Ursula Groß hat ein modernes Pflege-Unternehmen geschaffen. Jetzt geht sie in den Ruhestand.

Weil der Stadt - Mit wehendem Kittel knattert sie auf ihrem Moped übers Land und hilft ihren Patienten in allen Lebenslagen. Diese Zeiten, als sich die evangelischen Diakonissen aus Schwäbisch Hall um die Alten, Kranken und Behinderten in der Stadt kümmerten, sind endgültig vorbei. Dass die Weil der Städter Sozialstation mittlerweile als modernes Unternehmen rund um das Thema Pflege und Gesundheit firmiert, das ist vor allem Ursula Groß zu verdanken. „Ja, es ist sehr viel sehr gut gelungen“, sagt sie mit einem zufriedenen Lächeln wenn sie an die vergangenen elf Jahre zurückdenkt.

 

Seit 2006 hat sie die Weiler Sozialstation geleitet, jetzt hat sich Ursula Groß in den Ruhestand verabschiedet. Und was sie in der Zwischenzeit alles an ihrer Sozialstation verändert hat, das lässt sich an den bloßen Parametern ablesen. Mit zwölf Pflegerinnen und etwa 100 Patienten ist sie gestartet. Heute arbeiten bei der Sozialstation 45 Mitarbeiter, die 220 Kunden betreuen. Aber vor allem an der Struktur musste Ursula Groß tüfteln, als sie nach Weil der Stadt gekommen ist.

Seit 1978 eine Einrichtung der Stadt

Denn nicht umsonst hat man damals eine erfahrene Betriebswirtin berufen. Seit 1978 war die Sozialstation eine Einrichtung der Stadtverwaltung, die Arbeit war aber – spätestens mit Einführung der Pflegeversicherung –immer komplexer geworden; das Geld, das die Stadt in ihre Sozialstation zuschießen musste, immer mehr geworden. Zwei Jahre nachdem Ursula Groß nach Weil der Stadt gekommen war, wandelte sich die Sozialstation daher in eine GmbH mit drei Gesellschaftern. Die Stadt, die Keppler-Stiftung und die beiden Kirchengemeinden sind seitdem zu je einem Drittel beteiligt.

„Als Geschäftsführerin einer Gesellschaft habe ich viel schnellere, kürzere und effizientere Entscheidungswege“, erklärt Ursula Groß. Zudem habe die Sozialstation nur examinierte Pflegefachkräfte beschäftigt. Daneben gab es den Verein „Nachbarschaftshilfe“, der haushaltsnahe Dienstleistungen anbot. Heute bietet die Sozialstation das alles aus einer Hand an, sie beschäftigt nicht nur Pflegefachkräfte, sondern auch Hauswirtschafterinnen, Betreuungsassistenten und angelernte Kräfte – und kann so unterm Strich wirtschaftlich arbeiten.

„Bis 2008 mussten sogar die Fördervereine noch Geld ins operative Geschäft zuschießen“, erinnert sich Ursula Groß. Seit 2010 nun steht die Sozialstation finanziell auf eigenen Füßen. Die Zahlen stimmen – und einen Zahlenmensch wie Ursula Groß freut das am allermeisten, wenn sie sich jetzt in den Ruhestand verabschiedet. Gebürtig stammt sie aus Westfalen, seit 1972 ist sie aber im Schwabenland. Ursprünglich arbeitete die studierte Betriebswirtin im Baugewerbe, während der Elternpause hat sie dann aber ehrenamtlich in Backnang eine Nachbarschaftshilfe aufgebaut.

Alles braucht Struktur

So schlitterte sie in den sozialen Bereich hinein. „Verwaltungstätigkeiten gehören in der Pflege genauso dazu“, sagt sie. Struktur brauche es, damit die Pfleger ungestört arbeiten können. Bei einer Sozialstation bekommen die Bürger alle Dienstleistungen, die sie brauchen, wenn sie pflegebedürftig sind, aber dennoch zu Hause wohnen bleiben möchten. Und dieser Bereich ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen.

Und Ursula Groß hat das aktiv mitgestaltet. Dass sie ihren Mitarbeitern eine ständige Weiterqualifizierung ermöglichen konnte, darauf ist sie besonders stolz. „Wir haben mittlerweile eine Palliativ-Care-Fachkraft“, nennt sie ein Beispiel. „Sie hilft den Menschen, zu Hause sterben zu dürfen, wenn sie das möchten.“ Das unterstützt die Palliativ-Fachkraft, indem sie zusammen mit den Ärzten Schmerztherapien betreut. Auf dem Moped kommt diese Fachkraft nicht mehr unbedingt angefahren – aber immer noch mit der gleichen Sorgfalt und Hingabe, wie die damaligen Diakonissen. Darauf hat Ursula Groß immer geachtet.

Interview mit dem Nachfolger Martin Weweler

Martin Weweler stammt aus Gütersloh (Ostwestfalen), hat in Düsseldorf Sozialwissenschaften studiert und seit 2014 im Sindelfinger Entwicklungszentrum „Gut altwerden“ gearbeitet. Jetzt ist er Geschäftsführer der Weil der Städter Sozialstation.

Herr Weweler, Sie sind studierter Sozialwissenschaftler. War die Geschäftsführung einer Sozialstation also immer Ihr Ziel?
Nein, gar nicht. Nach dem Studium habe ich zunächst eine wissenschaftliche Laufbahn angestrebt. Nebenher habe ich ehrenamtlich Zeit mit dementen Frauen verbracht und sie betreut. So bin ich auf den sozialen Bereich aufmerksam geworden und kam auf die Idee, hier zu arbeiten.
Dabei arbeiten Sie jetzt als Geschäftsführer gar nicht direkt mit den Patienten?
Es braucht die Arbeit im Büro, damit die Arbeit vor Ort funktioniert und zu finanzieren ist. Das gibt der Arbeit schon Sinn.
Wie haben Sie die Weiler Sozialstation in den vergangenen Monaten kennen gelernt?
Alles ist hier sehr lebendig, und die Mitarbeiter sind hoch motiviert. Die Leute greifen sich gegenseitig unter die Arme – wenn jemand krank wird, findet sich erstaunlicherweise immer ein Kollege, der einspringt. Es herrscht also ein gutes Miteinander.
Gibt es etwas, das Sie anders machen wollen?
Jetzt nehme ich mir erst einmal die Zeit, die Mitarbeiter ausführlich kennen zu lernen. Dabei stelle ich natürlich das eine oder andere auf den Prüfstein. Ich habe schon Ideen, wie wir zukünftig unser Spektrum erweitern können. Zum Beispiel gibt es bei Pflegekursen eine gesetzliche Neuregelung. Alle Angehörigen von pflegebedürftigen Patienten haben einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kurs, bei dem sie lernen, wie Pflege geht. Da sind wir derzeit dabei, solche Kurse zusammen mit der AOK aufzubauen.
Welche Rolle soll die Sozialstation zukünftig hier in Weil der Stadt spielen?
Wir sind Ideengeber in vielen Bereichen. Wir sind Teil eines Netzwerks, und das wird tatkräftig gelebt. Zum Beispiel, wenn es um alternative Wohnformen für Senioren geht. Der Stadtseniorenrat bearbeitet dieses Thema und wir als Sozialstation bringen unsere Erfahrung mit ein. Denn neben der stationären Pflege im Heim gibt es für Senioren viele weitere Möglichkeiten – etwa Senioren-WGs, ambulante Wohngruppen.