Weil er einen 19-Jährigen krankenhausreif schlug, muss sich ein Mechaniker-Azubi wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Sein Kumpel hielt ihm den Rücken frei und landet wegen Beihilfe auf der Anklagebank.

Weil der Stadt/Böblingen - Als der Angeklagte auf ihn eingetreten hat, so schilderten es Augenzeugen, bettelte das Opfer um sein Leben, und der Nebenklägervertreter konstatierte: „Das Gesicht meines Mandanten sah am Ende aus, als wäre eine Dampfwalze darüber gefahren.“

 

Eine heftige Prügelattacke auf einen 19-Jährigen im September brachte nun zwei Mechaniker-Azubis aus Weil der Stadt auf die Anklagebank des Böblinger Jugendschöffengerichts. Der 20-jährige Schläger kam wegen gefährlicher Körperverletzung noch glimpflich davon, die Verhängung der Jugendstrafe wurde zu einer zweijährigen Bewährung ausgesetzt. Dafür muss er 1500 Euro Schmerzensgeld bezahlen. Sein 18-jähriger Kumpel, der die Freundin des Opfers daran gehindert hatte, die Polizei anzurufen, wurde wegen Beihilfe zu einem Bußgeld in Höhe von 750 Euro verdonnert.

Bis heute leidet der Geschädigte laut eigener Aussage unter psychischen Problemen. Der 19-Jährige, der als Nebenkläger in der Verhandlung auftrat, berichtete von Schlafstörungen und Angstzuständen, die ihm noch immer zu schaffen machen. „Wenn ich aus dem Haus gehe, fühle ich mich nicht mehr sicher“, gestand der Weil der Städter, der damals mit mehreren Platzwunden und einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert wurde.

Opfer lässt die Fäuste zuerst fliegen

Doch dass die zunächst verbale Auseinandersetzung nach einer durchzechten Nacht am Weiler Bahnhof eskalierte – die beiden Raufbolde waren sich offenbar seit einem früheren Streit ohnehin nicht grün – daran war der 19-Jährige selbst nicht ganz unschuldig. Denn schließlich ließ er als erster die Fäuste fliegen. Nachdem sich der 20-Jährige mehrere Schläge ins Gesicht einfing, teilte auch er seinerseits ordentlich aus und traktierte ihn mit Fausthieben, bevor er später auf ihn eintrat, als dieser am Boden lag.

Weil er auch dann nicht von dem 19-Jährigen abließ, versuchte eine Freundin des Opfers die Polizei zu alarmieren. Daran gehindert wurde sie allerdings von einem Kumpel des 20-Jährigen , der ihr nach einem kurzen Wortwechsel mit einem Beamten das Handy aus der Hand riss. Immerhin reichte es ihr, den Tatort durchzugeben, sodass die Polizei wenig später am Bahnhof eintraf.

Dass die Aggression von dem 19-Jährigen ausging – und dafür sprachen nicht zuletzt die Verletzungen im Gesicht des Angeklagten – legte der Jugendrichter Günter Scheible dann auch bei der Strafzumessung zugunsten des 20-Jährigen aus. „Sie können froh sein, dass die Folgen für das Opfer nach den Tritten gegen seinen Kopf nicht dramatischer waren“, sagte der Richter, der den jungen Mann einem Bewährungshelfer unterstellte und ihm einen sozialen Trainingskurs auferlegte. Von einer „unrühmlichen Rolle“ sprach er bei seinem Komplizen. „Es ist zwar keine Garantenpflicht, dass man bei einer Schlägerei dazwischen geht, aber man kann erwarten, dass man nicht jemanden daran hindert, Hilfe zu holen.“

Täter-Anwalt hält Schmerzensgeld für ausreichend

Auf Anraten der Jugendgerichtshelferin wendete er das Jugendstrafrecht nicht nur beim Strafmaß für den damals 17-jährigen Mittäter an. Auch bei dem zur Tatzeit 19 Jahre alten Weil der Städter, der schon früher wegen Diebstahls und Körperverletzung vor Gericht stand, sah er angesichts dessen Entwicklungsdefizite und der unter Alkoholeinfluss begangenen Tat das geeignete Mittel darin. Einen einwöchigen Warnschussarrest, wie ihn die Staatsanwältin gefordert hatte, erachtete er indes nicht als notwendig.

Der Anwalt des Schlägers zweifelte an den Tritten seines Mandaten gegen den Kopf des Opfers, der sich eigener Aussage nach mit den Händen schützte, doch bei der Untersuchung im Krankenhaus keine Verletzungen an diesen aufwies. Er hielt ein Schmerzensgeld für ausreichend. Bedenken äußerte auch der Anwalt des wegen Beihilfe angeklagten 18-Jährigen. Weil die Polizei verständigt werden konnte, plädierte er auf Freispruch.

Bei der Beweisaufnahme fiel es selbst dem erfahrenen Jugendrichter schwer, die Nerven zu behalten. Denn die geladenen Zeugen schienen es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen. Stattdessen brachten sie mit gegenseitigen Anschuldigungen und Schutzbehauptungen die Verfahrensbeteiligten auf die Palme. Die aufgeheizte Stimmung übertrug sich auch auf die Zuschauerränge und fand kurz vor der Urteilsverkündung ihren unrühmlichen Höhepunkt, als Familienmitglieder die Sache kurzerhand vor der Tür „klären“ wollten.