Der traditionsreiche Veranstaltungsort muss weichen, weil die Busfirma Wöhr ein vertragliches Anrecht auf das Gelände hat. Die Kommune muss das Gebäude auf eigene Kosten abreißen. Der Gemeinderat hat zähneknirschend den Auftrag erteilt.

Weissach - Über Jahrzehnte hinweg war die Alte Festhalle mindestens einmal im Jahr der Lebensmittelpunkt für jeden Weissacher. Dann stieg dort immer die traditionelle Kirbe. Auch Vereine nutzen das historische Gebäude gerne, wenn die Strudelbachhalle zu groß und zu teuer ist. Doch damit ist es bald vorbei – bis zum 30. April muss die Gemeinde die Alte Festhalle abreißen und das Gelände eingeebnet an die Firma Wöhr übergeben.

 

So will es ein alter Vertrag aus dem Jahr 2004, den noch der damalige Firmenchef eingefädelt hat. Zwar bezahlt das Busunternehmen für das Grundstück – allerdings nur den Bodenwert aus dem Jahr 2004, das wären bei 2700 Quadratmeter Größe rund 340 000 Euro. Die Abrisskosten von 71 000 Euro muss aber die Kommune bezahlen.

Nachweis kommt erst zehn Jahre später

Auch die Gemeindeprüfungsanstalt hat den Vorgang gerügt, weil im Jahr 2004 kein Wertgutachten eingeholt wurde. Außerdem wurde der Vertrag nicht der Rechtsaufsicht vorgelegt. Das wäre notwendig gewesen, weil der damalige Firmeninhaber Mitglied des Gemeinderates war. Erst im März 2014, also zehn Jahre später, hat das Rathaus die nötigen Nachweise ans Landratsamt geliefert.

Bis Januar 2015 lief die Option der Firma Wöhr auf das Grundstück, daher wurde sie damals aktiviert. Aus Kulanz räumte das Busunternehmen der Gemeinde das Recht ein, die Alte Festhalle bis Ende März 2016 weiter nutzen zu können. Nun aber ist im Dezember vergangenen Jahres ein Schreiben im Rathaus eingetroffen – bis Ende April muss die Halle weichen.

Wöhr will sein nebenan gelegenes Firmengelände erweitern, um die 32 Lastwagen des Fuhrparks dort parken zu können – Wöhr betreibt bekanntlich nicht nur Busse, sondern unter dem Label Wöhr Transporte GmbH auch 21 Sattelzüge und 11 Lastwagen, die unter anderem die Erde der Stuttgart-21-Baustelle oder von großen Autobahn-Bauarbeiten abtragen.

Dem Vernehmen nach hat sich genau diese Tochterfirma Wöhr Transporte beim Abriss der Alten Festhalle für einen Auftrag beworben. Erfolgreich – den Schutt des alten Gebäudes werden Wöhr-Lastwagen für die Abrissfirma abtransportieren. Somit hat das Unternehmen nicht nur günstig das Grundstück und den Abriss frei Haus bekommen, sondern verdient daran noch.

„Ich stehe nicht hinter dem Vertrag“

Im Technischen Ausschuss schimpfte der Rat Paul Ebser dementsprechend: „Warum kann der neue Eigentümer der Halle nicht wenigstens die Transportkosten übernehmen?“ Zwar äußern alle Gemeinderäte Unterstützung für die Arbeit der Firma Wöhr, doch der Deal ärgert die Räte erheblich. Das wurde auch in der Ausschusssitzung deutlich, als der Auftrag für den Abriss erteilt wurde. „Ich kann nicht nachvollziehen, warum die Kommune noch die Abrisskosten tragen soll“, erklärte etwa Marga Schmälzle von der Bürgerliste, „ich stehe nicht hinter dem Vertrag.“

Der Bürgermeister Daniel Töpfer kann den Unmut verstehen, er selbst hat den Vorgang im Herbst als „schwer nachvollziehbar“ bezeichnet. Doch Vertrag ist Vertrag, den muss die Kommune erfüllen. Juristisch gibt es keine Hintertür. Immerhin werden das Interieur oder die Küchenmöbel möglicherweise an Vereine abgegeben – diese Anregung von Horst Klink (Unabhängige Liste) wurde vom Rathaus an die Firma Wöhr weitergegeben.

Doch das sind letztlich Rückzugsgefechte. Klar ist: Ende April ist die Alte Festhalle Geschichte, in der nach dem Zweiten Weltkrieg bereits flüchtige Heimatvertriebene untergebracht waren. Auch die Kirbe als größtes Gemeindefest muss sich ein neues Domizil suchen. Bei der Kirbe-Feier im Oktober herrschte bereits Abschiedsschmerz, weil der Abriss sich abgezeichnet hat. Die Organisatoren und das Rathaus suchen derzeit noch nach einem Ausweichquartiert, denn die Kirbe soll weiterleben.