In der Diskussion um die Hermann-Hesse-Bahn spricht der Bürgermeister der Keplerstadt ungewohnt deutliche Worte. Er kritisiert den Kreischef Roland Bernhard und fordert von ihm eine klare Position. Der Gemeinderat steht hinter dem Rathauschef, der eine Klage gegen das Projekt nicht mehr ausschließt.

Weil der Stadt - Eigentlich ist Thilo Schreiber keiner, der gerne öffentlich austeilt. In der Gemeinderatssitzung am Dienstag hat schlägt der sonst eher zurückhaltende Rathauschef aber einen ungewohnt scharfen Ton an. Allen voran muss der Landrat Roland Bernhard deutliche Kritik einstecken. „Jetzt reicht’s“, schimpft Schreiber. „Der Kreis muss endlich Klartext reden und Farbe bekennen.“ Auch wenn Schreiber stets allgemein vom Landkreis spricht – gemeint ist wohl speziell der Landrat. Der Schultes ärgert sich einmal mehr über die mangelnde Informationspolitik im Verfahren, pocht mit Nachdruck auf den Stresstest für die S-Bahn. Und betont: „Hesse-Bahn ja – aber nur bis Weil.“ Zur Not bliebe nur der Weg vors Gericht.

 

Es ist ein weiterer Akt im Polittheater rund um die umstrittene Hesse-Bahn. Gut eine Stunde lang diskutieren der Bürgermeister und die Gemeinderäte über das Bahnprojekt. Die Stimmung im Sitzungssaal ist merklich angespannt. Einige Gemeinderäte können immer wieder nur verständnislos den Kopf schütteln, als der Schultes umreißt, was sich in den vergangenen Monaten getan hat. Oder auch nicht.

„Uns fehlt es an Informationen“

Inhaltlich gibt es nicht viel Neues. Wo genau das Projekt zum jetzigen Zeitpunkt steht und wie es weitergeht, kann Thilo Schreiber nicht sagen. „Uns fehlt es an Informationen“, erklärt er und zuckt ratlos mit den Schultern. Gemeinsam mit dem Renninger Kollegen Wolfgang Faißt hat er in den vergangenen fünf Monaten alle Hebel in Bewegung gesetzt, um an Auswertungsergebnisse zu gelangen und Antworten auf die vielen offenen Fragen zu bekommen. Doch ohne Erfolg.

Was das betrifft, ärgert Schreiber vor allem die Haltung des Böblinger Landrats Bernhard. Auf Anfrage nach der Bewertung der Strecke von Calw nach Weil der Stadt habe dieser ihm die Akteneinsicht verwehrt. Mit der Begründung, dass er dafür nicht die Zustimmung des Calwer Kollegen Helmut Riegger habe (wir berichteten).

Nach wie vor pocht Schreiber auch auf den Stresstest, mit dem die S-Bahnlinien 6 und 60 unter Realbedingungen getestet werden sollen. „Und zwar inklusive aller Verspätungsszenarien.“ Denn sollte es auf der Strecke zwischen Weil der Stadt und Renningen, auf der neben der S-Bahn heute auch künftig die Hesse-Bahn fahren soll, zu Verspätungen kommen, könne das zu Lasten der S-Bahn gehen.

Das hatte vergangene Woche auch der Regionalverband im Verkehrsausschuss kritisch angemerkt. Schreiber nimmt hier den Verband noch mehr in die Pflicht, fordert eine kritische Stellungnahme. „Langsam wird es mal Zeit, die Fahne hochzuziehen“, sagt er. Die geplante Doppelstruktur der Hesse-Bahn bis nach Renningen sei doch völlig unnötig, betont er. Dem Grünen-Rat Bernd Aupperle treiben Schreibers Ausführungen am Dienstagabend den Puls hoch. Als Kreisrat beobachtet er das Projekt seit dem Jahr 2009. Eigentlich sei es bei der Reaktivierung der so genannten Schwarzwald-Bahn immer um die Strecke von Calw nach Weil der Stadt gegangen. „Von einer Verlängerung bis nach Renningen war im Kreistag nie die Rede“, so Aupperle. Das habe der Landkreis Calw dann im Lauf des Verfahrens ohne Absprache mit Böblingen entschieden.

Grundsätzlich ist Aupperle für die Hesse-Bahn: „Aber nur von Calw nach Weil der Stadt – und sonst nichts.“ Für die Verantwortlichen im Kreis Böblingen hat Bernd Aupperle einen Denkanstoß im Gepäck: „Man sollte sich mal grundsätzlich überlegen, ob man sich zum Wohle des Landkreises Calw gegen Weil der Stadt und Renningen stellt.“

„Riegger ist nicht der Kaiser von Calw“

Der CDU-Rat Michael Hofbauer sieht im Nachbarkreis keinen verlässlichen Projektpartner. Er kritisiert vor allem die Haltung Helmut Rieggers: „Er kann sich doch nicht über die Köpfe hinwegsetzen. Er ist nicht der Kaiser von Calw.“

Mit fortgeschrittener Debatte sind sich Gemeinderat und Verwaltung einmal mehr einig: Hesse-Bahn ja – aber nur mit Endstation in Weil der Stadt und Umstieg auf die S 6. Aber was passiert, wenn die Entscheidung des Verkehrsministeriums nicht zugunsten der Keplerstadt ausfallen sollte? Schreiber schließt einen Gang vor Gericht nicht mehr aus: „Bei der jetzigen Ausgangslage werden wir alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Und gegebenenfalls den Klageweg bestreiten.“

Der Gemeinderat steht hinter der härteren Gangart, die der Weiler Rathauschef nun anschlägt. Josef Weber (SPD) fordert ein „glasklares Verfahren und Bürgerbeteiligung.“ Alles andere sei undemokratisch. „Wir sind doch kein Anhängsel, das man einfach so übergehen kann“, schimpft er.

Der fruchtlose Dauerstreit treibt den Weiler Bürgermeister Thilo Schreiber sichtlich um. Dranbleiben, lautet jetzt seine Devise. „Das Ganze dümpelt im Moment gefährlich vor sich hin“, sagt er. Jetzt gelte es, noch wachsamer zu sein. „Sonst geht das alles schnell schnell und dann ist die Katze den Baum hoch“, mahnt er an. Und die S-Bahn bliebe auf der Strecke.