Seit fünf Jahren ist Bernd Kauselmann Schöffe am Gericht. Dafür braucht es Offenheit und Emphatie.

Leonberg - Der Name Bernd Kauselmann dürfte vielen Rutesheimern geläufig sein. Seit 1982 wohnt er dort, war zehn Jahre lang Kommandant der örtlichen Feuerwehr und engagierte sich mehr als 17 Jahre beim SV Perouse. Funktionen, die Führungsstärke und Entscheidungsfreude ebenso erfordern wie Menschenkenntnis, Offenheit und Empathie. Dies ist auch gefragt als Schöffe am Amtsgericht Leonberg. Dort ist Kauselmann bereits seit 2013 die Stimme des Volkes auf der Richterbank. Gemeinsam mit fünf Amtskollegen unterstützt er die Berufsrichter in Strafverfahren, befragt Angeklagte und Zeugen und fällt Urteile – ohne jemals eine juristische Ausbildung gemacht zu haben. In diesem Jahr steht die Schöffenwahl für die nächste Amtszeit an. Kauselmann wird wieder kandidieren.

 

Doch was macht eigentlich einen guten Schöffen aus? „Wir suchen unvoreingenommene, offene und vorurteilsfreie Bürgerinnen und Bürger aus der Mitte der Gesellschaft“, sagt Torsten Hub, Direktor des Leonberger Amtsgerichts. „Als Schöffe sollte man eine gute Menschenkenntnis, einen gesunden Menschenverstand und – wie man bei uns im Schwabenland sagt – einen Bobbes in der Hose haben“, sagt Kauselmann.

Bei Strafprozessen kommen Schöffen hinzu

Was er damit sagen will: Ein Schöffe wird zu Strafprozessen hinzugezogen, bei denen die Staatsanwaltschaft mit einer Strafe zwischen zwei und vier Jahren rechnet. „Das heißt: Raub, Erpressung, Betäubungsmittel, aber auch Missbrauch, Vergewaltigung und fahrlässige Tötung“, zählt er auf. Als Schöffe bekommt man Fotos von Tat und Tatort gezeigt. Zudem muss man im Zweifel entscheiden, wie lange ein Täter von seiner Familie getrennt wird oder ob er seinen Job verliert. „Und trotzdem muss man immer objektiv bleiben und eine Entscheidung fällen“, führt Kauselmann fort.

In den Verhandlungen am Amtsgericht sitzen immer zwei Schöffen gemeinsam mit einem Berufsrichter. Während sich die oft lange Zeit mit dem Fall auseinandersetzen und in Ermittlungen eingebunden sind, erfahren die Schöffen erst kurz vor Verhandlungsbeginn, worum es geht. „Wir sollen uns ja schließlich selbst ein Bild von den Personen und Fällen machen“, sagt Kauselmann. Häufig würden die Schöffen ganz andere Fragen stellen als die Richter. „Wir haben oftmals mehr den Blick für die soziale Situation und die Persönlichkeit, die Berufsrichter mehr für den einzelnen Fall und das Gesetz“, beschreibt Kauselmann. So würde man sich gut ergänzen und den Fall aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten.

Kommt es dann zur Urteilsfällung, haben Berufs- und Laienrichter dasselbe Stimmrecht. „Es kommt durchaus vor, das wir Schöffen den Richter überstimmen, wenn die Meinungen auseinandergehen“, sagt Kauselmann. Dabei geht es meistens um die Höhe und die Art der Strafe. Wurde die Schuldfrage in der Verhandlung geklärt, gibt das Gesetz schließlich den Entscheidungsspielraum vor. Es wird aber beispielsweise auch entschieden, was mit Strafgeldern passieren soll. „Wir probieren immer, die Gelder einem guten Zweck in dem Bereich zuzuführen, in dem die Straftat begangen wurde“, sagt Kauselmann.

