Verwaltung und Stadtrat einigen sich widerwillig auf Tempo 40 in der Bahnhofstraße.

Rutesheim - Alle lieben Tempo 30! Oder? Anscheinend tut das doch nicht jedermann. Das mussten die Rutesheimer Stadtverwaltung und der Gemeinderat nun mächtig erbost feststellen. Das Regierungspräsidium Stuttgart zwingt die Stadt sogar, in der Bahnhofstraße zwischen Leonberger Straße und dem südlichen Ende des Wohngebietes „Spissen“ zurückzurudern. Die Tempo-30-Schilder müssen hier weg.

 

Eine aufgebrachte Verwaltung und ein nicht minder fuchsiger Stadtrat haben sich in der Sitzung des Gremiums auf Tempo 40 in diesem Bereich geeinigt. Sonst hätten hier die Autos ganz legal wieder mit 50 Sachen fahren dürfen. „Es ist traurig und beschämend. Wegen jemandem, der behauptet, ein paar Sekunden länger auf dem Weg zur Arbeit zu benötigen, muss nun die Sicherheit seiner Mitmenschen in den Hintergrund rücken und seine Nachbarn sind gezwungen, mehr Lärm und Abgase zu ertragen“, brachte es der Bürgermeister Dieter Hofmann auf den Punkt.

Was ist geschehen? Im Juni 2014 hat der Gemeinderat einen Entwurf für ein Verkehrskonzept in der Bahnhofstraße beschlossen: Tempo 30 zwischen Leonberger Straße und Ende des Wohngebiets „Spissen“, einen Radfahrschutzstreifen auf der Westseite zwischen Robert-Bosch-Straße und Einmündung Lessingstraße sowie einen weiteren auf der Ostseite zwischen Richard-Wagner-Straße und Leonberger Straße. Zusätzlich sollte im „Spissen“ ein sogenannter „Absperrpilz“ zwischen dem Sophie-Scholl-Weg und dem Martin-Niemöller-Weg eingebaut werden. Den hätten lediglich Müllauto und Lastwagen, jedoch nicht Autos überfahren können.

Tempo 30 galt nicht einmal anderthalb Jahre

Nach der Bürgerbeteiligung und der Anhörung der Polizei wurde im Verwaltungsausschuss im September mit 5:4 Stimmen in der Bahnhofstraße zwischen der Leonberger Straße und dem Ende des Wohngebiets „Spissen“ Tempo 30 beschlossen. Die Verwaltung hatte 40 Stundenkilometer vorgeschlagen. Zusätzlich wurde auf der Ostseite zwischen Richard-Wagner-Straße und Leonberger Straße ein Radfahrschutzstreifen eingezeichnet. Alles andere fand keine Mehrheit. Die Verkehrsschilder wurden im Oktober 2014 aufgestellt.

Doch das hat nicht allen gefallen. Ein Bürger aus dem Heuweg hat im September 2015 gegen die Tempo-30-Regelung in der Bahnhofstraße sowie in der Leonberger Straße auf dem Abschnitt Bahnhofstraße bis Dieselstraße Widerspruch eingelegt. Ein früherer Mitarbeiter im Landratsamt aus Gäufelden hat im März 2016 den 30-Stundenkilometer-Regelungen in der Bahnhofstraße, in der Leonberger Straße und in der Gebersheimer Straße widersprochen.

Die Regelung sei rechtswidrig und er benötige viel mehr Zeit, um zur Arbeit zu fahren, so die Begründung des Anwohners im Heuweg. Dem Ruheständler aus Gäufelden, der früher in der unteren Straßenverkehrsbehörde des Landratsamtes Böblingen tätig gewesen ist, sind Tempo-30- Regelungen prinzipiell ein Dorn im Auge.

Die Verwaltung prüft, wie man den Verkehr abbremsen kann

Die Lärm- und Abgasbelastung, wie etwa in etwa Pforzheimer Straße, wo die Werte überschritten werden, rechtfertigen Tempo 30 in der Bahnhofstraße nicht, entschied jetzt das Regierungspräsidium. Auch städtebaulich sei das nicht zwingend, weil es hier keine Umgehungsstraße gibt, die Verkehr von der Bahnhofstraße abzieht, so die Stuttgarter Behörde. Das übernehme im Falle der Leonberger Straße und der Gebersheimer Straße die Nordumfahrung. Deshalb sei in diesen beiden Straßen Tempo 30 gerechtfertigt. In der Bahnhofstraße könne allein Tempo 40 als Beschränkung genehmigt werden, so die Kontrollbehörde.

„Mit geballter Faust in der Tasche und doch traurig nehmen wir den Kompromiss an, obwohl wir damit ein Konzept für die gesamte Stadt aufweichen müssen“, sprach Wolfgang Diehm (BWV) allen Fraktionen aus dem Herzen. Die Verwaltung wurde beauftragt, zu prüfen, wie mit weiteren Zebrastreifen und Radfahrschutzstreifen schnelles Fahren in der Bahnhofstraße abgebremst werden könne.