Axel Röckle (Freie Wähler) redet über die wachsende Stadt, Verkehrs- und Parkprobleme und den neuen OB.

Sommergespräche - Die Sonne brennt: Axel Röckle hat sich für den LKZ-Termin auf der Terrasse des alten Abschleppdienstes einen Hut aufgesetzt. Von hier aus, so sagt der Fraktionschef der Freien Wähler, ist der Charakter der Stadt gut zu erkennen.

 
Herr Dr. Röckle, ein Interview mit Blick auf ein Gewerbegebiet ist eher ungewöhnlich.
Wir sehen ja nicht nur das Gewerbe rings um die Berliner Straße und den Verkehr, sondern auch viel Grün. Das ist das Besondere an Leonberg: die Verbindung von Urbanität und Natur.
Ein Zweiklang, der durch die Wohnungsnot an Harmonie verlieren dürfte . . .
Der Stadtpark ist das beste Beispiel hierfür. Machen wir uns nichts vor: Eine drei Hektar große Bebauung geht ziemlich tief hinein, wäre also ein massiver Eingriff.
Dennoch wäre gerade hier ein Wohngebiet vergleichsweise leicht und schnell zu realisieren. Denn das Gelände gehört der Stadt.
In der Diskussion um die Stadtpark-Bebauung gibt es kein Richtig oder Falsch. Wir wollten es als Manövriermasse für die Zukunft sichern. Aber angesichts der weiter bestehenden Wohnungsproblematik wäre es am besten, wenn die Bürger bestimmen, ob hier gebaut werden soll oder nicht.
Ein Bürgerentscheid, wie beim Hallenbad?
So ist es. Wobei wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass eine Nachverdichtung in der Kernstadt nicht reicht. Eine Außenentwicklung in den Ortsteilen ist nötig. All das hat Folgen für die Infrastruktur. Wir werden eine weitere Schule brauchen. Auch da stellt sich die Frage nach dem Standort. Der Stadtpark wäre eine Option. In meinen Augen wäre eine Fläche im Bereich des jetzigen Schulzentrums geeigneter.
Wie weit kann Leonberg noch wachsen?
Leonberg ist beliebt, eben weil es städtischen Charakter hat, die Wege in die Natur aber kurz sind. Ein grenzenloses Wachstum würde das zerstören. Andererseits: Hier brummt die Konjunktur, das zieht.
Die Vergrößerung von Bosch in Leonberg ist das beste Beispiel dafür.
Genau! Das finden wir toll, nicht nur wegen der Sicherung von Arbeitsplätzen, sondern auch aus städtebaulichen Gründen. Das leer stehende Möbelhaus war eine Brache, die nun wegfällt. Wäre hier neuer Handel gekommen, hätte dies noch mehr Verkehr im Zentrum bedeutet. Verschärfen wird sich allerdings die Parkproblematik, die jetzt schon schwierig ist.
Kann der vom OB vorgeschlagene lange Tunnel die Verkehrsprobleme lösen?
Ein langer Tunnel wäre ein Paradigmenwechsel. Bisher ging es um die Frage, wie wir unseren eigenen Verkehr geregelt bekommen. Der Tunnel à la Kaufmann wäre eine zusätzliche Fernstraße an der Stadt vorbei, die die Räume Heilbronn und Tübingen/Reutlingen verbindet und das Quasi-Autobahnkreuz Leonberg-West noch stärker belastet als es ohnehin schon ist.Stadtpark: „Bürger sollen entscheiden“
Ihre Alternative?
Wir brauchen sehr schnell eine Verkehrszählung, um belastbare Fakten für die weitere Diskussion zu haben. Ich persönlich bevorzuge eine großräumige Umfahrung, den Nord-Ost-Ring über Waiblingen und Fellbach. Dieser Bereich ist weitaus weniger belastet.
Was ist mit dem Altstadt-Tunnel?
Der könnte im Stadtverkehr helfen. Probleme sind die Finanzierbarkeit und die Beschaffenheit des Untergrunds.
Der OB wirbt selbst beim Bundesverkehrsminister für den langen Tunnel.
Ein Paradigmenwechsel kann nicht von einem alleine verordnet werden.
Herr Kaufmann will auch den Nahverkehr verbessern, etwa mit einer Seilbahn.
Es spricht überhaupt nichts gegen ein verbessertes Nahverkehrsangebot, im Gegenteil. Aber ich warne vor Investitionen in statische Lösungen. Die technische Entwicklung ist so rasant, dass wir vielleicht in zehn Jahren sehr flexible Lösungen haben, die deutlich attraktiver sind als eine Seilbahn. Die aber hätten wir dann hier stehen.
Die Parkproblematik wird uns auf jeden Fall erhalten bleiben.
Wenn Sie auf die Misere mit dem Altstadt-Parkhaus anspielen: Das haben die Stadtwerke verschuldet. Man hat dort sehr genau gewusst, wann der Tag X der Übernahme kommt, war aber unzureichend vorbereitet. Man hat mehrfach eine Renovierung des Parkhauses versprochen. Aber geschehen ist nichts. Das ist alles sehr stümperhaft.
Ein breites Betätigungsfeld für einen Citymanager, den die Stadt einstellen will?
Nicht nur hierbei. Er muss sich um die ganze Altstadt kümmern, denn so richtig vorwärts ist es noch nicht gegangen, obwohl der Marktplatz busfrei und zum Großteil autofrei ist. Ein Citymanager sollte sich genau ansehen, wie andere Städte ähnliche Probleme lösen. Ein wichtiger Punkt sind einheitliche Öffnungszeiten.
Die Freien Wähler haben sich immer sehr klar für ein starkes Krankenhaus engagiert.
Dieser Druck wird nicht abnehmen. Wichtig ist zu allererst, dass die vom Landkreis zugesagten Investitionen umgesetzt werden. Die Bettenzahl muss bei mindestens 200 liegen. Die Onkologie muss in Leonberg weiterbetrieben werden, gerade mit Blick auf das private Strahlentherapiezentrum, das neben der Klinik entsteht.
Es gibt vom Management des Klinikverbunds keine klare Aussage zur Onkologie.
Ohne ein onkologisches Angebot in Leonberg verliert der Klinikverbund Hunderte Patienten in Richtung Stuttgart und Ludwigsburg und könnte in der Folge auch der privaten Strahlentherapie schaden.
Der Landrat und die Geschäftsführung sagen, dass die komplexen Operationen künftig nur noch in der geplanten Flugfeldklinik durchgeführt werden sollen.
Ich bezweifle, dass ein gigantischer Neubau, der weit mehr als eine halbe Milliarde Euro kosten wird, die richtige Strategie ist. Denn mit dem Topangebot des Uni-Klinikums in Tübingen kann eine Böblinger Klinik ohnehin nicht mithalten. Besser ist es, alle Standorte vernünftig zu stärken. Ein Neubau mit knapp 400 Betten würde ausreichen.
Blicken wir ins Rathaus. . .
Hier beobachten wir mit großer Sorge eine hohe Fluktuation bei den Mitarbeitern, sowohl intern als auch bei Abgängen.
Ist das heute nicht normal?
Angesichts der guten Wirtschaftslage könnte das so sein. Aber es könnte auch am Betriebsklima im Rathaus liegen.
Hat damit der Oberbürgermeister zu tun?
Wir zollen dem OB und dem Amt Respekt, unterstützen ihn, wo er uns überzeugt, erlauben uns bei Bedarf aber konstruktive Kritik. Das ist in einer Demokratie normal und war beim Vorgänger nicht anders.