Gerhard Pees hat 40 Jahre in der Keplerstadt gelebt. Er hat dabei ein gutes Dutzend historischer Häuser aufgekauft, renoviert und wieder vermietet. Unter anderem das alte Spital sowie das Café und die Tourist-Info am Marktplatz.

Weil der Stadt - Gerhard Pees sitzt in seinem Penthouse im Stuttgarter Osten hinter dem SWR-Gebäude, der Blick reicht vom Rosensteinpark bis zur Villa Berg. Dass er hier seinen Ruhestand mit seiner Frau Annelie verbringt, war eigentlich nicht geplant. Der 71-Jährige wollte ursprünglich in Weil der Stadt, wo er 40 Jahre lang gewohnt hat, eine Senioren-WG gründen, doch er fand kein Grundstück dafür. Seiner alten Heimatstadt ist er aber auf vielfältige Weise verbunden. So vielfältig, dass er meistens zwei bis drei Mal in der Woche noch in der Keplerstadt weilt.

 

Vielleicht schließt sich aber so auch der Kreis, denn aufgewachsen ist Pees in Stuttgart-Sillenbuch. Im Jahr 1970 aber schon verschlug es den umtriebigen Selfmade-Mann ins schöne Weil der Stadt. „Das Städtchen hat mir gefallen“, sagt Pees schmunzelnd, der mit seiner Frau Annelie noch heute leidenschaftlich gerne reist, vor allem nach Asien, aber auch nach Südamerika. Seine Auslandsaufenthalte hat er übrigens in zwei Büchern autobiografisch aufgearbeitet – auch das ist eine weitere Facette an diesem vielseitigen Menschen. „Ungebremst vorbeigeschlittert“ nennt er eines der Bücher – ein Schuss Selbstironie, die Gerhard Pees ebenfalls auszeichnet.

Eine Heimat in Weil der Stadt gefunden

Aber zurück zu Weil der Stadt. Gerhard Pees hat eine Heimat gesucht, die Stuttgart ähnlich war. „Ein schöner Marktplatz und Berge drum herum“, das sei die Gemeinsamkeit gewesen. Gesagt, getan. Zunächst in Miete, wurde 1975 dann ein schönes Haus gebaut. Gerhard Pees war mehr als 40 Jahre lang selbstständig, nach seiner technischen Ausbildung bei der Firma Hesser, die heute zu Bosch gehört, hat er sich auf den Vertrieb von Verpackungsmaschinen aus Italien konzentriert. Dr. Oetker oder Langnese waren seine Kunden, Folien für Tiefkühlpizzas oder Spülmaschinen haben seine Geräte verarbeitet.

Es sind die vielen Hebel und Knöpfe, die Gerhard Pees fasziniert haben. „Ich habe ein erotisches Verhältnis zu Maschinen“, sagt der zweifache Vater und Großvater lächelnd. Schließlich war früher alles noch schön mechanisch. Die Geschäfte laufen gut, eine Tochter wird geboren, ein indisches Mädchen adoptiert, die junge Familie fühlt sich wohl in der Weiler Schwabstraße.

Bis ein schwerer Schicksalsschlag diese kleine, heile Welt erschüttert. Pees’ erste Frau stirbt 1980. Die jüngste Tochter ist erst drei Jahre alt. „Da ist erst einmal alles aus den Fugen“, erinnert sich der 71-Jährige. Schock, Trauer, Schmerz und Verzweiflung – zu diesen Gefühlen kommt die schwierige Lage. Zum Glück arbeitet Gerhard Pees von zu Hause aus, stellt später Mädchen im freiwilligen sozialen Jahr an.

Gerhard Pees versucht, wieder Wurzeln zu schlagen. Er heiratet erneut, doch diese Ehe ist nur von kurzer Dauer. Dann, 1985, lernt er Annelie kennen. „Meine Schwester hat uns verkuppelt“, sagt die resolute Frau lachend, die selbst aus einer Steinmetz-Familie im Schwarzwald kommt und als Schaufenster-Gestalterin arbeitet. Der Verkuppelungsversuch klappt. „Meine Schwester hatte ein gutes Händchen“, schmunzelt Annelie Pees. Die beiden haben sich auf Anhieb gut verstanden, auch die Kinder akzeptieren die dritte Frau von Gerhard Pees von Anfang an.

