Der Journalist und Autor Mike Powelz stellt beim Palliativverein in Renningen seinen Kriminalroman vor, der in einem Hospiz spielt. Er gibt damit authentische Einblicke in eine oft unbekannte Welt, denn sein Vater hat diesen Weg ebenfalls beschritten.

Renningen - Das letzte Stück müssen Sie leider selbst zurücklegen.“ Freundlich verabschiedet der gutaussehende spanische Taxifahrer, kaum älter als ihr Enkel, Minnie, eine ältere Dame mit glühend schwarzen Augen. Sie leidet an einem unheilbaren Nierenbeckenkrebs und ist deshalb auf dem Weg zu ihrem neuen Heim, ihrem voraussichtlich letzten Zuhause. Sie zieht in ein Hospiz.

 

Minnie ist die Hauptfigur in dem Krimi „Die Flockenleserin“, den der Autor Mike Powelz am Samstagabend beim Palliativ-Verein in Renningen vorstellt. Denn „dank Internet reicht heutzutage unser Kontakt sogar bis nach Hamburg“, sagt die Vereinsvorsitzende Martina Steinbrenner bei der Begrüßung mit einem Lächeln in den Augen. In der Online-Ausgabe der LKZ nämlich hat Mike Powelz über Martina Steinbrenner gelesen und sich daraufhin sofort mit ihr in Verbindung gesetzt. Für ihren Verein, der die Arbeit mit Schwerkranken unterstützt, ist Steinbrenner immer auf der Suche nach solchen Referenten. Und Mike Powelz spendet nicht nur die Eintrittsgelder seiner Lesung an die Hospiz-Arbeit, er hat auch den „weltweit ersten Hospiz-Krimi“, wie er verkündet, im Gepäck.

„Der Tod ist ein Tabuthema“

Dort, im Hospiz, lernt Minnie erstmal den Psychologen Dr. Albers kenne. Der will ihr allerdings nicht sagen, wie lange sie noch zu leben hat, denn „dann würden Sie die Tage abzählen. Ich will aber nicht, dass Sie sich aufgeben“. Auch die Angst vor den Schmerzen quält Minnie. „Inzwischen ist die Palliativmedizin aber weit fortgeschritten“, sagt da Dr. Albers, „mittlerweile können wir Schmerzen zu 99,9 Prozent lindern. Sie werden sie vergessen und trotzdem bei klarem Verstand sein.“ Raffiniert würzt Autor Mike Powelz seinen Krimi, den er in Auszügen vorliest, mit Fakten über die Hospizarbeit und gibt so Einblicke in eine Welt, über die die meisten der Zuhörer noch nie nachgedacht haben. „Der Tod ist ein Tabuthema“, sagt er. „Es gibt unzählige Geburtenratgeber, aber keinen Ratgeber über das richtige Sterben.“ Deshalb wollte er einen solchen schreiben – und hat ihn in einen spannenden Krimi verpackt. So kommen zwei Bereiche zusammen, die nur auf den ersten Blick viel Gemeinsames haben. „Im Tatort wird zwar viel geballert, aber das Sterben selbst wird nicht thematisiert“, hat Mike Powelz festgestellt. Deshalb erfahren die Leser in seinem Buch, wie sie handeln können, wenn im eigenen Umfeld der schlimmste aller Fälle eintritt und der Vater, die Mutter, der Partner oder gar das eigene Kind im Sterben liegt. „Vom Betrug des Bestatters über familiäre Konflikte am Sterbebett bis hin zu Ekel gibt es viele Probleme, die dann auftreten“, berichtet er.

Bei Minnie ist es noch nicht so weit. Sie sitzt bei einem großen Stück Himbeersahnetorte beim Kaffeekränzchen und lernt ihre zwölf anderen Hospizmitbewohner kennen. Zum Beispiel die vierzigjährige Bella Schiffer, die einstmals bei Miss-Wahlen den dritten Platz belegt hat, und jetzt ihre Augenbrauen künstlich ergänzen muss. Oder „Omi“ Klärchen Krause, deren Perücke je nach Stimmungslage wechselt. Oder den schwer atmenden Herbert Powelz. Auch der Vater von Mike Powelz ist ein Protagonist in dem Krimi. Kam der Autor doch zum ersten Mal mit diesem Thema in Berührung, als der Vater vor fünf Jahren ins Hospiz ziehen musste. „Da hab ich dann alles genau protokolliert“, erzählt Powelz, der eigentlich Chefreporter beim Springer-Verlag in Hamburg ist, den Zuhörern seiner Lesung. So erfahren sie, dass Minnie in Wirklichkeit Lissy geheißen hat, und auch die anderen Helden reale Vorbilder haben, die Mike Powelz während der Lesung auf Fotos präsentiert.

Minnie kämpft gegen das Böse

„Lissy ist ein Paradebeispiel für die moderne Palliativmedizin“, erklärt er dazu. „Sie wurde in ihren letzten Lebenstagen vollkommen schmerzfrei und konnte sogar wieder Spaziergänge unternehmen.“ Um das zu zeigen und den Menschen die Furcht vor der letzten Phase des Lebens zu nehmen, hat er in acht Wochen Nacht für Nacht den 600 Seiten starken Krimi geschrieben. „Der Schreibprozess war für mich wie ein reifer Apfel, der endlich vom Stamm fällt“, sagt er, „ich hab ja alles selbst miterlebt.“

Bis auf die Kriminalgeschichte. Ein altes Ehepaar stirbt eines nachts gleichzeitig, ein weiterer Gast erstickt. So nimmt das Unheil seinen Lauf und Minnie kämpft in ihren alten Tagen noch einmal gegen das Böse. Die Renninger Vereinsvorsitzende Martina Steinbrenner jedenfalls konnte das Buch nicht mehr aus der Hand nehmen, „obwohl ich eigentlich keine Krimileserin bin“, sagt sie und bedankt sich bei Mike Powelz. Das Geld aus der gelungenen Lesung kann sie gut gebrauchen, ihre nächste Baustelle hat sie nämlich schon entdeckt. „In ganz Baden-Württemberg gibt es kein Hospiz für Kinder“, sagt sie, „dafür müssen wir dringend finanzielle Grundlagen schaffen.“