Im Strohgäu fordern Bürger mehr Sicherheit im Verkehr. Doch der Wunsch bleibt ein Wunsch, wenn die Behörden eine Veränderung mit Verweis auf die Gesetze oder gar den „fehlenden Mehrwert“ ablehnen.

Strohgäu - Manchmal bleibt der Wunsch ein Wunsch. Zum Beispiel, wenn die Fußgänger mehr Sicherheit im Straßenverkehr wollen, die Behörden eine Veränderung aber mit Verweis auf die Gesetze oder gar den „fehlenden Mehrwert“ ablehnen. Und manchmal behelfen sich die Bürger dann eben selbst.

 

Hemmingen: Der Schulweg bereitet Bauchweh

Nadja Albrecht und Anna Degebrodt sind aufgewühlt. Wie viele andere Mütter auch sorgen sich die Hemmingerinnen um ihre Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren. Und zwar immer dann, wenn diese zur Grundschule laufen. Sobald die Frauen an die Verkehrssituation in der Hochdorfer Straße rund um den Bahnhof und damit an den Schulweg ihrer Kinder denken, sprechen sie von „saugefährlich“, „unverantwortlich“ und „Harakiri“ – und fordern deshalb einen Fußgängerüberweg. Die Fraktionen im Gemeinderat und der Bürgermeister Thomas Schäfer unterstützen diese Forderung zwar, doch das zuständige Ludwigsburger Landratsamt stellt sich bisher quer. Um Druck aufzubauen, haben Bürger jetzt eine Petition gestartet. Den Brief, unterzeichnet von 300 Bürgern, reicht Schäfer bei der übergeordneten Behörde, dem Verkehrsministerium, ein.

Die Strecke von der Bahnhofstraße zur Grundschule ist zwar als sicherer Schulweg ausgewiesen. Dafür müssen die Kinder aus den nördlich gelegenen Wohngebieten die Hochdorfer Straße aber überqueren – und das bereitet den Eltern Bauchweh. So sehr, dass sie ihre Kinder begleiten. „Die Lage ist unübersichtlich, und auf der Straße gilt Tempo 50“, kritisiert Albrecht. Den Zebrastreifen einige Meter weiter nutzten kaum Kinder. Der Schulweg verlängert sich um rund 100 Meter, außerdem ist der Umweg ebenfalls gefährlich, sagen die Eltern. Die Kinder müssen erst an der Bushaltestelle vorbei. „Dort stehen zeitweise viele Menschen, weshalb die Kinder aus Furcht die Fahrbahn betreten“, sagt Albrecht. Der Gehweg nach dem Zebrastreifen sei sehr schmal. „Stehen dann noch Mülltonnen im Weg, laufen die Kinder wieder auf der Fahrbahn“, ärgert sich Albrecht. Sie wirft dem Landratsamt Untätigkeit vor. Es wisse um die Situation seit mehr als einem Jahr. Zwei Verkehrsschauen hat es schon gegeben.

Zu wenig Platz

Eine Ampel ist aus Sicht des Landratsamt problematisch wegen der „unmittelbaren Nähe zum Bahnübergang“. „Fußgängeranlagen, die einen Einfluss auf den Bahnübergang haben, müssen in die Bahnüberwachung und Bahntechnik integriert werden“, sagt der Sprecher Andreas Fritz. Das sei teuer und führe zu einer Verlängerung der Sperrzeiten des Bahnübergangs, um Stau der Autos auf dem Bahnübergang zu vermeiden. „Die Schranken des Bahnübergangs werden länger geschlossen bleiben, was zu Behinderungen führen kann“, sagt Fritz. Ein Abrücken der Signalanlage vom Bahnübergang sei aufgrund der Platzverhältnisse „extrem schwierig“. Die Prüfung durch das Landratsamt läuft aber noch. Im nächsten Frühling wird es laut Fritz Fahrzeug- und Fußgängerzählungen geben. Für einen Zebrastreifen müssen laut einer Richtlinie pro Stunde mindestens 50 bis 100 Passanten an der jeweiligen Stelle über die Straße laufen.

