Die schlimmsten Befürchtungen sind eingetreten. Für 2015 und die beiden folgenden Jahre rechnet man im Weissacher Rathaus mit überhaupt keinen Gewerbesteuern durch das Porsche-Entwicklungszentrum.

Weissach - Die schlimmsten Befürchtungen sind eingetreten. Für 2015 und die beiden folgenden Jahre rechnet man im Weissacher Rathaus mit überhaupt keinen Gewerbesteuern durch das Porsche-Entwicklungszentrum. Damit bleiben vermutlich 1,5 Millionen Euro von den übrigen Unternehmen. Bislang konnte man jedes Jahr mit 20 Millionen Euro rechnen, früher sogar viel mehr.

 

„Die Missstände und nicht gemachte Hausausgaben der Vergangenheit schlagen jetzt voll durch“, erklärt der Bürgermeister Daniel Töpfer im Gemeinderat. Denn die Kommune hat ein strukturelles Defizit von zehn Millionen Euro jährlich. Das liegt an hohen Kosten etwa für die Strudelbachhalle, extrem niedrigen Gebühren und vielen Sonderleistungen für die Bürger. So gibt es ein in ganz Baden-Württemberg einmaliges Programm namens „Mach mit“: Für jedes Weissacher Kind erhält die Familie bis zu 480 Euro Zuschüsse für Volkshochschulkurse, Kinderbetreuung, Musikunterricht, Hallenbad-Eintritt oder sogar für den Kauf von Windeln.

Auch eine Familienkarte für die Wilhelma, Privatschulgebühren oder ein Schulranzen können damit finanziert werden. Früher wurden sogar 600 Euro je Kind gewährt. Die Kämmerin Karin Richter weist zudem darauf hin, dass die Bürger einige der Leistungen künftig auch beim Landratsamt beantragen können.

Die Gemeinde gewährt zudem ein Baukindergeld, bezuschusst neue Solaranlagen und Zisternen, gedämmte Dächer oder gewährt Vereinen großzügige Hilfen.

„Dieser große Strauß an freiwilligen Leistungen ist selbst über Landkreisgrenzen hinaus einzigartig“, erklärt die Kassenwartin Karin Richter. In guten Zeiten war das durch die hohen Porsche-Einnahmen möglich, nun wird radikal gespart.

So werden eine ganze Reihe von Angeboten zum Jahresende eingestellt, wie das Mach-Mit-Programm oder das Baukindergeld. Erhalten bleibt ein kommunales Sanierungsprogramm – das sind Zuschüsse für Renovierungen, die das Ortsbild aufwerten, etwa für Häuserfassaden.

Doch auch das wird nicht reichen: Selbst wenn man alle dieser freiwilligen Leistungen streichen würde, kämen jährlich nur 1,3 Millionen Euro zusammen. „Wir müssen den Sparkurs drastisch intensivieren“, erklärt der Rathauschef, „das trifft auch die Bürgerschaft, die das mittragen muss.“ Die Kämmerin Karin Richter erlässt zudem eine Haushaltssperre – eine Kürzung aller Budgets um zehn Prozent, in denen noch freie Mittel vorhanden sind, mit dem Rasenmäher-Prinzip.

Doch damit ist die Liste der Grausamkeiten noch nicht zu Ende: Viele Gebühren, die jahrelang nicht angepasst wurden, werden erhöht, und die Schulen bekommen strenge Budgets mit Obergrenzen, die anders als bisher an der tatsächlichen Schülerzahl orientiert sind.

Der Sparkurs ist im Gemeinderat nicht unumstritten. So kritisiert etwa Susanne Herrmann (Unabhängige Liste) das plötzliche Aus für das Mach-Mit-Programm. „So kurz vor Weihnachten müssen die Eltern jetzt schauen, wie sie das organisieren“, erklärt Marga Schmälzle (Bürgerliste). „Nicht jeder arbeitet bei Bosch oder Porsche.“ Sie regte an, das Programm bis März laufen zu lassen. Gerhard Mann (Unabhängige Liste) hält es für falsch, dass der Bau von Zisternen nicht mehr unterstützt wird: „Die Gemeinde spart doch Geld, wenn das Wasser nicht in die Kanalisation läuft.“

Doch die Mehrheit trägt den Sparkurs mit. „Ich gehöre dem Gemeinderat seit 30 Jahren an“, erklärt Volker Kühnemann, der Sprecher der Freien Wähler. „Eine solche Situation habe ich noch nicht erlebt.“ Der Steuereinbruch sei nicht vorhersehbar gewesen. Niemand wisse, wie lange er dauern werde. Kühnemann: „Man sieht, wie negativ es ist, wenn man nur von einem Gewerbesteuerzahler abhängt.“ Der Bürgerliste-Fraktionschef Andreas Pröllochs erklärt: „Wir müssen es schaffen, unsere Kosten mit den Einnahmen in Einklang zu bringen.“