Ein Jahr lang wollen die beiden Städte den Artenschutz prüfen lassen.

Weil der Stadt/Heimsheim - Die Städte Weil der Stadt und Heimsheim konnten ihren Konflikt um drei geplante Windräder erst einmal beilegen. Sie haben den Biologen Rainer Gottfriedsen aus Rottenburg (Kreis Tübingen) damit beauftragt, ein Artenschutzgutachten zu dem geplanten Windkraft-standort im Merklinger Wald zu erstellen. Noch im Winter dieses Jahres könne der Biologe loslegen, teilen die beiden Bürgermeister Thilo Schreiber (Weil der Stadt) und Jürgen Troll (Heimsheim) mit.

 

„Der Gutachter soll prüfen, ob windkraftempfindliche Vogelarten in dem Wald vorkommen“, erklärt Troll. Daher ist es notwendig, dass der Naturkundler im Winter los legt, solange der Wald noch nicht belaubt ist, damit er die Vögel besser erkennen kann, erklärt der Heimsheimer Bürgermeister. Eine komplette Vegetationsperiode wird der Experte dann im Merklinger Wald unterwegs sein, Ende August 2018 sollen dann die Ergebnisse vorliegen.

„Aber dann müssen wir entscheiden“, kündigt Thilo Schreiber, der Weiler Schultes, im Gespräch mit dieser Zeitung an. Dabei geht es um drei Windräder, jeweils 230 Meter hoch, 15 000 Tonnen CO2 sollen eingespart werden, drei Megawatt Strom soll pro Jahr produziert werden – Strom für etwa 16 000 Menschen. So lauteten zumindest die Versprechungen des Investors „Windenergie-Baden-Württemberg“, als er im September 2016 die Pläne vorgestellt hatte. Damals wollte der Weiler Gemeinderat schon einmal entscheiden, ob er seinen Stadtwald auf Merklinger Gemarkung an diesen Investor verpachtet.

Das Artenschutzgutachten war ein Kompromiss

Weil die Heimsheimer Siedlungsfläche allerdings nur etwa 700 Meter entfernt liegt, hatte es heftige Proteste aus der Nachbarstadt gegeben. Daher hatten die Weiler Räte zunächst entschieden, ihre Heimsheimer Ratskollegen zu einem gemeinsamen Treffen einzuladen.

Der Kompromiss, den die beiden Gemeinderäte schließlich im März dieses Jahres gefunden hatten, war eben jenes Artenschutzgutachten. Sollten nämlich der Rotmilan, der Uhu, die Waldschnepfe oder der Kolkrabe im Merklinger Wald leben, so könnte dort ohnehin keine Windkraft betrieben werden.

Was aber, wenn der jetzt beauftragte Gutachter keine geschützten Tiere findet? „Das sehen wir dann, wenn es soweit ist“, gibt sich der Heimsheimer Bürgermeister Jürgen Troll kleinlaut. „Wir gehen davon aus, dass dort geschützte Tierarten leben – die Hinweise von BUND und Nabu sind überdeutlich.“ Auch sein Weil der Städter Kollege Schreiber will sich noch nicht dazu äußern, was geschieht, wenn der Gutachter keine Tiere findet. „Das entscheidet dann der Gemeinderat“, sagt er nur.

38 000 Euro kostet das Gutachten, Heimsheim zahlt davon zwei Drittel, Weil der Stadt ein Drittel. „Klar, Heimsheim hat das größere Interesse an dem Gutachten“, erklärt Thilo Schreiber diese Kostenaufteilung. „Wir beteiligen uns aber auch, da wir diese Schritte gemeinsam gehen wollen.“

Heimsheim behält sich eine Klage vor

Die Bürgermeister wollen damit auch Vorurteilen entgegenwirken, wonach es sich bei diesem Schritt ohnehin nur um ein Auftragsgutachten handele, bei dem das Ergebnis schon vorher feststehe. Deshalb haben sie sich bei der Auswahl der Gutachter auch vom Landratsamt Böblingen beraten lassen – das ist diejenige Behörde, die später einmal die Genehmigung für die Windkraftanlagen erteilen müsste, sofern ein Antrag vorliegt.

Unterdessen hat der Heimsheimer Bürgermeister bekräftigt, dass seine Stadt Klage gegen den Verband Region Stuttgart (VRS) einreichen werde. Sein Gemeinderat habe dafür 5000 Euro bereitgestellt, gibt Troll bekannt. Der VRS ist es, der die Windkraft-Standorte in der Region Stuttgart festlegt. Im September 2015 hatte sich dessen Regionalparlament auf 41 Standorte geeinigt, darunter der Merklinger Wald als einziger Standort im Kreis Böblingen. Heimsheim geht davon aus, dass die Auswahl nicht nach objektiven Maßstäben ablief. Mit der Klage muss die Stadt abwarten, bis das Regionalparlament einen Satzungsbeschluss zu den Standorten erlässt.

Kommentar: Unnötiger Balsam

38 000 Euro für die gute Nachbarschaft sind ein bisschen viel – vor allem, weil sie nichts bringen. Der Artenschutz wäre ohnehin geprüft worden.

Ein „bisschen“ Windkraft geht nicht. Entweder, die Windräder kommen genau an der Stelle in genau der Größe. Oder sie kommen eben nicht. Hopp oder top, lautet die Entscheidung, die der Weiler Gemeinderat hier treffen muss. Weil der betreffende Standort im Besitz der Stadt Weil der Stadt ist, hat deren Gemeinderat in jedem Fall das letzte Wort.

Das Zauberwort, nach dem alle in der Politik streben, sobald am Horizont ein Streit auftaucht – nämlich ein Kompromiss – ist in dieser Frage nicht möglich. Deshalb ist das Artenschutzgutachten, das jetzt von den Bürgermeistern als Kompromiss verkauft wird, allenfalls ein sehr fauler. Denn Flora und Fauna, Natur und Vögel muss der Investor in dem umfangreichen Genehmigungsverfahren ohnehin genau unter die Lupe nehmen – dann allerdings auf seine eigenen Kosten.

Und sollte das Ergebnis nicht die gewünschten Vögel bringen, wird Heimsheim immer noch gegen die Windkraft sein – unabhängiges Gutachten hin oder her. Denn in diesem Falle wird sich der Weil der Städter Gemeinderat auf jeden Fall für die Windkraft aussprechen. Das verkünden Bürgermeister und die Mehrheit der Ratsleute zwar noch nicht offiziell. Wären sie aber gegen Windkraft auf ihrer Gemarkung, könnten sie heute schon „Nein“ sagen. Das Gutachten für 38 000 Euro ist daher nicht mehr, als Balsam für die Heimsheimer Seele. Beschließen die Weiler Räte die Windräder, wird aber auch der nicht mehr trösten