Appetit machen auf eine Schienenverbindung nach Calw – das wollen die Befürworter der Hermann-Hesse-Bahn. Dazu ließen sie am Sonntag einen Triebwagen zwischen Renningen und Weil der Stadt hin- und herfahren.

Weil der Stadt/Renningen - Appetit machen auf eine Schienenverbindung nach Calw – das wollen die Befürworter der Hermann-Hesse-Bahn. Dazu ließen sie am Sonntag einen Triebwagen zwischen Renningen und Weil der Stadt hin- und herfahren.

 

13.50 Uhr, Bahnhof Weil der Stadt: Auf dem Bahnsteig herrscht dichtes Gedränge. Ein ungewohnter Zug steht zur Abfahrt bereit – ein Wagen der Schönbuchbahn, angetrieben von einer Dieselmaschine. Vor den Türen tummeln sich nicht nur viele Neugierige, sondern auch eine Handvoll politischer Prominenz.

Der Calwer Landrat Helmut Riegger ist einer der Hauptakteure pro Hermann-Hesse-Bahn. Auch die Abgeordneten Thomas Blenke (CDU) aus Calw und Bernd Murschel (Grüne) aus Leonberg sind da. Die Vertreter der Aktion „Unsere Schwarzwaldbahn“, Reinhard Hackl und Hans-Joachim Knupfer, haben die Bahnfahrt organisiert. Nicht mit dabei ist übrigens der Weiler Bürgermeister Thilo Schreiber – er habe anderes zu tun, lässt er ausrichten.

14 Uhr: Kritik der Gegner Nicht mit eingestiegen ist Norman Polensky, der Sprecher der Hesse-Bahn-Gegner, die vor allem aus dem Bereich Malmsheim kommen. Dass der Zug an diesem Tag in Malmsheim hält, ist Wasser auf die Mühlen der Gegner. Denn das ist beim Betrieb der Hesse-Bahn nicht vorgesehen. Die Anwohner fürchten, dass der Zug künftig mit hoher Geschwindigkeit an Malmsheim vorbeidonnert. „Ich halte die Schnupperfahrt der Bahnbefürworter für Augenwischerei“, erklärt Norman Polensky. In der Einladung sei auch bewusst das Wort „Dieselantrieb“ vermieden worden.

14.06 Uhr: Abfahrt Pünktlich setzt der Lokführer Ronny Teucherdt das Bähnle in Bewegung. Er bildet Fahrer für die Württembergische Eisenbahngesellschaft WEG aus. Diese betreibt unter anderem die Schönbuchbahn, die Dettenhausen via Holzgerlingen mit Böblingen verbindet. Teucherdt beschleunigt auf knapp 100 Stundenkilometer. Aber nur kurz, weil er in Malmsheim gleich wieder anhält.

Hans-Joachim Knupfer von der Bahn-Initiative begründet den Zweck der Zugfahrt: „Wir wollten eigentlich keine Testfahrt machen, das war nicht unsere Absicht.“ Vielmehr habe man den Gegnern die Gelegenheit geben wollen, das kennenzulernen, wogegen sie sich wehren – nämlich vorbeifahrende Dieselzüge. Knupfer erinnert an die Aktion im Sommer 2014, als die Bürger zu einer Fahrt Schönbuchbahn eingeladen waren: „Wenn die Leute nicht zu den Fahrzeugen kommen, dann muss das Fahrzeug zu den Leuten kommen.“

Zurück im Führerstand bei Ronny Teucherdt. „Der Wagen ist nicht das neueste Modell, sondern fast 20 Jahre alt“, erklärt er. Wenn die Hesse-Bahn 2018 starte, würden sicherlich neuere Maschinen eingesetzt. Davon ist auch Bahnexperte Knupfer überzeugt. „Die heutigen Antriebe sind leiser und umweltfreundlicher.“

14.15 Uhr: Ankunft Renningen Ulla Schröder würde sich auf jeden Fall über eine Bahnlinie nach Calw freuen. Sie und ihr Mann sind aus Althengstett hergefahren, um sich einen Eindruck vom Triebwagen zu verschaffen: „Ich finde es ganz toll. Viele Leute sind begeistert von der Idee, bald mit der Bahn hierher fahren zu können.“ In Renningen steigen die beiden aus, nicht ohne vorher noch nach dem Weg zum Weihnachtsmarkt gefragt zu haben. Aber auch Ulla Schröder weiß, dass ein Mammutprojekt wie die Wiederbelebung einer Bahnstrecke nur mit viel Geld gestemmt werden kann. Der Calwer Landrat Helmut Riegger sagt dazu: „Von den geschätzten Kosten in Höhe von 50 Millionen Euro gibt es eine Zuschuss-Zusage über 50 Prozent.“

Der Kreis Calw ist Eigentümer der Strecke, die 1983 außer Betrieb genommen wurde. „Für unsere Pendler ist die Strecke bis Renningen die ideale Anbindung“, sagt Riegger, der durch seine forsche Art vor allem die Kommunalpolitiker in Weil der Stadt und Renningen gegen sich aufgebracht hat.

15 Uhr: Schnallenäcker Im Neubaugebiet Schnallenäcker in Malmsheim, das direkt an die S-Bahnlinie grenzt, sind viele Spaziergänger unterwegs. Der Weg führt von einer Buschreihe getrennt –an den Gleisen entlang. Wie laut ist es tatsächlich? Der Geräuschpegel wird von den Autos auf der weiter entfernten Straße zwischen Renningen und Malmsheim dominiert. Dann fährt die S-Bahn vorbei. Kurz darauf folgt ein Zug der Schönbuchbahn in Weiß-Orange, mit einem etwas anderen Geräusch, aber ähnlich laut. Wer in größerer Entfernung, etwa auf Höhe der Kinderkrippe Schnallenäcker steht, würde den Zug wohl kaum wahrnehmen, wenn er nicht wüsste, dass er gerade vorbeifährt. Anja Weidner von der Bürgerinitiative Malmsheim ist das aber nicht realistisch genug, weil der Zug eben abbremst und nicht durchfährt wie von 2018 an.

16.18 Uhr: Malmsheim: Bei der letzten Fahrt rollt der Wagen tatsächlich mit 100 Stundenkilometern vorbei. Wie laut oder leise das ist, bleibt wohl ein subjektiver Eindruck. Die Kritiker der Bürgerinitiative sind nicht überzeugt. Polensky betont, dass er und seine Mitstreiter keinesfalls eine Bahnverbindung nach Calw verhindern wollten. „Ich kann verstehen, dass die Calwer an die Region Stuttgart angeschlossen werden wollen“, sagt der Renninger. Das Beste wäre aber aus seiner Sicht die S-Bahnverlängerung nach Calw.

In dem Punkt sind sich Anhänger und Gegner einig – ansonsten hat die Testfahrt nur die jeweiligen Positionen bestätigt.