Standesgemäße Hochzeit in Schwarzwälder Jagdhütte

Und so wird 1987 eine standesgemäße Hochzeit gefeiert. Der Bürgermeister Friedrich Knoblauch traut die beiden im Weiler Rathaus, dann wird eine Jagdhütte im Schwarzwald angemietet, ein Reisebus bringt die Festgesellschaft an Ort und Stelle, elf Köche vom Hotel Bareiss in Baiersbronn werden hergefahren. „Wir wären gerne selbst Gäste gewesen“, sagen die beiden heute. „Sie zum ersten, er zum letzten Mal“, heißt das Motto für die Hochzeit. So kommt es dann auch – seit mehr als 30 Jahren sind beide ein glückliches Paar.

Doch die Geschichte wäre nicht vollständig erzählt, wenn nicht die wohl nach seiner Frau zweitwichtigste Leidenschaft von Gerhard Pees erwähnt wäre: die historischen Häuser. Wie kam das eigentlich? „Mich fasziniert die Geschichte der alten Gebäude“, wagt der 71-Jährige einen Erklärungsversuch. Jedenfalls muss Gerhard Pees im Jahr 1980 über den Weiler Marktplatz gelaufen sein und fand Brandruinen und verfallene Häuser vor.

So kaufte er erst das Gebäude Marktplatz 1. Er steckte viel Zeit hinein, seine Frau Annelie erwies sich als fähige Bauleiterin, die den Handwerkern auf die Finger schaut. Wie Pees so am Restaurieren war, wurde er gefragt, ob er nicht auch noch die Hausnummer 5 erwerben wolle. Das tat er dann auch und schuf Kleinode, historisch originalgetreu und dennoch bewohnbar. In einem Gebäude ist heute ein Café, in einem anderen die Tourist-Info.

So kamen immer mehr Häuser in der Weiler Altstadt dazu. Bis dann im Jahr 1996 das alte Spital abgebrannt ist. Eine Katastrophe für die Bürger. Wer sollte das Gebäude retten oder gar wieder aufbauen? Gerhard Pees juckte es in den Fingern. „Ich habe 14 Tage geschwiegen, dann habe ich es meiner Frau erzählt“, erinnert er sich. Ja, es war eine große Investition, von der klar war, dass sie niemals Gewinne abwirft. „Ein Wahnsinn“, sagt er heute.

Unterstützung durch die Stadt

Doch es wurde Wirklichkeit. Viele, viele Menschen haben mitgeholfen. Die Stadt hat ihn unterstützt. Manche Überraschung brachten die Bauarbeiten – etwa alte Stelzen aus dem Jahr 1346, denn das Gebäude musste im Schwemmland der Würm vor 650 Jahren schon abgestützt werden. „Allein die Untersuchungen haben 150 000 Euro gekostet“, sagt Pees. Der Denkmalschutz kam dazu. Schließlich im Jahr 2000 war alles fertig. Ein Bildband dokumentiert die wechselvolle Geschichte – den Pees natürlich auch herausgegeben hat.

Das letzte Objekt, die Pforzheimer Straße 13, wird in Kürze abgeschlossen. Erst jetzt, mit 71 Jahren, ist der Hunger nach neuer alter Bausubstanz gestillt. Ein Hausmeister und ein Hausverwalter kümmern sich um den Alltag – aber natürlich sind die beiden immer wieder bei ihren „Schätzen“ in der schönen Altstadt. Oder sie engagieren sich im Weiler Kunstforum, das Pees einst ins Leben gerufen hat. Auch die Geschichte wäre es wert zu erzählen. Langweilig wird es dem Mann wohl niemals.