Steinbildhauer Frank Lämmle will mit seinem Werk „Beim Sehen, sehen“ zum Nachdenken anregen.

Leonberg - Steinmetze stellen ein Jahr lang ihre eigens für die Ausstellung „Grenzüberschreitungen erleben“ geschaffenen Arbeiten unter freiem Himmel aus. Frank Lämmle ist mit seinem Werk „Beim Sehen, sehen“ dabei.

 

Die wohl verblüffendste Lösung der künstlerischen Aufgabenstellung, einen Autoschrottwürfel mit einer steinernen Skulptur zu verbinden, hat der aus Waiblingen kommende Steinbildhauer Frank Lämmle mit seiner Plastik „Beim Sehen, sehen...“ geschaffen. Sie ist ein Jahr lang gemeinsam mit den Skulpturen von insgesamt 19 Mitgliedern der Steinmetz- und Steinbildhauerinnung Ludwigsburg-Böblingen-Rems-Murr in der Ausstellung „Grenzüberschreitungen erleben“ auf der alten Autobahntrasse in Leonberg zu besichtigen.

Schaum quillt hervor

Gemäß dem Namen seiner Waiblinger Werkstätte „Lämmle Natursteine“ hat Frank Lämmle einen in seiner natürlichen Form belassenen Granitfels-Findling als Basis für den Würfel eines verschrotteten Automobils gewählt. Dieses massige, grobkristalline, magmatische Tiefengestein entsteht aus aufgeschmolzenem Material der unteren Erdkruste, das in Zeiträumen von Zehntausenden von Jahren an die Erdoberfläche gelangt. Granit kommt zahlreich in den deutschen Mittelgebirgen vor. Er findet vielfach im Bauwesen Verwendung, aber auch in der Steinbildhauerei. Bereits die altägyptischen Steinbildhauer beherrschten die Bearbeitung dieses harten Materials für eindrucksvolle Darstellungen von Pharaonen.

Frank Lämmle verfolgt jedoch nicht das Konzept, den harten Granitfels durch die Bearbeitung der Oberfläche zu „verschönen“ – er belässt ihn in seiner Naturhaftigkeit. Dadurch erscheint nun der Schrottwürfel wie eine schwärende Wunde auf dem naturbelassenen Steinfindling. Dieser Eindruck wird noch durch den Schaum verstärkt, der zwischen Granit und Schrottblock hervorquillt. Manch einer der Ausstellungsbesucher fühlte sich bereits davon abgeschreckt und beklagte die vermeintlich fehlende Schönheit bei diesem Ausstellungsobjekt.

Diese Plastik soll jedoch die Ausstellungsbesucher vor allem zum Nachdenken provozieren. Der Künstler will den Betrachter anregen, bewusst hinzuschauen (Beim Sehen, sehen). Kein schöner Schein soll von dem philosophischen Gedanken über den Ursprung der Natur und die Folgen menschlichen Handelns ablenken.

Ein besonderer Bezug zu Leonberg

Darüber hinaus können diejenigen Ausstellungsbesucher, die befürchten, der in Schräglage aufgesetzte Schrottwürfel könnte von dem Granitfels herabstürzen, beruhigt sein. Der versierte Steinbildhauer hat den Autoblock in eine passgenaue Vertiefung eingesetzt und verklebt. Eine Bohrung in dem Findling sorgt für den Wasserablauf. Der Schaum ist ein gestalterisches, kein tragendes Element.

Einen besonderen Bezug dieses Granitfindlings zu Leonberg konnte Frank Lämmle nicht wissen. Der berühmteste Sohn unserer Stadt, der Philosoph Friederich Wilhelm Joseph Schelling, wurde von seiner geliebten Frau Caroline einst mit folgenden Worten charakterisiert: „Er ist ein ... Mensch um Mauern zu durchbrechen. ... eine rechte Urnatur, als Mineralie betrachtet, echter Granit.“