzug der Gebühren zumutbar ist“, sagte Andreas Pröllochs, der Fraktionsvorsitzende der Bürgerliste, dazu im Gemeinderat. „Ich denke, das ist nicht zumutbar.“

Daniel Töpfer zufolge hat die Gemeinde aber gar keine Wahl. „Es gibt Bereiche, bei denen die Gemeinden in Ausübung ihres Ermessens auf den Einzug von Gebühren verzichten können“, erklärt er. „Im vorliegenden Fall besteht diese Möglichkeit offenkundig mit Blick auf die – trotz mehrfach erfolgter Hinweise der GPA – nicht generierten Einnahmen nicht.“ 120 000 Euro an Erschließungsgebühren sind in der Sonnenhalde angefallen, diese müssten die 25 Anwohner tragen.

Jetzt leitet die Weissacher Gemeindeverwaltung die Widersprüche der Anwohner, die aus dem Jahr 2011 stammen, an das Landratsamt Böblingen weiter, das sie dann prüfen muss.