Das Schießrainfest dient nicht nur einem besseren Miteinander, es baut auch Vorurteile ab.

Weil der Stadt - Beim Schießrainfest verwandelt sich das Weiler Stadtviertel einmal im Jahr in einen großen Spielplatz mit einem bunten Programm für Kinder und Jugendliche. Dabei bleiben aber auch die Erwachsenen nicht außen vor. Schließlich ist die Gaudi im Freien auch ein beliebter Treffpunkt für die Anwohner, die ihr nachbarschaftliches Verhältnis aufpolieren und nebenbei auch das eine oder andere Vorurteil abbauen. „Sitzt ein Deutscher, ein Russe und ein Araber an einem Tisch“ ist folglich nicht der Anfang eines plumpen Witzes, sondern vielleicht der Anfang einer wunderbaren Freundschaft.

 

„Sumo-Ringer“ stehen hoch im Kurs

Schon kurz nach der offiziellen Festeröffnung am Mittwoch herrscht auf der von Wohnblöcken umzingelten Wiese dichtes Gedränge, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Schüler der Heinrich-Steinhöwel-Gemeinschaftsschule aufgekreuzt sind. Hier springen die Kids auf dem Trampolin um die Wette, dort versuchen sie sich mit einem Schaumstoffschläger auf unsanfte Art von einem Balken zu befördern. Autsch!

Ganz hoch im Kurs stehen die Sumo-Ringer-Anzüge. Gut, dass Marlon schon vor dem Clash auf der Matte seine Treter ausgezogen hat. Denn wenn die „Dickmänner“ in den nicht gerade komfortablen Kostümen aufeinanderprallen, zieht’s einem buchstäblich die Schuhe aus! Und überhaupt: Man landet auch mal ganz ohne gegnerische Einwirkung auf der Nase. „Das gibt einen Punktabzug!“, poltert der Unparteiische und kann sich ein Lachen nicht verkneifen. Am Ende heißt es 3:2 für den Neunjährigen, der ziemlich groggy ist. Da kommt ihm die Hip-Hop-Tanzeinlage der Realschüler von nebenan, die er für eine Verschnaufpause nutzt, ganz gelegen.

Seit 2009 veranstaltet das Weiler Kinder- und Jugendbüro gemeinsam mit den Schulsozialarbeitern und der Sozialen Gruppenarbeit im Schießrain das Fest. Maximilian Frank spricht von einem Selbstläufer. Wenn die bunten Flyer an den Eingangstüren hängen, ist nämlich die Vorarbeit quasi getan. „Inzwischen hat das Fest eine tolle Eigendynamik entwickelt“, erzählt der Mann vom Jugendbüro. Da müsse man so gut wie nichts mehr mit den Beteiligten absprechen. „Die Anwohner bereiten das Essen für das Büffet vor, die Bauhof-Mitarbeiter bringen Biertischgarnituren vorbei und das Ordnungsamt sperrt die Straßen ab“, berichtet er. Die Spielgeräte werden übrigens vom Lions-Club und der Weiler Kinder- und Jugendstiftung gesponsert.

Stadtviertel mit 25 Nationen

Frank ist seit den Anfängen dabei. „Die Idee war es, den Stadtteil zu aktivieren“, erklärt er. Das heißt: Den Kindern einen unterhaltsamen Nachmittag bieten und nebenbei deren Eltern kennenlernen. Dabei komme dem Schießrain eine Sonderrolle zu. „Wir haben hier 25 Nationen, da ist interkulturell eine ganze Menge los“, sagt der Sozialpädagoge, der aber nicht von einem „Brennpunktviertel“ sprechen möchte – auch wenn die multikulturelle Vielfalt bisweilen ein gewisses Konfliktpotenzial bergen könne. Frage man den ein oder anderen Jugendlichen, sagten diese zwar flapsig: „Wir wohnen im Ghetto.“ „Aber wenn man mit der Polizei spricht, dann gibt es hier nicht mehr Ärger als in anderen Stadtteilen“, erzählt er.

Mit der Sonderrolle meint der Stuttgarter etwas anderes. „Beim Schießrainfest kommen nämlich Bürger zusammen, die sich vielleicht argwöhnisch gegenüberstehen, weil sie sich nicht kennen“, so Frank, der betont:. „Und dadurch lassen sich viele Vorurteile abbauen.“ Diese Erfahrung habe er nicht nur einmal gemacht. „Es ist nur schade, dass nicht noch mehr Leute von außerhalb Interesse zeigen“, befindet Frank. Dem Spaß am Mittwoch tut dies aber ganz sicher keinen Abbruch.