Der Höfinger Schießsportverein braucht aus Sicherheitsgründen eine neue Anlage.

Leonberg - Darf eine Kommune zwei Vereine zur Fusion zwingen? Diese Frage ist einer von etlichen Aspekten, die sich im Zusammenhang mit den Kosten für ein neues Vereinsheim der Schützengilde Höfingen ergeben. Denn die sind mit fast 618 000 Euro sehr hoch, der Verein mit 87 Mitgliedern hingegen sehr klein. Ob die Stadt die Hälfte des Betrages übernimmt, so wie es die Leonberger Vereinsförderrichtlinien ermöglichen, entscheidet der Gemeinderat am Dienstag.

 

Warum ein Neubau?

Das Schützenhaus liegt im Glemstal direkt unter einer porösen Felswand. Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten bringt im Februar 2014 das Ergebnis, dass die Menschen auf dem Vereinsgelände steinschlaggefährdet sind. Das Gelände wird kurz danach gesperrt. Die Schützen trainieren seither in Hirschlanden.

Eine Absicherung der Felswand wird mit 320 000 Euro taxiert. Ein Neubau jenseits der Gefahrenzone erscheint zu dieser Zeit als die beste Lösung. Gedanken über eine mögliche Fusion mit den Warmbronner Schützen sind zuvor verworfen worden. Die zwölf Kilometer nach Warmbronn erscheinen dem Höfinger Vorstand zu weit.

Warum fast 618 000 Euro?

Der Vorstand um Reinhold Stahl und Fritz Siegle macht sich an die Planungen für einen Neubau und kommt auf eine Summe von mehr als 400 000 Euro. Im Dezember 2017 bewilligt der Gemeinderat einen Zuschuss in Höhe der Hälfte der Investitionssumme, also 206 000 Euro. So wie es die Vereinsförderrichtlinien vorsehen.

Doch eine neuerliche Überprüfung, weitere Auflagen beim Brandschutz und bei der Barrierefreiheit sowie eine Heizung für die Halle treiben die Kosten auf 618 000 Euro hoch. Die Heizung ist nötig, damit in der Schießhalle auch Gymnastik betrieben werden kann, so wie es der Württembergische Sportbund empfiehlt.

Im Sommer teilt die Kreissparkasse dem Verein ihre Bereitschaft für ein Darlehen in Höhe von 289 00 Euro mit. Voraussetzung ist eine Ausfallbürgschaft der Stadt und eine Verlängerung des Erbpachtvertrages um weitere 50 Jahre. Der Vorstand wendet sich ans Rathaus und bittet zudem um einen auf nunmehr gut 308 000 Euro gewachsenen Zuschuss.

Welche Rolle spielt Diana?

Zwischenzeitlich bekommt der Schützengilde-Chef Reinhold Stahl Post aus Rutesheim. Willi Wendel, der Vorsitzende der dortigen Schützengilde Diana, bietet ihm Gespräche über ein Zusammengehen an. Die Rutesheimer haben auch Probleme. Ihr Schützenhaus war im Frühjahr abgebrannt. Ein Siebenschläfer hatte ein Kabel durchbissen. Die Finanzierung eines Neubaus ist noch nicht in trockenen Tüchern.

Für Reinhold Stahl ist das Angebot aus der Nachbarstadt keine Option. Er fürchtet, dass sein eigener Verein von der Diana geschluckt würde. Und die Anlage der dortigen Schützen sei viel zu entlegen, ist sie doch geografisch mehr in Flacht als in Rutesheim. Auch über den Stil ist der Höfinger nicht erfreut: „Statt Briefe zu schreiben, hätte man uns direkt einladen können.“

Willi Wendel hingegen sagt, dass der Anstoß für ein Zusammenrücken direkt aus dem Glemstal gekommen sei: „In Höfingen wird nur Kleinkaliber geschossen. Da sind ein paar von denen zu uns gegangen, um hier mal mit größeren Waffen zu schießen.“

Von diesen Gästen, so erklärt der Diana-Chef, wäre auch die Initiative für den Brief ausgegangen. „Die haben mir was vorgelegt und gemeint, das sollte ich mal abschicken. Das habe ich dann gemacht.“ Denn von einem Zusammenschluss würden letztlich beide Vereine profitieren.

Was sagt die Kommunalpolitik?

Durch den Antrag auf einen höheren Zuschuss, eine Bürgschaft und die Verlängerung des Erbpachtvertrags ist jetzt die Leonberger Kommunalpolitik am Drücker. Doch selbst der Höfinger Ortschaftsrat ringt sich erst nach kontroverser Diskussion zur Zustimmung für die auf 308 000 Euro gewachsene Finanzspritze durch. Wobei die Beschlüsse des Stadtteil-Gremiums empfehlenden Charakter haben.

Noch kontroverser wird die Zuschuss-Frage in den Fachausschüssen der Stadt diskutiert. Der für die Vereine zuständige Sozialausschuss verlangt, dass vor einer Freigabe der Gelder ernsthafte Fusionsgespräche mit der Diana geführt werden.

Etwas differenzierter stellt sich das Meinungsbild im Finanzausschuss dar. „Wir können niemanden zur Fusion zwingen“, sagt Oberbürgermeister Martin Kaufmann (SPD) und macht keinen Hehl daraus, dass er nur äußerst ungern einen Leonberger Verein in die Nachbarstadt abwandern ließe: „Kirchturmdenken ist in diesem Falle ausdrücklich erlaubt.“

„Bei dieser Summe haben wir Bauchweh“

Hin- und hergerissen zwischen dem verantwortungsvollem Umgang mit Steuergeldern und der Hilfe für Vereine zeigen sich die Fraktionsvertreter: Die CDU-Chefin Elke Staubach verweist auf die Förderrichtlinien, wonach der Zuschuss formal in Ordnung ist, und auf die Erwartung der Schützengilde, dass eine attraktive Anlage neue Mitglieder anziehe.

Ihr Kollege von den Freien Wählern, Axel Röckle, ist skeptischer, zumal von den 87 Mitgliedern lediglich 30 aktiv sind. Dieses Problem sieht auch Sebastian Werbke von den Grünen. Selbst der SPD-Fraktionschef Ottmar Pfitzenmaier, ein Fürsprecher von Vereinsinteressen, sagt: „Bei dieser Investitionssumme haben wir Bauchweh.“

Zu einer Entscheidung können sich die Politiker nicht durchringen. Sie brauchen das Wochenende zum Nachdenken. Lediglich die Verlängerung der Erbpacht wird abgesegnet. Am Dienstag befindet der Gemeinderat endgültig über den Zuschuss.

Was sagt der Vorstand?

Reinhold Stahl hat am Freitag einen Brief an alle Stadträte geschrieben, in dem er auf die Perspektiven einer modernen Anlage hinweist, in der es um Sport, nicht um Waffen gehe. Und die für die ganze Stadt da ist. Daher will sich der Verein in Schützengilde Leonberg-Höfingen umbenennen.