Seit diesem Schuljahr kann in Rutesheim das Abitur wieder nach neun Jahren Gymnasium gemacht werden, nachdem 2004 in Baden-Württemberg G 8 eingeführt worden war. Das G8 erweist sich dabei als „Auslaufmodell“.

Rutesheim - Für gute Schüler ist G 8 machbar. Aber wer einen guten Abschluss haben will, der macht neben G 8 nichts anderes mehr“, sagt Jürgen Schwarz, Direktor des Gymnasiums Rutesheim. Er bahnt sich seinen Weg durch die Schüler, die zur Mensa strömen. Diese befindet sich in einem separaten Gebäude im Schulzentrum Rutesheim. Im großen und hellen Gymnasium sitzen einige Schüler auf Sofas, unterhalten sich oder lernen. Noch einige Stunden Unterricht liegen an diesem Tag vor ihnen.

 

Seit diesem Schuljahr kann in Rutesheim das Abitur wieder nach neun Jahren Gymnasium gemacht werden, nachdem 2004 in Baden-Württemberg G 8 eingeführt worden war. „Ich habe nichts gegen G 8. Allerdings bin ich stutzig geworden, als ein sehr begabtes Geschwisterpaar auf eine Schule gewechselt ist, wo das Abitur erst nach der 13. Klasse kommt“, sagt Schwarz. Die Schule sei keine reine Vorbereitung auf das Berufsleben. „Eine Schülerbiografie hat auch einen Wert.“

Das Gymnasium Rutesheim ist das einzige im Landkreis Böblingen mit G 9. Damit gehört es zu 44 ausgewählten Schulen in Baden-Württemberg, die diesen Weg zur Hochschulreife anbieten. 22 hatten im Schuljahr 2012/13 damit begonnen. Rutesheim gehörte zu den nächsten 22 Bildungseinrichtungen im folgenden Schuljahr. Bereits im Jahr 2011 sei die Idee kontrovers diskutiert worden. Ein Jahr später fiel die Entscheidung, sich beim Bildungsministerium um G 9 zu bewerben. Geplant war, beide Wege zum Abitur anzubieten.

Doch von den 175 neuen Fünftklässlern interessierten sich nur zwei für den kürzeren. „Wir hatten mit etwa der Hälfte gerechnet, wir waren sehr überrascht von der Nachfrage.“ So gibt es nun sechs Klassen in Stufe 5, eine mehr als im Jahr zuvor. Der größte Zuwachs kommt dabei von außerhalb. „Wir haben Schüler aus Gebersheim, Höfingen, Heimerdingen und sogar Warmbronn“, sagt der Schulleiter. Die Nachfrage gerade aus den umliegenden Kommunen sei deutlich spürbar.

Die Reaktionen seitens der Eltern fielen erwartungsgemäß positiv aus. „Die Eltern sind der Meinung, dass das sogenannte ‚Turbo-Abi’ die Schüler teilweise überfordere. Außerdem haben sie sich mehr Zeit für außerschulische Aktivitäten gewünscht“, berichtet Jürgen Schwarz, der auch Bezirksjugendpfarrer im evangelischen Kirchenbezirk Leonberg ist.

Auch wenn viele Schüler mehrmals pro Woche weit bis in den Nachmittag hinein Unterricht haben, ist die Nachfrage nach AGs groß. „Die Schüler haben einen unglaublichen Willen, nach dem Unterricht noch etwas zu machen. An manchen Tagen hab ich 30 Schüler bei mir in der Robotik-AG“, berichtet Lehrerin Claudia Vorderer.

Noch sei kein großer Effekt durch G 9 zu spüren. Nach den Halbjahreszeugnissen will Schulleiter Schwarz erste Vergleiche anstellen. „G 9 wird weniger Veränderungen mit sich bringen. Die größten Veränderungen hat die fehlende Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung verursacht“, meint Schwarz. Seitdem können Eltern frei entscheiden, auf welche Schule sie ihrer Kinder ab Klassenstufe fünf schicken. Während dies etwa in Stuttgart Übergangszahlen von Grundschulen zu Gymnasien von etwa 70 Prozent zur Folge hatte, liege der Wert in Rutesheim stabil bei etwa 42 Prozent. „Die Eltern sind hier schon konservativer eingestellt“, meint Lehrerin Susanne Erbe.

Wie sich die Nachfrage nach G 9 in Rutesheim weiter entwickelt, das will Schulleiter Jürgen Schwarz auf sich zukommen lassen. Der Gemeinderat sorgte sich bereits um ein mögliches Platzproblem, sollte die Schülerzahl durch G 9 weiter wachsen. Nachdem der doppelte Abi-Jahrgang 2012 durch ist, sind es derzeit „nur“ noch 951 Schüler, die von 100 Lehrern betreut werden. „Wir sind aber schon an unserer Kapazitätsgrenze“, sagt Schwarz.