Er war der allererste Pastoralreferent – nach 25 Jahren Dienst bei der katholischen Kirchengemeinde geht Heinrich Lutz jetzt in den Ruhestand.

Weil der Stadt - Bevor er kommt, ist sein Lachen schon da. Und das Lachen hat da wirklich viel zu tun und kommt rum – denn der Tausendsassa Heinrich Lutz ist in Weil der Stadt, den Teilorten und Simmozheim überall. Freudestrahlend öffnet er vormittags die Klassenzimmertüren und gibt Religionsunterricht am Johannes-Kepler-Gymnasium. Nachmittags findet er tröstende Worte bei einer Beerdigung. Dazwischen ist Zeit für die Ehe- und Familienpastoral, für die Betreuung des katholischen Kindergartens und die Seelsorge bei der Kolping-Familie.

 

Heinrich Lutz ist Pastoralreferent bei der katholischen Kirchengemeinde. Und als solcher ein Pionier, denn einen wie ihn kannten die Weil der Städter nicht, als er hier am 1. September 1990 anfing. Ein Pfarrer, der verheiratet ist und drei Töchter hat? Einer, der vorne mit der Gitarre steht, fröhlich singt und nicht nur der Orgel lauscht? Einer, der die Ökumene mit den Evangelischen sucht? „Als ich hier ankam, gab es keine Familiengottesdienste und keine Ministrantinnen“, erinnert sich Heinrich Lutz. „Das waren schon Kämpfe, die wir da ausgefochten haben.“

Zwei Monate nach ihm bekam die Kirchengemeinde auch einen neuen Pfarrer, Hermann Barth. Beide starteten sie daraufhin durch, mit neuem Schwung für die ehrwürdigen, katholischen Reichsstadtgemäuer. „Natürlich gab’s auch Beschwerdebriefe an den Bischof“, erzählt Heinrich Lutz heute und schmunzelt. „Aber die Kirche war voll – der Erfolg gab uns Recht.“

Den Beruf Pastoralreferent gibt es erst seit 1973

Die wichtigste Frage sei immer gewesen, was ein Pastoralreferent überhaupt am Altar mache – ein Beruf, den es in der katholischen Kirche überhaupt erst seit 1973 gibt. Acht Jahre nach dem großen Zweiten Vatikanischen Konzil wollte die Kirche dessen Impulse umsetzen und die Laien – also alle Nicht-Priester – stärker an der Seelsorge beteiligen. Schon damals gab es immer weniger Priester, weil sie in der katholischen Kirche nicht heiraten durften. „Ja, klar“, sagt auch Heinrich Lutz, der Pionier dieses Berufs in Weil der Stadt, „ohne den Zölibat würde es unseren Beruf nicht geben.“

Ursprünglich kommt Heinrich Lutz aus Schechingen bei Schwäbisch Gmünd. Dort ist er ausgewachsen, war eifriger Ministrant, hatte seine Heimat und seine Kumpels in der Kirchengemeinde. „Berufung, das ist für mich das Gefühl, mit der Kirche verbunden zu sein“, das hat er damals festgestellt. Auch sein damaliger Heimatpfarrer hat das gespürt. „Heinrich, du könntest doch auch Pfarrer werden“, habe der ihm gesagt und ihn erst nach Rottenburg, dann nach Ellwangen ins Internat geschickt.

1973 hat Heinrich Lutz Abitur gemacht, inmitten einer Kirche, die nach dem Zweiten Vatikanum im Aufbruch war, die Laien einen Platz einräumte, die Pastoralreformen umsetzte, in der neue Gottesdienstformen erlaubt waren. Nur noch eine Frage der Zeit, bis auch der Zölibat fällt, so munkelte man damals. In so einer Kirche wollte auch Lutz arbeiten. „Ja, den Dienst in der Kirche kannst du dir vorstellen“, habe er sich gesagt, erinnert er sich heute.

Pastoralreferent mit Leib und Seele

In Tübingen studierte er deshalb katholische Theologie, wohnte im Wilhelmsstift, dem Priesterseminar. Ob er Priester werden wollte, wusste er damals noch nicht, wollte sich den Weg aber offen halten – und hat sich dann dagegen entschieden, 1978 heirateten Heinrich und Karin Lutz.

So wurde Heinrich Lutz eben Pastoralreferent – ein Beruf, der mit ihm groß wurde. Bei seinem Abitur 1973 wurde der Beruf eingeführt, als er 1978 anfing zu arbeiten, gab es gerade mal 40 Pastoralreferenten im Südwesten, heute sind es 400. 1978 war aber auch das Jahr, in dem Johannes Paul II. Papst wurde. „Das war dann plötzlich wie eine Bremse“, erinnert sich Lutz. „Dem ganzen Aufbruch folgten nur Rückschritte.“ 1990 etwa wollte Rom den Laientheologen die Predigt von der Kanzel verbieten. „Die Kirche besteht aus Menschen, und Menschen machen Fehler“, sagt Lutz, auch im Blick auf die Debatten über Missbrauch in der Kirche und über Protzbischöfe.

„Die vielen positiven Seiten überwiegen jedoch“, war er immer überzeugt. Und an diesen positiven Seiten der Kirche wollte Heinrich Lutz sein Leben lang mitarbeiten, bis 1990 in Göppingen, seitdem in Weil der Stadt. Die „Gemeindeerneuerung“ nennt er sein wichtigstes Projekt, 1996 war das, als er viele Bibelarbeiten, Hauskreise und besondere Gottesdienste organisierte. „Zufällig wohne ich in Merklingen“, sagt er – so war er all die Jahre der erste Ansprechpartner für die Katholiken dort, in Münklingen, Hausen und Simmozheim. 1997 begleitete er in Merklingen zum Beispiel die Kirchenrenovierung, 2002 den Neubau der Orgel.

Nebenher unterrichtete Heinrich Lutz noch acht Stunden Religion am JKG und verwaltete den katholischen Kindergarten. Mit all dem ist jetzt Schluss. „Am meisten freue ich mich auf die freien Abende und die freien Wochenenden“, sagt er. Aber auch auf die Familie, die drei Enkel, die Hobbys in Haus und Garten. „Ich bleibe aber Pastoralreferent i.R.“, sagt er und lacht. „Also in Rufweite.“ Denn nicht nur sein Engagement, auch sein Beruf bleibt erhalten, zum Beispiel in Person seines Nachfolgers Joachim Scheu, der bisher als Seelsorger im Heimsheimer Gefängnis gearbeitet hat und jetzt im Mai in Weil der Stadt anfängt. Und auch das Lachen von Heinrich Lutz, das bleibt.