Im Obergeschoss der evangelischen Kirche in Malmsheim hängen vier riesige Glocken. Die älteste stammt aus dem Jahr 1902, alle anderen mussten in den Weltkriegen eingeschmolzen werden. Ein Rundgang durch die Germanuskirche.

Renningen - Eng ist es im oberen Stockwerk der Malmsheimer Germanuskirche. Viel Platz zum Stehen oder Rumlaufen gibt es hoch oben im Kirchturm wahrlich nicht. Vier mächtige Glocken ruhen im Glockenstuhl. Das Bauwerk ist sichtlich in die Jahre gekommen, im Gebälk hat es sich längst der Holzwurm gemütlich gemacht. Die uralten Steinwände bröckeln, auf dem Boden liegt eine dicke Staubschicht, überall hängen Spinnennetze. Plötzlich durchbrechen ohrenbetäubende Schläge die Stille. Der Motor setzt Kettenantrieb und Seilrad in Bewegung. Zweimal schwingt die riesige Glocke hin und her. Es ist 9.30 Uhr.

 

Renningens Stadtarchivar Mathias Graner und der Vorsitzende des evangelischen Kirchengemeinderates Malmsheim, Hans-Hermann Pfeiffer, zucken nur kurz zusammen. Durch die riesigen Lamellenfenster dringt der Schall nach draußen. Im Holzbalken neben dem Fenster ist ein Herz eingeritzt, „MM“ steht da drin und die Jahreszahl 1965. „Was man nicht alles entdeckt. Es ist immer wieder faszinierend hier oben“, sagt Hans-Hermann Pfeiffer und betrachtet die riesigen Glocken.

„Ihre sinnbildliche Bedeutung besteht darin, die Stimme Gottes zu sein. Ihr Klang soll das christliche Volk zum Glauben ermuntern.“ So steht es im Kirchenführer, den der Malmsheimer Gunther Weinmann vor einigen Jahren verfasst hat. Im Glockenturm der Germanuskirche steckt viel Geschichte. Drei der vier Glocken, die einst dort oben hingen, haben die Weltkriege nicht überstanden. Einzig die kleine Glocke – sie stammt aus dem Jahr 1902 und wurde in Heilbronn gegossen – hängt noch heute. Mit einem Durchmesser von 85 Zentimetern bringt sie immerhin 350 Kilogramm auf die Waage.

1292 Kilo wiegt die schwerste Glocke

Die älteste Glocke stammt von 1699. „Die wurde allerdings im Ersten Weltkrieg abgenommen und für Kriegszwecke eingeschmolzen“, erklärt der Stadtarchivar Mathias Graner. Eben jenes Schicksal ereilte auch die beiden großen Bronzeglocken während des Zweiten Weltkriegs. Und so hängen im Malmsheimer Kirchturm spätestens seit 1961 drei neue Glocken. Die größte von ihnen wiegt stolze 1292 Kilo, bei einem Durchmesser von 129 Zentimetern. Mathias Graner schaut zu den massiven Aufhängeisen am Glockenstuhl hinauf. „Die müssen schon was aushalten“, sagt er und zeigt auf die riesige Glocke. „Nicht dass sie irgendwann im Ort hängt, wenn sie erst einmal los legt.“

Die schweren Glocken wurden einst von Hand in Schwingung gebracht. Dicke Seile führten vom Obergeschoss durch den Kirchturm bis runter in den Chor. Keine leichte Aufgabe, galt es doch genaue Anweisungen zu befolgen. Diese Zeiten sind zwar längst vorbei, das Geläut wird inzwischen per Motor betrieben. Ein vergilbtes „Merkblatt für Behandlung und Läuten der Glocken“ zeugt jedoch noch von den Gepflogenheiten in längst vergangenen Zeiten.

Wer in den Glockenturm möchte, muss gut zu Fuß sein. Steile Treppen und viele schmale Stufen führen hoch. Vom Kirchenschiff aus geht es zunächst hinauf auf einen riesigen Dachboden, der einst als Kornkammer diente. Das sei typisch gewesen für Malms- heim, erklärt der Stadtarchivar. War doch der Ort früher von Landwirtschaft geprägt. „Dort oben wurden Feldfrüchte, Stroh und Heu gelagert“, erzählt Graner. An der Wand hängt ein Relikt aus dem Ersten Weltkrieg. Ein paar Namen stehen dort geschrieben. „Man wollte hier der gefallenen Kameraden gedenken“, sagt der Archivar. „Aber das ist wohl schnell zu viel geworden.“

Die wahren Schätze sind in der Kirche versteckt

Von außen betrachtet ist die evangelische Germanuskirche, im Übrigen das älteste Gebäude in Malmsheim, nicht wirklich spektakulär. Einst als Wehranlage mit zwei Mauern erbaut, suchte die Bevölkerung hier Schutz in unruhigen Zeiten. Das Kirchenschiff stammt aus dem 15. Jahrhundert, doch der viereckige Kirchturm selbst ist wesentlich älter.

Mathias Graner zufolge wurde er bereits vor 1250 erbaut. „Er weist Merkmale aus der Zeit der Staufer auf“, erklärt der Stadtarchivar. Die massiven Mauern mit einer Dicke von bis zu 1,40 Meter seien typisch für das 13. Jahrhundert, ebenso die Sandsteinquader-Malereien an den Außenseiten, die bei der Restaurierung des Turmchors 1993 gefunden wurden. Das Glockengeschoss stammt aus dem Jahr 1746.

Wir stehen mittlerweile unten im Chor. Wieder läuten die Glocken, es ist 10 Uhr. Doch durch die dicken Mauern klingt das Geläut fast schon wie Musik in den Ohren.