Roland Bernhard und der medizinische Geschäftsführer des Klinikverbundes versuchen, Druck aus dem Kessel zu nehmen.

Leonberg - Nach wie vor gilt, was in der vom Kreistag verabschiedeten Medizinkonzeption zu den Krankenhäusern im Landkreis Böblingen steht“, sagt der Böblinger Landrat Roland Bernhard. Diese Position hat er auch auf der jüngsten Mitarbeiterversammlung am Krankenhaus Leonberg als Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikverbunds Südwest vertreten – als Reaktion auf jüngste Aussagen, die Leonberger Klinik sei bedroht.

 

An der Versammlung haben auch Jörg Noetzel, der medizinische Geschäftsführer des Verbundes, sowie Chefarzt Michael Sarkar als Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Leonberg teilgenommen. Es ist eine Reaktion unter anderem auch auf die scharfe Kritik des Betriebsrates der Klinik, dass durch ein gezieltes Austrocknen von wichtigen Abteilungen die Klinik in eine finanzielle Schieflage gebracht wird. Damit werde es unwirtschaftlich und dann bleibe nichts anderes übrig, als immer mehr Leistungen zurückzufahren.

„Verfälschte“ Darstellungen nach außen

„Unser Rahmen ist und bleibt die Medizinkonzeption mit den standortübergreifenden Fachzentren“, sagt der Landrat. In seiner Stellungnahme appelliert Bernhard dafür, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, sodass dieses Medizinkonzept mit den drei Standorten in Leonberg, Herrenberg und Sindelfingen/Böblingen im Kreis aufgeht.

„Dabei sollten wir uns nicht selbst im Weg stehen, sondern im Blick behalten, dass die Politik auf Bundes- und Landesebene, die Krankenkassen und ärztlichen Fachverbände immer stärker auf eine Zentralisierung setzen,“ sagte Roland Bernhard den Mitarbeitern, als er über den aktuellen Diskussionsstand zur Konkretisierung des Medizinkonzeptes informierte. Er sei irritiert, dass aus einer nicht-öffentlichen Sitzung des Aufsichtsrats „verfälschte“ Darstellungen nach außen gedrungen sind, zu einer Zeit, als alle Beteiligten gemeinsam nach Lösungen gesucht hätten, wie das Medizinkonzept erhalten werden könne.

Verschärfte Rahmenbedingungen

Den Schwarzen Peter dafür, dass ständig diskutiert wird, was in den Kliniken vorgehalten werden muss, schob Jörg Noetzel den „verschärften gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen“ zu. „Diese Diskussionen werden bei uns mit unseren Chefärzten geführt und keine Klinik im Land kann sich diesen entziehen, da die Bedingungen von Bundesebene und Fachverbänden vorgeschrieben werden“, erläuterte Jörg Noetzel den Mitarbeitern. Gleichzeitig räumte er ein: „Mindestmengen und Qualitätsvorgaben stellen uns bei gleichzeitig neu zu erwartenden Personalvorgaben vor große Herausforderungen, sodass diese Leistungen zukünftig oft nur durch die Zusammenarbeit im gesamten Klinikverbund erbracht werden können.“ Das hieße, dass man sich in einem Klinikverbund über Leistungen abstimmen müsse.

Campus-Idee soll vorantreiben

 Deshalb berichte die Geschäftsführung über denkbare Lösungsszenarien in alle Richtungen, um das Defizit zu verringern und die Zukunft aller Krankenhäuser im Verbund zu gewährleisten, versicherte der Geschäftsführer des Verbundes. Einen Beschluss, die Gynäkologie und Geburtshilfe in Leonberg zu schließen, gebe es nicht. Ob man noch Operationen in der Nacht durchführe, müsse derzeit nicht entschieden werden, versuchte Noetzel zu beruhigen.

Er rief dazu auf, gemeinsam an der Campus-Idee zu arbeiten und die sich daraus für das Leonberger Krankenhaus ergebenden positiven Entwicklungsoptionen hervorzustreichen. Die massiven Proteste in den vergangenen Jahren in Leonberg gegen eine Portalklinik bezeichnete er als eine „künstlich herbeigeführte unbegründete Schließungsdebatte“.

Der Ärztliche Direktor Michael Sarkar meinte unter anderem: „Gemeinsam arbeiten wir mit der Geschäftsführung an geeigneten Lösungen, den Vorgaben der Mindestmengen sinnvoll zu begegnen.“ Das Leonberger Krankenhaus sei attraktiv, erst recht durch die hochkarätige Nachbesetzung der Stelle von Karl Josef Paul mit Chefarzt Wolfgang Steurer, der einen neuen Schwerpunkt für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen aufbauen werde.

Vorwürfe des Betriebsrates

Der Betriebsrat wirft dem Landrat nicht vor, die Leonberger Klinik schließen zu wollen. Jedoch, dass der Standort durch ein gezieltes Austrocknen von wichtigen Abteilungen systematisch in eine finanzielle Schieflage gebracht werde. Dadurch bleibe letztendlich nichts anderes übrig, als diese defizitären Abteilungen künftig zu schließen.

Das werde dazu führen, dass das Versprechen von einem leistungsfähigen Haus der Grund- und Regelversorgung mit allen bisherigen Abteilungen unter der Leitung eines Chefarztes eine Utopie bleibt, befürchtet der Betriebsrat. Übrig bleibe eine im Spektrum entscheidend beschnittene Klinik, die keiner mehr als ein vollwertiges Krankenhaus ansehen und somit vermeiden werde, so die Arbeitnehmervertretung.

Sterben auf Raten

An zwei bereits jetzt aktuellen Beispielen macht der Betriebsrat seine Befürchtungen vom Sterben auf Raten der Klinik, und ein Versinken in die Bedeutungslosigkeit fest. Da ist zum einen die Gynäkologie, von der es auch im jüngsten Gespräch hieß, sie bleibe erhalten. Einst als das Beispiel der Kooperation gepriesen, wurde der Böblinger Chefarzt in Leonberg seit Jahren nicht mehr gesehen, obwohl vereinbart ist, dass Erich Weiss, der Leiter des Zentrums, hier einmal wöchentlich eine Sprechstunde anbietet. Patienten würden nur in eine Richtung geschickt – nach Böblingen. Zudem dürfen in Leonberg keine Mammakarzinome mehr operiert werden. Jetzt sollen alle gynäkologischen Karzinome nur noch in Böblingen operiert werden.

Ein ähnliches Schicksal sagt der Betriebsrat der Chirurgie voraus, weil nun laut darüber nachgedacht wurde, auf Nachtoperationen zu verzichten. Der angekündigte Schwerpunkt für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sei nicht einmal im Ansatz ein Ausgleich für den Verlust komplexer Eingriffe. Das Ganze werde unwirtschaftlich, schlussfolgert der Betriebsrat. In Kombination mit der Verlagerung der Gefäßchirurgie aufs Flugfeld bedeute dies nichts anderes als eine Amputation der gesamten Chirurgie.