Eine 17-Jährige ist kein unbeschriebenes Blatt und wird vom Böblinger Jugendschöffengericht für zwei Jahre und neun Monate ins Gefängnis geschickt. Ihr 20-jähriger Komplize kommt mit einer Bewährungsstrafe davon.

Renningen - Die Vorgehensweise war immer dieselbe: Erst wurden ältere Männer dabei beobachtet, wie sie bei der Bank Geld abhoben, dann bat man sie um eine Spende, lenkte sie ab, stahl ihnen das das Geld und machte sich aus dem Staub. Bei einem Renninger waren es 4000 Euro. Wegen der Diebstähle hat das Böblinger Jugendschöffengericht nun eine 17-Jährige zu einer Strafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, ihren 20-jährigen Partner zu einem Jahr, das der Vorsitzende Richter zur Bewährung aussetzte.

 

Auffallend: junge Frau wollte sich nicht bedienen lassen

Dem Renninger war schon im Schalterraum seiner Bank an jenem Vormittag im Februar dieses Jahres eine junge Frau aufgefallen, die sich nicht bedienen lassen wollte. Er dachte sich nichts dabei, zahlte erst Firmeneinnahmen auf ein Geschäftskonto ein und nahm 4000 Euro mit. Das Geld steckte der 74-Jährige in eine blaue Tasche, ging zu seinem Auto, legte die Geldtasche auf den Rücksitz und stieg ein.

Plötzlich stand eine junge Frau neben seinem Wagen, zeigte ihm eine Kladde und redete auf ihn in einer Sprache ein, die er nicht verstand. Unbemerkt konnte ein Mädchen die blaue Tasche aus seinem Wagen stehlen. Das fiel ihm erst auf, als er das Kind davonrennen sah – und die junge Frau mit der Kladde hinterher. „Ich aus dem Auto raus, bin natürlich nicht der Schnellste“, schilderte der 74-Jährige die Szene vor Gericht, „und hab’ um Hilfe gerufen.“ Er rannte zurück in seine Bank, die die Polizei verständigte, während ein Zeuge des Vorfalls mitten in Renningen die Verfolgung des Fahrzeugs aufnahm, in das sich das Mädchen und die junge, hochschwangere Frau geflüchtet hatten. Den Wagen stoppte die Polizei schließlich auf der A 81 zwischen den Anschlussstellen Ludwigsburg-Nord und Pleidelsheim.

Die hochschwangere 17-Jährige brachten die Beamten in ein Krankenhaus, wo sie wenige Tage später ihr zweites Kind gebar. Der 20-Jährige, der den Wagen fuhr und der Vater ihrer Kinder ist, kam sofort in Untersuchungshaft. Um die beiden Kinder, die mit dem Paar unterwegs waren, kümmerte sich das Jugendamt. Das Auto nahmen Beamte des Landeskriminalamtes auf der Suche nach der Beute komplett auseinander. Die entdeckten sie in einer Kopfstütze. Münzgeld hatten die Verdächtigen auf ihrer Flucht aus dem Auto geworfen.

Nicht nur in Renningen zugeschlagen

Der Renninger Diebstahl ist nicht der einzige, den man der 17-Jährigen in dem Verfahren vor dem Böblinger Schöffengericht zur Last legte. In Montabaur hatte sie zusammen mit Komplizinnen im Februar vergangenen Jahres einen Mann um 500 Euro gebracht, im niedersächsischen Bassum im vergangenen November einen 83-Jährigen um 470 Euro und im Januar einen 90-Jährigen in Ansbach um 900 Euro. Das Geld hatten die älteren Männer vorher von ihren Konten abgehoben – beobachtet von der 17-Jährigen und ihre Komplizinnen. Sie baten die Senioren um Geld für taubstumme Kinder in Osteuropa und bedankten sich bei den Spendern überschwänglich mit Umarmungen und Küssen für ein paar Euro. Dabei bestahlen sie ihre Opfer.

„Ja, ich habe gestohlen, das gebe ich zu“, sagt die 17-Jährige mit tränenerstickter Stimme. Von dem Geld habe sie unter anderem Kinderkleider, ein Bettchen, einen Kinderwagen, Pampers und Milchpulver gekauft. Wie sie zu den Tatorten in ganz Deutschland gelangt sei, wollte der Vorsitzende Richter Günter Scheible von der Angeklagten wissen, die nicht das erste Mal wegen Betrugs und Diebstahls vor Gericht stand. Dass sie, wie behauptet meist mit dem Zug gefahren sei, wollte er ihr nicht so recht glauben. Aber dem Vater ihrer Kinder konnte nur die Beteiligung an dem Diebstahl in Renningen nachgewiesen werden. Scheible war überzeugt davon, dass das nur die Spitze des Eisbergs sei. „Straftaten ziehen sich wie ein roter Faden durch ihr Leben“, sagte Günter Scheible zu der 17-Jährigen, der bislang 19 Delikte nachgewiesen werden konnten: „Das ist schon etwas Bemerkenswertes.“