Der Hemminger Bürgermeister begrüßt eine Ampel nicht nur wegen der Sicherheit der Kinder, sondern auch der Busfahrgäste. „Wir haben am Bahnübergang eine insgesamt schwierige Gemengelage, da macht ein besserer Übergang Sinn“, sagt Thomas Schäfer. Deshalb sei er grundsätzlich bereit, Geld für die Ampel in die Hand zu nehmen. Weil die Hochdorfer Straße aber eine Landesstraße ist, sieht er das Land finanziell mit in der Pflicht.

Korntal-Münchingen; Keine Ampel, kein Zebrastreifen

Die Bürger im Korntal-Münchinger Stadtteil Münchingen müssen die Hoffnung auf eine solche Ampel am Bahnübergang Stuttgarter Straße indes begraben. Zu teuer, winkte die Verwaltung Ende November mit Blick auf Gesamtkosten von fast 200 000 Euro ab. Da ein Gutachten die Notwendigkeit der Ampel nicht bestätigte und daher die Beteiligung des Landes fraglich ist, müsste die Stadt die Hälfte der Kosten schultern, den Rest würde wohl die Württembergische Eisenbahn-Gesellschaft (WEG) übernehmen. An ihrem Beschluss hält die Verwaltung auch deshalb fest, weil sie in einer zweiten Querungshilfe „keinen Mehrwert“ erkennt. Die Leute suchten sich ihren Weg, um über die viel befahrene Stuttgarter Straße zu kommen. Außerdem gebe es 65 Meter entfernt vom Bahnübergang auf Höhe des Lidl-Marktes schon eine Querungshilfe in Form einer Mittelinsel. Ein Zebrastreifen ist verboten, weil zu wenige Passanten jene Stelle überqueren.

Zurück bleiben enttäuschte Bürger, die bis zuletzt für eine Lösung gekämpft haben. Denn aus ihrer Sicht ist der Bereich bei den Bahngleisen „stark frequentiert“, besonders durch Schüler. Die Stelle gilt zwar nicht als Unfallschwerpunkt. Doch geht es nach den Anwohnern, sollte man „nicht immer so lange warten, bis etwas passiert“, sagt die Sprecherin der Agendagruppe „Lebenswertes Münchingen“, Ursula Schill.

Ditzingen: Querungshilfe widerspricht dem Ziel

Nicht enttäuscht, vielmehr verärgert sind etliche Ditzinger Stadträte über die Verkehrssituation in der Marktstraße. Immer wieder berichten sie von Autos, die viel zu schnell in der Tempo-20-Zone fahren, von Fußgängern, denen in den Hauptverkehrszeiten nur noch übrig bleibt, die Straße rennend zu queren, von Rollstuhlfahrern, die die Stelle meiden. Dabei war der innerörtliche Bereich nach dem Bau der Westrandstraße aufgewertet worden, um die Lebensqualität in dem Ortsteil sowie das Handelszentrum der Gesamtstadt zu stärken.

Im Ditzinger Rathaus verwies man aber immer wieder darauf, dass an dieser Stelle keine Fußgängerüberwege angelegt werden könnten. Schließlich handle es sich um einen verkehrsberuhigten Geschäftsbereich. Und dieser sei ja gerade deshalb angelegt worden, um an jeder beliebigen Stelle über die Straße gehen zu können. Ein Fußgängerüberweg zum sicheren Queren an einer definierten Stelle, der dann auch zwingend genutzt werden müsse, widerspreche dem Ziel eines verkehrsberuhigten Geschäftsbereichs.

Weder Geschwindigkeitsmessung noch Unfallstatistik ergaben Auffälligkeiten. „Es gibt somit aus Verkehrssicherheitsgründen keinen Anlass, an der bestehenden Regelung etwas zu ändern“, teilte das Rathaus den Stadträten im Herbst mit. Die Sozialdemokraten hatten die Umwandlung des Gebiets in eine Tempo-30-Zone beantragt. Weil stark befahrene Straßen keine Tempo-30-Zonen sein dürften, seien Fußgängerüberwege „im Regelfall entbehrlich“. Zudem dürften Fußgängerüberwege nach einem Erlass des Landesverkehrsministeriums nicht in der Nähe von Ampeln angelegt werden – was dort der Fall wäre. Ganz gleich, ob in der Marktstraße inzwischen mehr Verkehr ist als vor dem Bau der Westumfahrung: Die Ditzinger denken nun über einen Innenstadtring nach.