Der Landkreis Calw möchte die Hesse-Bahn bis in die Rankbachstadt führen. Dort regt sich Widerstand. Seine Einwände lässt der Gemeinderat nun offiziell beim Regierungspräsidium vorbringen, das über die Anträge aus Calw entscheidet.

Renningen - Im Kampf gegen die Anbindung der Hermann-Hesse-Bahn bis nach Renningen läutet die Stadt jetzt die nächste Runde ein. Das Rechtsanwaltsbüro Eisenmann, Wahle, Birk & Weidner in Stuttgart hat im Auftrag der Stadt eine Liste an Einwänden gegen die Pläne des Landkreises Calw zusammengetragen, um sie im jetzt laufenden Planfeststellungsverfahren vorzubringen. Das ist noch aus einem anderen Grund bedeutsam: Denn nur wenn die Bedenken offiziell eingereicht werden, können die Rechte der Stadt „in einem eventuell möglichen späteren Klageverfahren geltend gemacht werden“, heißt es in der Erklärung der Verwaltung.

 

Renningen ist von den Plänen in Calw unmittelbar betroffen, da auch am dortigen Bahnhof Umbauten nötig sind. Daher kann sich die Stadt speziell an diesem Planfeststellungsverfahren beteiligen und Einwände vorbringen. Der Rat entschied sich mehrheitlich dafür – mit Gegenstimmen der Grünen. Nach Ende der Abgabefrist befasst sich nun das Regierungspräsidium Stuttgart mit allen eingegangenen Bedenken. Das Anwaltshonorar beläuft sich auf rund 40 000 Euro.

Vorwurf: Fehlender Stresstest

Die meisten der Kritikpunkte sind bekannt: So wirft Renningen dem Landkreis Calw unzureichende Bedarfsprognosen vor, einen fehlenden Stresstest, der Aufschluss darüber geben soll, ob die Hesse-Bahn die S-Bahn aus dem Takt bringen könnte. Auch die Finanzierbarkeit des Projekts ist aus Sicht des Anwaltsbüros nicht nachgewiesen. Speziell in Bezug auf die Pläne innerhalb Renningens fordert die Stadt Lärmschutz, auch die Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe vor Ort seien nicht ausreichend.

„Es ist schade, dass wir nun so weit gehen müssen“, sagte Heiderose Berroth (Frauen für Renningen) im Hinblick auf das Einschalten eines Anwalts – und war mit ihrer Meinung nicht allein. Denn eigentlich sei man ja für das Projekt, aber eben nicht bis nach Renningen. „Wir sind für eine elektrifizierte Hesse-Bahn bis Weil der Stadt“, stellte auch Peter Weiß, Vorsitzender der CDU-Fraktion, klar. Noch besser wäre natürlich aus der anderen Richtung eine S-Bahn-Verbindung bis Calw. „Das haben wir schon 2014 gesagt, und daran halten wir fest.“ Er teile die Befürchtung, dass die neue Verbindung bis Renningen eine Störung des S-Bahn-Verkehrs bedeuten und negative Auswirkungen auf die Anwohner haben würde.

Was die Gegner des Projekts in ihrem Ansinnen stärkt, sind erneute Überlegungen des Verbands Region Stuttgart, die S 6 vielleicht doch bis nach Calw zu erweitern. Wenn selbst der Träger der S-Bahn sage, er könnte sich eine Verlängerung vorstellen, sei es doch „Wahnsinn“, die Hesse-Bahn-Pläne in der jetzigen Form weiter voranzutreiben, fand der Freie Wähler Marcus Schautt.

2007 sind die S6-Pläne durchgefallen

Dagegen argumentierten die Grünen im Rat. Zu glauben, es werde eine erweiterte Linie S 6 geben, sei „eine Illusion“, sagte Erwin Eisenhardt. Das Verkehrswissenschaftliche Institut Stuttgart habe die Wirtschaftlichkeit dieses Projekts schon 2007 geprüft, „da ist es komplett durchgefallen“. Die Anbindung an Calw mithilfe der Hermann-Hesse-Bahn sei für ihn daher der richtige Weg. Zu der dezidierten Beschwerdeliste bemerkte er: „Ich finde diesen Vortrag eher peinlich.“ Das Verfahren habe jetzt noch Mängel, meinte auch sein Fraktionskollege Jochen Breutner-Menschick. „Aber die werden behoben.“

Am Ende brachte Eisenhardt sogar die Bosch-Ansiedlung ins Spiel: „Die Busse, die da hochfahren, bringen dreimal so viele Abgase wie die Dieselloks – aber da beschwert sich niemand.“ Im übrigen Rat fand er mit dieser Argumentation keine Freunde. Auch die Chance auf die S-6-Lösung erachteten die meisten als weit realistischer als er. „Das ist keine Illusion, die Aussichten sind gut“, glaubt Bürgermeister Wolfgang Faißt.

Die Beteiligten planen in Stufen

Derzeit prüfen das Landratsamt Calw und der Verband Region Stuttgart, ob die Verlängerung der S-Bahn-Linie 6 überhaupt möglich oder sinnvoll ist. Die Ergebnisse dieses Gutachtens sollen im Dezember vorliegen, sagt Michael Stierle, der für die Hermann-Hesse-Bahn zuständige Abteilungsleiter im Landratsamt Calw. „Im Dezember gehen wir mit den Ergebnissen dann in die zuständigen Gremien“, sagte er auf Nachfrage. „Von allen Seiten wird die Untersuchung derzeit vorangetrieben.“

Alle arbeiten zusammen

Alle Beteiligten – das sind das baden-württembergische Verkehrsministerium, der Verband Region Stuttgart, der die S-Bahn betreibt, die Landratsämter Calw und Böblingen und die Städte Weil der Stadt und Renningen, die gemeinsam einen S-Bahn-Arbeitskreis bilden. Michael Stierle verweist in diesem Zusammenhang auf das „Stufenkonzept“ vom Juni 2015, demzufolge die Hesse-Bahn zunächst im Dieselbetrieb reaktiviert werden soll. Die Elektrifizierung der Strecke und die Verlängerung der S-Bahn ist in dem Konzept erst der zweite Schritt.

Auch der Verband kritisiert Calw

„Und dieses Stufenkonzept hat damals auch die Stadt Renningen unterschrieben“, sagt Michael Stierle vom Landratsamt Calw. In dem Stufenkonzept steht allerdings auch, dass schon während der Stufe Eins die Hesse-Bahn-Strecke möglichst für die S-Bahn fit gemacht werden soll, während sie gebaut wird. „Es fehlen in den vorliegenden Plänen zum Umbau des Renninger Bahnhofs aber Aussagen dazu, ob der neue Bahnsteig auch für die S-Bahn nachgerüstet werden kann“, hatte deshalb der Verband Region Stuttgart Mitte Oktober in seiner Stellungnahme zu dem Planfeststellungsverfahren kritisiert.