Im Gefängnis war er auch schon

Er persönlich empfindet sein Amt als „hochinteressant“ und füllt es gerne aus. Neben der Verantwortung schätzt er vor allem die Einblicke, die es ihm gewährt. Für eine Fortbildung war er vor einiger Zeit im Gefängnis. Dort habe er auch einige Insassen getroffen, die er selber verurteilt hatte. „Diese Erfahrung hat mir noch mehr vor Augen geführt, was es bedeutet, wenn wir jemanden ins Gefängnis stecken.“

Am Amtsgericht schätzt man die Zusammenarbeit mit den Schöffen sehr. „Sie bringen nicht nur wertvollen Input in die Verhandlungen, sondern machen unsere Arbeit auch transparenter“, sagt Direktor Hub. „Was sie aus dem Gerichtssaal in die Gesellschaft tragen, ist eine gute Ergänzung zu dem Bild, dass die Leute aus den Medien bekommen. Sie zeigen nicht nur das Schwarz-Weiß-Bild eines Urteils, sondern auch die tägliche Abwägung zwischen verschiedenen Graustufen, die ein Richter leisten muss“, führt er fort. Daher sei man froh, sich auf die Laienrichter verlassen zu können.

Die wichtigsten Fakten rund um die Schöffenwahl

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In diesem Jahr steht die Wahl der Schöffen für das Amtsgericht Leonberg und das Landgericht Stuttgart an. Hier die wichtigsten Fakten rund um die Wahl und die Bewerbung.

Wer darf sich als Schöffe bewerben?

Grundsätzlich kann sich jede Bürgerin und jeder Bürger zwischen 25 und 69 Jahren bewerben. Eine juristische Ausbildung ist nicht vonnöten. Es gibt allerdings eine Reihe von Ausschlusskriterien: Wer in den vergangenen zehn Jahren zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wurde oder momentan vor Gericht steht, kann ebenso wenig für das Amt kandidieren wie jemand, der in Vermögensverfall geraten ist. Auch wer bereits einen Justizberuf ausübt, ist von der Wahl ausgeschlossen. Genauso ehemalige Mitarbeiter der Stasi. Zudem muss ein Schöffe fließend deutsch sprechen.

Welche Rechte und Pflichten haben Schöffen?

In der Hauptverhandlung sind die Laienrichter den Berufsrichtern gleichgestellt, wie es beim Schöffenverband Baden-Württemberg heißt. So dürfen sie beispielsweise den Angeklagten und Zeugen Fragen stellen oder auch selbst Anregungen zur Beweisaufnahme geben. Zudem entscheiden die Ehrenamtlichen mit, ob ein Angeklagter schuldig ist oder nicht, und wie hoch eine Strafe ausfallen soll. Da bei diesen Entscheidungen eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, könne im deutschen Strafprozess auch niemand gegen die Stimmen beider Schöffen verurteilt werden, heißt es bei dem Verband.

Wann ist Bewerbungsschluss?

Die Städte Leonberg, Rutesheim, Renningen, Weissach und Weil der Stadt nehmen im Moment noch Bewerbungen entgegen. In Leonberg endet die Bewerbungsphase am Donnerstag, 15. März. In Weil der Stadt haben Bewerber noch Zeit bis zum 10. April. Bewerber aus Rutesheim haben noch bis Sonntag, 18. März, und aus Renningen bis Freitag, 23. März, Zeit. Weissach hat seinen Bewerbungsschluss auf den 31. März gelegt. Die Bewerbungsunterlagen findet man auf den Homepages der Stadt.

Wie läuft die eigentliche Wahl ab?

Nach dem Bewerbungsschluss müssen die Städte Bewerberlisten erstellen, deren Größe sich an der Einwohnerzahl orientiert. Zur letzten Wahl musste Leonberg beispielsweise 46 Bewerber vorschlagen. Diese Listen gehen an das Landgericht in Stuttgart, welches die Bewerbungen prüft. Die eigentliche Wahl findet dann in einem Ausschuss am Amtsgericht statt. Dem gehören neben der Richterin Sandra De Falco noch ein Verwaltungsmitarbeiter des Amtsgerichts sowie sieben „Vertrauenpersonen“ an. Diese sind größtenteils Bürgermeister oder Beigeordnete, teilweise aber auch bekannte Persönlichkeiten der Stadt.

Können auch Berufstätige Schöffen werden?

Ja. Arbeitgeber sind verpflichtet, Schöffen für die Prozesstage freizustellen. Allerdings müssen sie für Tage, an denen ein Schöffe am Gericht war, kein Gehalt zahlen – denn Schöffe zu sein, ist ein Ehrenamt. Das kann zu erheblichen Einbußen führen. Die Laienrichter bekommen nach Angaben des Schöffenverbands eine Entschädigung – in der Regel höchstens 24 Euro je Stunde, in lange dauernden Verfahren kann diese jedoch auch höher sein.