Immer mehr Großinvestoren nutzen Ackerboden als sichere Geldanlage. Das treibt die Preise in die Höhe. Das Phänomen zeigt sich vor allem in Ostdeutschland. Rund um Leonberg bleibt Flächenknappheit durch neue Baugebiete das weit größere Problem.

Renningen - Zu niedrige Preise für Produkte, Verlust von Land durch Neubaugebiete – dass Landwirte oft mit großen, zum Teil existenziellen Problemen zu kämpfen haben, ist bekannt. Eine weitere Schwierigkeit, die sich erst in der jüngeren Vergangenheit gebildet hat, ist das sogenannte „Land Grabbing“, zu Deutsch: Landnahme. Damit ist gemeint, dass Großinvestoren Boden zunehmend als eine sichere Geldanlage betrachten und weite Flächen aufkaufen, was die Preise immer weiter in die Höhe treibt.

 

Maria Heubuch, Europa-Abgeordnete für die Grünen und selbst Milchbäuerin in Leutkirch im Allgäu, hat auf Einladung der Grünen im Kreis Böblingen in Renningen zu dem Thema gesprochen. „Wir als Landwirte verlieren den Boden unter den Füßen“, sagte Heubuch in ihrem Vortrag und bezog sich dabei nicht nur auf das Land Grabbing. „Wir haben die Besiedlung, dazu kommt immer auch die zugehörige Infrastruktur, also Straßen, und Industrie.“ Dass Land nun auch noch zunehmend zum Spekulationsgut werde, erhöhe den Druck auf den Markt immens. „Wir als Landwirte haben zwar ein Vorkaufsrecht für Flächen“, erklärte sie. „Aber man muss bei den Preisen auch mithalten können.“ Diese stiegen immer weiter, Gleiches gelte dann natürlich für die Pachten.

Land Grabbing im Altkreis kein Thema

In Rumänien beispielsweise sei aus diesem Grund der Preis für Ackerboden seit 2008 um mehr als 1800 Prozent nach oben geschossen. In Deutschland sei das Phänomen bei Weitem nicht so ausgeprägt, zeichne sich aber ebenso ab. Im Landkreis Böblingen, sowie im benachbarten Enzkreis ist Land Grabbing allerdings überhaupt kein Thema, wie die jeweiligen Vorsitzenden der Kreisbauernverbände auf Anfrage unserer Zeitung mitteilen. Hier bleibt der Bodenverlust durch Baugebiete und Ausgleichsmaßnahmen weiterhin die größte Schwierigkeit.

„Natürlich gibt es immer wieder auch mal Privatleute, die sagen: Ich lege mein Geld in Boden an“, meint Andreas Kindler vom Kreisbauernverband Böblingen und Landwirt in Renningen. Das komme dann aber eher nur vereinzelt vor. Der Grund: „Hier ist alles sehr kleinteilig aufgebaut.“ Die meisten zusammenhängenden Flächen hätten ein Größe von 7 bis 70 Ar, „das ist für Großinvestoren nicht interessant. Land Grabbing ist daher eher in Ostdeutschland ein Problem.“ Ulrich Hauser, Sprecher des Bauernverbandes im Enzkreis, kann das für seinen Landkreis bestätigen. „Die Unternehmer konzentrieren sich eher auf große Flächen, bei uns ist ebenfalls alles stark gesplittet.“ Dass der Kreis Böblingen in Sachen Bodenpreise in Baden-Württemberg laut dem Statistischem Landesamt als einer der Spitzenreiter gilt, habe eher andere Ursachen, erklärt Kindler. „Vieles ist qualitätsbedingt, guter Boden ist immer teurer.“ Also alles Friede, Freude, Eierkuchen in der Region? Nicht ganz. „Land Grabbing ist bei uns zwar kein Problem, aber Landknappheit ist eines“, sagt Hauser. Diese entstehe durch neue Baugebiete auf einst landwirtschaftlichen Flächen oder auch durch Ausgleichsmaßnahmen, bei denen zum Teil Ackerland in Streuobstwiesen oder Ähnliches umgewandelt wird.

Landknappheit wirkt sich auf die Pachten aus

Auch Reiner Lamparter, Landwirt aus Friolzheim, kennt die Situation: „Selbst wenn ich an zusätzliches Ackerland käme, wüsste ich, dass es einem anderen dadurch verloren ginge“, sagt er. Hinzu kommt: „Die Landknappheit wirkt sich vielleicht nicht auf die Bodenpreise aus, aber mit Sicherheit auf die Pachthöhen“, meint Hauser. Und Pacht ist ein großes Thema. Die Zahl der Flächen, die im Besitz der bewirtschaftenden Bauern sind, liege in Deutschland nur noch bei 30 Prozent, beklagt Heubuch. Der Rest sei gepachtet. Vom Verhältnis sei das hier wohl ähnlich, glaubt Lamperter. Doch auch dabei gebe es Gründe jenseits des Land Grabbings. „Früher gab es noch viele Betriebe mit zehn oder 20 Hektar Land.“ So etwas sei heute eigentlich nicht mehr wirtschaftlich, daher gebe es immer weniger und dafür größere Betriebe mit mehr als 100 Hektar. Das Geld für solch eine große Fläche „kann man in einer Generation gar nicht erwirtschaften“, daher könnten viele schlicht nur pachten.