Wegen einer Frühgeburt schneidet das Krankenhaus schlecht ab. Dabei ist gerade in diesem Fall alles bestens gelaufen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Herrenberg - Aus Sicht der Patientin hätte es nicht besser laufen können: „Einfach nur top“, schreibt sie auf einer Bewertungsseiten für Kliniken im Internet über das Herrenberger Krankenhaus. Acht Wochen zu früh kam ihr Kind 2017 auf die Welt, ein Notkaiserschnitt musste eingeleitet werden. „Die schnelle Behandlung des Teams hat mir und meiner Tochter das Leben gerettet“, schreibt sie. Im gerade erschienenen Bericht des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen ist aber genau dieser Fall der Grund für eine schlechte Bewertung.

 

Weil direkt bei der Geburt kein Kinderarzt anwesend war, gab es den Stempel „unzureichende Qualität“. Dagegen wehrt sich der Klinikverbund Südwest. „Wir werden natürlich juristische Schritte prüfen“ sagte der medizinische Geschäftsführer Jörg Noetzel. Der Bericht sei rufschädigend – auf der Grundlage eines Statistikfehlers.

„Das Kind war adäquatest versorgt“

Inge Vogel wollte es im ersten Augenblick gar nicht glauben: „Das muss ein Irrtum sein“, dachte die Chefärztin der Klinik für Frauenheilkunde, als sie den vom Bund in Auftrag gegebenen Bericht am Montagabend im Internet las. Ihre Leitende Oberärztin hat am Dienstag die Operationen übernommen, damit sie Schadensbekämpfung betreiben kann. Denn bei der Frühgeburt war laut Klinikverbund alles richtig abgelaufen. Normalerweise werden Risikogeburten nach Böblingen weitergeleitet. Wenn dafür keine Zeit mehr ist, kommt der Kinderarzt entweder mit Blaulicht angefahren oder mit dem Hubschrauber angeflogen. In dem Fall war er 13 Minuten nach dem Kaiserschnitt, der nur zehn Minuten gedauert hatte, in Herrenberg. „Das Kind war adäquatest versorgt“, sagt Lutz Feldhahn, der Chefarzt der Böblinger Kinderklinik und an dem Tag hinzugerufene Kinderarzt.

2017 kam es in der Klinik zu 1398 Geburten, darunter genau die eine Frühgeburt. Weil dabei entgegen der Leitlinien der Kinderarzt zunächst fehlte, wurde das Krankenhaus in dem Bericht als auffällig deklariert. „Aus dieser schon rein statisch nicht aussagekräftigen Datenbasis unzureichende Qualität zu attestieren, ist für mich nicht nachvollziehbar“, kritisiert Inge Vogel. Und für ihre hoch engagierten Mitarbeiterinnen sei das Urteil „nur schwer verdaulich“. Ein „gewisses Versäumnis“ räumt der Klinikverbund allerdings ein: Inge Vogel und ihre Mitarbeiterinnen waren aufgrund technischer Probleme daran gescheitert, bis zur Deadline Ende Juli eine Stellungnahme zu der Statistik abzugeben. Darauf machten sie das Institut jedoch am 8. Oktober aufmerksam. Dennoch wurde der Bericht drei Wochen später mit der negativen Bewertung für Herrenberg veröffentlicht.

Der Landrat ist sauer

„Es ist eine granatenmäßige Sauerei“, ordnete Roland Bernhard die Studie ein. Mit allen Händen und Füßen werde sich der Klinikverbund dagegen wehren, sagte der Böblinger Landrat. Das Institut habe genau gewusst, wie der Fall liege. Ihn trotzdem dem Krankenhaus anzukreiden, hält er für grob fahrlässig, völlig unnötig und unprofessionell. „Das Ärgerliche ist, dass von solch negativen Nachrichten immer etwas hängen bleibt.“ Der Bund betreibe mit dem Bericht Krankenhauspolitik, in dem darin Argumente für die Schließung kleiner Kliniken gesammelt werden. Aber er lasse sich das Konzept der „guten wohnortnahen medizinischen Versorgung“ nicht von Berlin kaputt machen, stellte er klar. „In dem Fall wären das Leben von Kind und Mutter gefährdet gewesen, wenn man mit dem Kaiserschnitt gewartet hätte, bis der Kinderarzt da ist“, ergänzte der Landrat.

„Sehr zufrieden“ lautet die Beurteilung der Notfall-Patientin in allen Punkten. Sechs von sechs Sternen gab sie dem Herrenberger Krankenhaus. „Trotz der Hektik habe ich mich aufgehoben und wohl gefühlt“, schrieb sie im Mai im Internet.