Mehr als ein Drittel der Belegschaft tritt in den Ausstand – ein Haustarifvertrag von 2017 berechtigt sie dazu.

Rutesheim - Bei Voith Turbo und Hydraulik in dem Rutesheimer Gewerbegebiet Schertlenswald ist die Woche mit einem Warnstreik ausgeklungen. Mehr als 60 der rund 170 Mitarbeiter haben am Freitagvormittag an einer Kundgebung der IG Metall in der gesperrten Siemensstraße teilgenommen, bevor sie sich nach dem Warnstreik mit Frühschluss auf den Heimweg machen konnten.

 

„Heute ist für uns ein wichtiger Tag, denn zum ersten Mal sind wir mittendrin anstatt nur am Rande dabei“, sagte der örtliche Voith-Betriebsratsvorsitzende Engin Oguz. Denn zum ersten Mal dürfen auch die Rutesheimer Mitarbeiter des weltweit agierenden Technologiekonzerns an einer Streikaktion teilnehmen. Nach zehnmonatigen Verhandlungen des Betriebsrates und der IG Metall mit dem Arbeitgeber gilt seit dem 1. April 2017 auch für die Rutesheimer Beschäftigten des Herstellers von Antriebs- und Steuerungstechnik ein Haustarifvertrag. Der gleicht das Lohnniveau binnen fünf Jahren fast komplett an. Zudem ist die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich auf 38 Stunden die Woche gesunken.

„Bisher sind andere für uns auf die Straße gegangen“

„Wir haben lange dafür gekämpft, deshalb wollen wir nun der IG Metall für ihre Unterstützung auch etwas zurückgeben, denn bisher sind andere für uns auf die Straße gegangen“, sagt Marcel Bäuerle, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei Voith Turbo in Rutesheim. Bis 2004, als es zum Voith-Konzern überging, war das 1965 von Hans Hartmann und Franz Lämmle gegründete Unternehmen für seine für den Maschinenbau und Blech- und Materialbearbeitung bestimmten Produkte bekannt.

„Wir wollen natürlich mehr Geld und weniger arbeiten, aber deshalb haben wir kein Luxusproblem, wie man uns vorwirft, wir wollen nur bezahlt werden für das, was wir leisten“, sagt Oguz. „Wir bringen Gewinn und Umsatz, da sind wir auch berechtigt ein Stück vom Kuchen zu bekommen.“

Niemand könne der Belegschaft vorwerfen, unflexibel zu sein. Als 2017 ein großer und wichtiger Auftrag einging, sei, wann immer es darauf ankam, Samstagsarbeit, Mehrarbeit, ja sogar Schichtarbeit kein Thema gewesen. „Wir sind immer bereit gewesen und sind es immer noch, denn wir arbeiten gerne bei Voith“, sagte der Betriebsratsvorsitzende bei der Kundgebung vor dem Firmengebäude.

Flexibilität der Arbeitgeber wird gefordert

Nun sei es auch für die Arbeitgeber an der Zeit, Flexibilität zu zeigen. „Deshalb stehen wir jetzt auch alle hier und kämpfen für die Forderung unserer Gewerkschaft nach mehr selbstbestimmter Arbeitszeit, damit wir mehr Zeit mit unseren Familien verbringen können“, sagte Engin Oguz.

„Ob nun die Wirtschaft seit acht Jahren gut läuft, oder die Zeichen schlechter stehen, für die Arbeitgeber ist es nie der richtige Zeitpunkt, dass wir nach mehr Geld verlangen“, forderte der IG Metall-Gewerkschaftssekretär Michael Kocken die Streikenden zum Durchhalten auf. „Was haben die Verhandlungen bisher gebracht – nichts“, so der Gewerkschaftler. Deshalb werde vorerst bis zum 24. Januar gestreikt. „Es war zwar der erste Warnstreik hier, aber wohl nicht der letzte, geschenkt bekommen wir nichts“, gab er den Teilnehmern an der Kundgebung mit auf den Weg.