Erst ab den Halbfinals werden die Spiele beim Jugend Cup in Rutesheim von einem Stuhlschiedsrichter geleitet. Bis dahin regeln die Jungs und Mädchen das Geschehen auf dem Platz in Eigenregie. Nur wenn sie sich nicht einig sind, holen sie Hilfe.

Rutesheim - Es ist einige Jahre her, als John McEnroe, ehemaliger US-amerikanischer Tennis-Profi, der seinen Sport in der ersten Hälfte der 80er Jahre dominiert hatte, beklagte, dass Tennis zu langweilig geworden sei. Ihm fehlten Emotionen und unbequeme Typen auf dem Platz. Er selbst präsentierte sich nicht selten als Rüpel, beleidigte auch mal die Schiedsrichter, zertrat Schläger, erntete dafür Buhrufe, was ihn noch mehr beflügelte. Emotionen zeigte bekannterweise auch Boris Becker, er haderte dabei meist mit sich selbst. Dafür liebten ihn die Zuschauer.

 

„Emotionen sind gut, sie dürfen sein und man muss sie auch rauslassen können“, sagt Norbert Peick, sportlicher Leiter beim Jugend Cup in Rutesheim und Renningen, „die Spieler dürfen aber nicht den Respekt vor dem Gegner und vor dem Match verlieren“, sagt er, während er mit Argusaugen das Geschehen auf den Plätzen beobachtet. „Heute ist es hier ein wenig unruhig. Da müssen wir gut aufpassen.“ Auf dem Court gleich nebenan ärgert sich lautstark in seiner Landessprache ein russischer Spieler der Altersklasse U 14 nach jedem misslungenen Schlag. „Wenn er alleine auf dem Gelände wäre, könnte er das ja machen, aber er muss auch Rücksicht auf die anderen Kollegen nehmen“, sagt Peick, der sich nicht lange dieses Schauspiel anschaut. Nach dem ersten Satz – den der Russe ganz knapp gewinnt – geht der Unparteiische zu ihm hin und spricht Klartext. Wenig später begeht der 14-Jährige eine weitere Regelwidrigkeit, wird von Peicks Kollegem noch einmal ermahnt. Dann kehrt Ruhe ein und das Match wird ohne weitere Unterbrechungen zu Ende geführt. „Wenn nicht fair gespielt wird, versuchen wir das bereits im Keim zu ersticken, unsere Aufgabe ist es, da einzugreifen, wo es kritisch werden könnte und wenn nötig, die Spieler wieder einzunorden“, sagt Norbert Peick.

Der Fellbacher, der aus Bayern stammt, besitzt die höchste Schiedsrichterzertifizierung in Gold, ist üblicherweise weltweit bei Top-Turnieren unterwegs. Er war Oberschiedsrichter beim Davis Cup Finale 2001 und 2003, bei den Olympischen Spielen in Sydney und Athen und bei mehr als 30 Grand-Slam Turnieren. Eine Ausnahme macht der 58-Jährige, der Geschäftsführer einer Agentur für Sportveranstaltungen ist, seit Jahren beim Jugend Cup. „Der ist ja quasi vor der Haustür, und er macht großen Spaß.“

In Rutesheim hat er an diesem Turniertag die Unterstützung von vier Schiedsrichtern – unter anderem ist auch der Rutesheimer Kai Koske im Einsatz. Der zieht es bei einem Match am Vormittag vor, die gesamte Partie über an der Linie präsent zu sein, nachdem er schon mehrere Male bei Unstimmigkeiten eingreifen musste. Diese Partie hat ohnehin schon ungut begonnen, nachdem einer der Spieler ermahnt werden musste, sein Shirt zu wechseln. Werbung darauf ist bei internationalen Turnieren nur in begrenztem Maße erlaubt. Und diese Grenze hatte der junge Akteur eindeutig überschritten. Immer wieder ist die Meinung der Unparteiischen gefragt. Oft geht es darum, ob ein Ball im Aus ist – oder die Linie noch berührt hat. „Wir lassen uns die Situation erklären und treffen dann eine Entscheidung und nehmen damit die Spannung aus der Situation“, sagt Peick, der früher selbst Tennis spielte, es dann aber vorzog, nach einem abgebrochenen Jura-Studium seine Laufbahn auf den Plätzen dieser Welt als Schiedsrichter fortzuführen.

Erst ab den Halbfinals werden die Spiele von einem Stuhlschiedsrichter geleitet. Bis dahin regeln die Jungs und Mädchen das Geschehen in Eigenregie. „Fairness und Sportlichkeit sind zwei Dinge, die die Kinder für ihre weitere Karriere lernen müssen“, sagt Norbert Peick. „Wenn einer einen Doppelfehler macht und sein Gegner feiert das – das geht beispielsweise gar nicht.“ In der Regel wüssten die Kinder, wie sie sich auf dem Platz zu verhalten haben. Peick kennt aber auch seine „Pappenheimer“, beobachtet diese ganz genau. Und manchmal sind es auch die Trainer, Betreuer oder Eltern, die ein mahnendes Wort brauchen.