Die Ausstellung in der Christian-Wagner-Bücherei nimmt die Besucher mit auf eine spannende Zeitreise durch die bewegte Geschichte der jungen Stadt.

Rutesheim - Der Besucher steigt eine Treppe der Geschichte empor: Jede Stufe ein wichtiger Abschnitt in der Kette vergangener Zeiten in Rutesheim:

 

ab 5400 v. Chr.: die ersten Siedler

6. Jh.: Wer war Ruotmar?

767: erste Nennung von Rutesheim

1302: Rutesheim kommt zu Württemberg

1837: der Große Brand

Das Interesse des Besuchers ist geweckt. Ein Junge, der gerade Bücher ausleiht, staunt ungläubig: „5400 v. Chr. – wie lange ist das denn her?“ Die Ausstellung „Rutesheims Weg durch die Zeit - 1250 Jahre unsere Stadt“ ist ein Projekt des Arbeitskreises „Geschichte vor Ort“, unter anderen mit Projektleiterin Karin Momberger, dem Vorsitzenden Harald Schaber und Mechthild Hagemeier-Beck, der Leiterin der Christian-Wagner-Bücherei.

Drei Jahre Vorarbeiten

Drei Jahre haben die ehrenamtlichen Geschichtsenthusiasten konzipiert, gesammelt, Fundstücke arrangiert, getextet, bebildert, Hörbeispiele aufgenommen und Videoclips gedreht, bis sie am Freitagabend ihre Ausstellung dem neugierigen Publikum im brechend vollen Bürgersaal der Bücherei präsentieren konnten. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: 21 Stationen und 68 Zeitzeugen.

767 n. Chr. erstmals urkundlich erwähnt, ist Rutesheim die älteste Kommune im Landkreis Böblingen: „Ganz schön alt, aber gut gehalten, jung und dynamisch“, findet Bürgermeister Dieter Hofmann in seiner Begrüßung. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit tue Bodenhaftung und Heimatverbundenheit gut, ergänzt Landrat Roland Bernhard.

Karin Momberger, die Projektleiterin, gibt zu, dass den Verantwortlichen zwischendurch schon mal der Stoßseufzer entfahren ist: „Was haben wir uns da angetan?“ Aber die gemeinsame Leidenschaft für die Geschichte der eigenen Stadt hat dann doch gesiegt.

Und beim Ergebnis, der Ausstellung, gibt es einiges zu sehen. Mechthild Hagemeier-Beck verweist auf ein besonderes Exponat, eine hölzerne Wasserleitung, da Rutesheim im 19. Jahrhundert stets ein Wasserproblem hatte, sodass Gebersheim oft aushelfen musste.

Der Große Brand 1837 (ausgelöst durch Selbstentzündung von Heu) war ein besonders einschneidendes Ereignis für Rutesheim: Binnen weniger Stunden hatte die Hälfte der Einwohner kein Obdach mehr, aber durch die Solidarität der Bewohner konnte das Geschehen bewältigt werden - eine „traurige Hoffnungsgeschichte“, wie die Bibliotheksleiterin anmerkt.

Auch das in Stuttgart gedruckte Inflationsgeld, das an der Wand hängt, zeugt von schweren Zeiten, als Milliarden nicht mehr für einen Laib Brot reichten. Nicht umsonst enthält der Titel der Ausstellung einen grafischen Bruch: Es geht in der Geschichte nicht nur vorwärts, es gibt auch (nicht wenige) dunkle und bedrückende Zeiten.

Das gilt natürlich ganz besonders für die „Braune Zeit“, die mit dem Schicksal des Ehepaares Schulheimer dokumentiert ist, dem inzwischen vor dem „Widdumhof“ ein „Stolperstein“ gewidmet ist.

Fruchtbarer Lößboden zieht die Menschen an

Warum aber gerade hier die Ansiedlung von Rutesheim? Der fruchtbare Lößboden und der für das Töpfern nötige Lehm haben wohl einst den Ausschlag gegeben.

Die Besucher sind fasziniert von der Fülle der Eindrücke. Die Kommentare reichen von „sehr informativ“ über „geschickt und übersichtlich präsentiert“ bis zu „eindrucksvolle Leistung ehrenamtlichen Engagements“. Auch Neubürger in Rutesheim sind dankbar, mehr über ihren neuen Heimatort zu erfahren, und sich so in ihm wiederzufinden in einer langen Kette der Generationen. Die Exponate reizen zur Reflexion: Wo kommen wir her - und wo gehen wir hin?

Und was sind nun die Lieblingsexponate der Projektleiterin Karin Momberger? Sie zeigt auf eine Vitrine mit Rekonstruktionen aus der Jungsteinzeit: ein Gefäß aus Birkenrinde, in dem schon Ötzi einst glühende Holzkohle transportiert hat, um nicht immer aufs Neue Feuer entfachen zu müssen, ein Regenhut aus Lindenbast (3500 v. Chr.), ein Gefäß aus gebranntem Ton, um Vorräte mäusesicher aufzuhängen. Die Lindenrinde wurde erst eingeweicht, um Bast herzustellen, der dann wie Zwirn verwendet werden konnte. Alles zeugt von dem beeindruckenden Erfindungsreichtum und der Geschicklichkeit unserer Altvorderen. Überhaupt, betont Karin Momberger, sei der Übergang von der Gesellschaft der Jäger und Sammler zu der von sesshaften Bauern die „erste kulturelle Revolution der Menschheit“ gewesen.

Und? Kann man denn nun aus der Geschichte lernen? „Man kann daraus lernen“, antwortet sie verschmitzt, „aber man kann nichts dagegen machen!“ Natürlich gibts am Schluss der Veranstaltung selbst gebackenen „Rohstrugel“, eine Rutesheimer Leibspeise der ganz besonderen Art!