Bei den Funktionären aus der SPD und der CDU in der Region gibt es unterschiedliche Reaktionen auf die Groko-Einigung.

Leonberg - Ich sehe die Große Koalition sehr kritisch“, sagt Christa Weiß, die SPD-Fraktionsvorsitzende im Leonberger Gemeinderat. „Die Sache ist auch durch die langen Verhandlungen nicht besser geworden.“ Es sei dank der SPD einiges Gute für die Bürger dabei, aber vom Grundsatz her, sei vieles noch fragwürdig. „Das Ganze ist mehr, die CDU zu retten, als etwas Gutes für das Land“, sagt Christa Weiß, die dafür auch mit vielen Parteigenossen im Clinch ist. Es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben, etwa eine Minderheitsregierung. „Wer gute Gesetze vorlegt, der bekommt auch dann eine Mehrheit, also wäre es an der Zeit gewesen, etwas Neues auszuprobieren“, sagt Christa Weiß.

 

Leonberg ist gespalten

Für die Große Koalition spricht sich die Leonberger SPD-Ortsvorsitzende Elviera Schüller-Tietze aus. „Es war richtig wieder einzusteigen, denn die SPD kann ihre Ideen nur verwirklichen, wenn sie auch mitregiert.“ Aber in Zukunft müsse die Kommunikation mit der Parteibasis und den Wählern verbessert werden, sagt sie in Richtung Berlin. „Ich schätze, dass bei der Mitgliederbefragung am Ende des Monats sowohl in Leonberg als auch insgesamt, die Mitglieder für die Große Koalition stimmen werden“, ist die Ortsvorsitzende optimistisch. Auf der jüngsten Mitgliederversammlung haben 16 für die Große Koalition gestimmt, sieben dagegen und vier haben sich der Stimme enthalten.

„Die Groko ist eigentlich mit dem Platzen der Jamaika-Koalition zur Pflicht geworden“, sagt Tommy Scheeff, SPD-Stadtrat und Ortsvereinsvorsitzender in Rutesheim. Das auch vor dem Hintergrund, dass er nichts von einer Minderheitsregierung halte, begründet Scheeff. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass künftig Regierungsmehrheiten nur mit mehr als zwei Parteien erreichbar sind, unser Verfassungssystem ist dafür angelegt“, ist der SPD-Politiker überzeugt.

Ähnlich betrachtet es Reinhard Händel, Vorsitzender der SPD in Renningen. „Ich glaube, es war richtig, nachdem Jamaika gescheitert ist, dass die SPD in die Verhandlungen gegangen ist. Es gab keine Alternative.“ Im Koalitionsvertrag sehe er viele gute und wichtige Punkte, für die die SPD eingestanden ist, sowohl für junge Menschen – Stichwort: mehr Bafög – als auch für Ältere bei der Rente. Am wichtigsten sei jetzt, dass CDU und SPD eine stabile Regierung bilden. „Die erwarten die Menschen, vor allem hier, aber auch im Ausland.“

In Weil der Stadt ist die Stimmung gespalten. „Die eine Hälfte war bei unserer jüngsten Mitgliederversammlung für die Groko, die andere Hälfte dagegen“, sagt der Ortsvereinsvorsitzende Felix Henn. „Wir haben ziemlich lang diskutiert. Er selbst will zwar den Koalitionsvertrag erst lesen, ist aber eher skeptisch. „Mir geht es darum, den Wählerwillen zu respektieren – und das heißt, dass die SPD in die Opposition gehört“, sagt der 27-Jährige. Die eigentliche Diskussion steht der Weil der Städter SPD jetzt aber erst bevor. „Schon beim letzten Mitgliederentscheid haben wir Veranstaltungen gemacht, bei denen wir uns über den Koalitionsvertrag informiert haben“, sagt Henn. „Das wird es dieses Mal auch wieder geben.“ Dass diese Art von Mitbestimmung ankommt, spürt die Weil der Städter SPD jedenfalls. Acht Eintritte hat es seit Jahresbeginn hier schon gegeben.

„Man kann nur froh darüber sein, dass endlich ein Ergebnis auf dem Tisch liegt und die zähen Verhandlungen abgeschlossen sind“, sagt Oliver Zander, der Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes Leonberg und Gemeinderat. Es sei verwunderlich, wie lange alles gedauert hat. „Ob das wohl damit zusammenhängt, dass es uns so gut geht wie noch nie?“, fragt sich Zander. In einer Krisensituation hätten wohl alle zusammengestanden. „Jetzt besteht die Gefahr, dass viel Geld verteilt wird“, befürchtet er. Auch gute Zeiten seien endlich und eigentlich da, um für weniger gute vorzusorgen. „Dafür wird zu wenig getan“, ist der Leonberger CDU-Chef enttäuscht.

Ist es der große Wurf?

Auch Arno Pfleghar, Vorsitzender der CDU in Renningen, betrachtet die Situation nicht gerade überschwänglich. „Dass bei den Verhandlungen der ,große Wurf’ herauskommt, war ja nicht zu erwarten, dazu war der Druck zu groß, endlich zu einem Ergebnis zu kommen.“ Eine große Überraschung sei für ihn, dass die CDU/CSU sich wichtige Schlüssel-Ministerien habe abnehmen lassen. Insgesamt müsse man mit dem Verhandlungsergebnis bei der derzeitigen Lage aber zufrieden sein. Gleichzeitig setzt er ein großes Fragezeichen hinter die Zukunft der Koalition: „Ob die SPD-Basis dem zustimmt, ist die weitaus größere Frage, und da sehe ich schwarz.“

Bei der Weil der Städter CDU ist die Trauer um Jamaika immer noch groß. „Diese Koalition hätten wir gerne gehabt“, sagt der Weiler CDU-Vorsitzende Joachim Oehler. Jetzt sei es ein wenig so wie beim VfB. „Die Stimmung ist schlecht, aber das heißt auch, dass viel Luft nach oben ist“, sagt der Weiler CDU-Mann. Auch wenn die CDU-Mitglieder nicht über die Koalition abstimmen dürfen, ist die Regierungsbildung im Ortsverein Thema Nummer 1, etwa beim Neujahrsempfang. Dass er nicht abstimmen darf, bedauert Oehler nicht. „Wir wählen ja nicht umsonst Funktionäre, damit sie unsere Interessen vertreten.“

„Eine große Koalition verspricht Stabilität und Kontinuität und vor dem Hintergrund insbesonders der außenpolitischen Herausforderungen“, sagt Marius Mann, der der Weissacher CDU vorsteht. Skeptisch ist er aber, ob eine Groko wirklich alle Herausforderungen, etwa die Digitalisierung, oder die Zukunft der automobillastigen Wirtschaft bewältigen kann.